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Dann machte sie ein bedeutungsvolles Gesicht. »Halte dich lieber an mich, Tina. Ich weiß, was dir helfen könnte.« Sie lächelte anzüglich. »Bei meiner Diät mußt du auf gar nichts verzichten.« Sie lehnte sich zur Seite und angelte nach ihrer Jacke, die sie vorhin achtlos auf das Bett geworfen hatte. Aus einer der beiden Taschen holte sie zwei schmale Päckchen hervor. »Versuch’s mal damit.«

      »Das sind ja Tabletten«, stellte Martina erstaunt fest. »Und auch noch rezeptpflichtige.« Sie sah ihre Freundin an. »Woher hast du die?«

      »Von Jan«, antwortete Heike, dann zuckte sie die Schulter. »Er ist schließlich der Sohn eines Apothekers.«

      Entsetzt starrte Martina sie an. »Du meinst… er klaut sie in der Apotheke seines Vaters?«

      »Ach, sei doch nicht so engstirnig, Tina«, entgegnete Heike unwirsch. »Bei den riesigen Medikamentenlieferungen, die bei denen Tag für Tag eingehen, verschwindet eben an und zu mal eine Schachtel.« Sie lächelte raffiniert. »Jan tut das ja auch nicht für jeden.«

      Der Stachel der Eifersucht bohrte sich bei diesen Worten in Martinas Herz.

      »Was bekommt er denn als Gegenleistung von dir?« fragte sie, und ihrer Stimme war deutlich anzuhören, was sie dachte.

      »Das geht dich nun wirklich nichts an«, meinte Heike, ehe sie wieder auf diese raffinierte Weise lächelte. »Noch bist du nicht Jans Freundin, und vielleicht wirst du es auch nie werden.« Sie wies mit dem Kinn auf Martinas pummelige Figur. »Jedenfalls nicht, solange du wie eine Tonne aussiehst.«

      Tränen schossen Martina in die Augen. Rasch senkte sie den Kopf und gab vor, die Tablettenschachteln zu betrachten.

      »Das eine ist ein Abführmittel«, stellte sie fest.

      »Richtig«, stimmte Heike zu. »Das räumt deinen Darm mal so richtig durch. Die anderen Tabletten nimmst du vor jeder Mahlzeit. Das sind Appetitzügler. Danach wirst du höchstens noch die halbe Portion verdrücken. In ein paar Wochen hast du die ersten Pfunde sicher schon verloren.« Sie stand auf und trat dicht vor Martina hin. »Du kannst den Erfolg aber auch schneller haben. Geh ein paar Wochen regelmäßig nach dem Essen auf die Toilette.«

      Verständnislos sah Martina sie an. »Auf die Toilette?«

      Heike verdrehte genervt die Augen. »Mein Güte, bist du schwer von Verstand. Tina, du hast zehn Finger zu deiner Verfügung. Such dir einen davon aus.«

      Einen Augenblick starrte Martina auf ihre Hände, dann dämmerte es ihr plötzlich. »Du meinst… ich soll…« Angewidert verzog sie das Gesicht. »Das ist ja ekelhaft.«

      »Aber wirkungsvoll«, fügte Heike hinzu. »Auf diese Weise hast du den Genuß ohne Reue. Kein noch so kalorienreiches Gericht wird sich auf der Waage niederschlagen.« Sie wies auf die Pralinenschachtel, die Martina in die offene Schreibtischschublade gelegt hatte. »Davon kannst du drei Packungen auf einmal verdrücken, wenn dir danach ist. Und wenn du dich satt gegessen hast, spuckst du sie wieder aus – fertig.«

      »Ich weiß nicht«, murmelte Martina unsicher, dann hob sie die Tablettenpackungen hoch. »Ich versuche es erst mal damit.«

      Heike zuckte die Schultern. »Wie du meinst.« Sie stand auf und drehte sich provozierend vor Martina. »Das ist die Figur, auf die Jan abfährt, vergiß das nicht.«

      *

      Mit gemischten Gefühlen betrat Manfred Steiner das kleine Krankenhaus, wo er in den letzten Jahren schon so oft gewesen war.

      »Herr Steiner!« Mit einem sehr freundlichen Lächeln kam ihm Dr. Kunstmann entgegen und reichte ihm die Hand. »Schön, daß Sie sich wieder zur Verfügung stellen. Ich bin immer froh, wenn ich mit Patienten zusammenarbeiten kann, die den Ablauf bereits kennen.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Schwester Marion wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen, und in einer halben Stunde bekommen Sie die erste Spritze.«

      Manfred nickte nur. Er brachte keinen Ton hervor, weil ihm Dr. Parkers Warnung nicht aus dem Kopf ging. »… ich habe dir so oft gesagt, daß du das lassen sollst. Weißt du überhaupt, in welche Gefahr du dich begibst?«

      Und nun war er wieder hier, und in einer halben Stunden würde er eine Spritze bekommen, die ein nicht zugelassenes Medikament enthielt… ein Medikament, dessen Nebenwirkungen an ihm und einigen anderen Patienten, die sich freiwillig zur Verfügung stellten, getestet wurden.

      »Herr Doktor, das Geld, das ich dafür bekomme… ich… ich brauche es ganz dringend«, brachte Manfred mühsam hervor.

      Dr. Kunstmann schüttelte den Kopf. »Sie keinen das Spielchen, Herr Steiner. Bezahlung erfolgt nach Abschluß der Testreihe. So, und jetzt gehen Sie mit Schwester Marion. Ich komme in einer halben Stunde zu Ihnen.«

      »Ja, Herr Doktor«, flüsterte Manfred, dann folgte er der Schwester nach oben. Wie immer wurde ihm ein Einzelzimmer zugeteilt, und es dauerte nicht lange, bis Dr. Kunstmann eintrat.

      »So, Herr Steiner«, meinte er. »Jetzt drehen Sie sich mal auf die Seite.« Er desinfizierte die Einstichstelle. »Es wird ein bißchen weh tun.«

      Es tat nicht nur ein bißchen weh, sondern ganz gewaltig. Manfred biß die Zähne zusammen, trotzdem konnte er ein schmerzvolles Aufstöhnen nicht unterdrücken, doch der Arzt nahm es überhaupt nicht zur Kenntnis.

      »Eine Stunde lang alle zehn Minuten Puls, Blutdruck und Temperatur kontrollieren«, ordnete er an, nickte Manfred noch einmal kurz zu und verließ den Raum, während Schwester Marion die ersten Messungen vornahm und dann ebenfalls ging.

      Manfred war allein. Er starrte das Telefon an. Der Wunsch, den Hörer abzunehmen und bei Dr. Parker anzurufen, wurde beinahe übermächtig. Doch was sollte er ihm sagen? Etwa, daß er wieder in der Klinik war und sich nicht zugelassene Medikamente spritzen ließ? Jeff würde ihn quasi durch den Fleischwolf drehen, wenn er das erfahren würde. Außerdem war die Erinnerung an Martinas Worte noch viel zu stark: »Sie bezahlen ihm die Mitgliedschaft, weil er es sich sonst überhaupt nicht leisten könnte.«

      Nie… nie wieder sollte Martina Grund haben, so etwas zu sagen. Er ließ sich nicht aushalten – von niemandem. Und wenn er Medikamente nehmen mußte, um sich das nötige Geld zu verdienen, dann würde er es eben tun. Martina sollte nicht denken, daß er ein armer, mittelloser Schwächling war, der einen Sponsor brauchte, um sich sein einziges Hobby finanzieren zu lassen. Martina sollte ihn lieben…

      *

      Als Dr. Parker die Tür zu seiner gemütlichen kleinen Dachwohnung aufschloß, schlug ihm der herzhafte Duft von Gulasch entgegen. Ein Gefühl der Wärme breitete sich in ihm aus. Er hatte sich schon so lange danach gesehnt, einmal nach Hause zu kommen und dort erwartet zu werden. In letzter Zeit war ihm die Einsamkeit in seiner kleinen Wohnung besonders bewußt geworden, und eine Weile hatte er schon geglaubt, das würde sich nie mehr ändern. Doch dann hatte er einen schweren Autounfall gehabt, den er nur mit viel Glück überlebt hatte. Dieser Unfall hatte ihm allerdings auch die Liebe von Karina, der Tochter Dr. Daniels, beschert, denn gerade dadurch war sie sich ihrer tiefen Gefühle für ihn bewußt geworden.

      »Karina?« rief Dr. Parker jetzt fragend.

      Sie trat aus der Küche und wischte sich die Hände an der blauen Schürze ab, die sie sich umgebunden hatte, dann löste sie mit einer Hand das Band, mit dem sie ihr langes, goldblondes Haar im Nacken zusammengebunden hatte, bevor sie auf Jeff zuging und ihre Arme um seinen Nacken legte.

      »Guten Abend, Liebling«, begrüßte sie ihn zärtlich.

      Er küßte sie.

      »Schön, daß du da bist«, flüsterte er an ihrem Ohr, dann vergrub er das Gesicht in ihrem dichten, weichen Haar und lachte leise. »Ich glaube, wir müssen bald heiraten. An den Gedanken, daß du jeden Abend hier auf mich wartest, wenn ich heimkomme, könnte ich mich nur allzu schnell gewöhnen.«

      »Das kann ich mir vorstellen«, meinte Karina lächelnd. »Für mich hätte diese Vorstellung auch etwas Verlockendes.« Sie rückte ein bißchen von ihm ab und betrachtete ihn aufmerksam. Er lächelte zwar noch immer, doch in seinen Augen konnte sie deutlich

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