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Sie lächelte. »Na ja, vielleicht noch einen Joghurt.« Dann stand sie auf. »Ich muß jetzt Hausaufgaben machen.«

      Rasch lief sie die Treppe hinauf, doch sie betrat nicht ihr Zimmer, sondern das Bad. Sekundenlang stand sie unschlüssig da. Es kostete sie noch immer Überwindung, mit dem Finger Erbrechen auszulösen, aber wenn sie nicht wieder zunehmen wollte, mußte sie es unbedingt tun. Außerdem war es nicht mehr so schwer wie am Anfang. Der Heißhunger, der sie immer wieder verführte, Unmengen von Essen in sich hineinzustopfen, löste nachher ohnehin leichten Magendruck und Übelkeit bei ihr aus.

      Heute fiel es ihr allerdings schwer. Sie hatte solchen Hunger gehabt, und der Gedanke, daß ihr Magen dann wieder völlig leer sein würde…

      Sie atmete tief durch, dann griff sie nach ihrem Zahnputzglas, füllte warmes Wasser ein und trank es in einem Zug aus. Das würde die Prozedur erleichtern.

      »Martina?«

      Sie erschrak, als sie die Stimme ihrer Großmutter hörte.

      »Ich bin auf der Toilette, Oma!« rief sie, dann brachte sie es schnell hinter sich, spülte ihren Mund mit einem erfrischenden Mundwasser aus und verließ schließlich das Bad.

      »War dir schlecht, Kindchen?« fragte Rosalinde besorgt.

      »Nein, wie kommst du darauf?« entgegnete Martina und brachte es sogar fertig, erstaunt auszusehen.

      »Na ja, ich dachte nur… ich habe etwas gehört…«

      Martina umarmte ihre Großmutter. »Unsinn, Oma, weshalb sollte mir denn schlecht sein? Ich fühle mich blendend. So, aber jetzt muß ich wirklich was für die Schule tun. Schließlich will ich bei den Prüfungen zur Mittleren Reife nicht durchfallen.«

      Doch als sie wenig später an ihrem Schreibtisch saß, lagen die Schulbücher nur zur Tarnung herum. Ihre Gedanken waren bei Jan. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie so schlank war, wie er sich seine Freundinnen wünschte. Und dann…

      Ein seliges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.

      *

      Dr. Daniel glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als seine nächste Patientin das Sprechzimmer betrat. Das sollte Martina sein? Vor vier Wochen war sie ihm auf der Straße begegnet – pummelig wie eh und je, und jetzt stand vor ihm ein schlankes, junges Mädchen in knallengen Jeans.

      »Da staunen Sie, was?« meinte Martina und strahlte dabei über das ganze Gesicht.

      »Das kann man wohl sagen«, gab Dr. Daniel offen zu, dann stand er auf, kam ihr entgegen und reichte ihr mit dem ihm eigenen herzlichen Lächeln die Hand. »Hübsch siehst du aus.«

      Sie lachte glücklich. »Danke für das Kompliment, Herr Doktor. Ich bin ja so froh, daß es mir endlich gelungen ist, abzunehmen – und das ohne Klinikaufenthalt.«

      »Was war denn das für eine Zauberdiät?« wollte Dr. Daniel wissen, während er mit einer einladenden Handbewegung auf die beiden Sessel wies, die seinem Schreibtisch gegenüberstanden.

      »Es ging ja offensichtlich ziemlich schnell«, fügte er hinzu.

      »Ja, es war eine dieser neuartigen Diäten aus Amerika«, log Martina. »Nach dem Motto ›Zehn Pfund in fünf Tagen‹. Aber es hat gewirkt.«

      »Das sieht man«, stimmte Dr. Daniel zu. »bei derartigen Blitzdiäten mußt du aber aufpassen, daß du dein Gewicht auch halten kannst. Meistens ist man danach so ausgehungert, daß man die verlorenen Pfunde schnell wieder reingefuttert hat.«

      Martina schüttelte den Kopf. »Ich konnte während dieser Diät alles essen. In Maßen natürlich«, fügte sie rasch hinzu. »Außerdem bin ich fest entschlossen, nie wieder zuzunehmen.« Sie strich mit einer Hand an der Hüfte entlang. »Da gibt es sogar noch das eine oder andere Fettpölsterchen, das ich gern wegbekommen möchte.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »An deinem Körper sind bestimmt keine überflüssigen Fettpölsterchen mehr, Martina.« Er hob warnend den Zeigefinger. »Auch mit dem Abnehmen soll man es nicht übertreiben. Wenn du so bleibst, wie du jetzt bist, ist es gerade richtig.«

      Martina nickte zwar, doch insgeheim war sie fest entschlossen, noch weiter abzunehmen. Die Methode war zwar alles andere als angenehm, doch der Erfolg spornte sie Tag für Tag aufs neue an.

      »Was führt dich denn heute zu mir?« fragte Dr. Daniel schließlich und lächelte. »Oder wolltest du dich nur bewundern lassen?«

      »Das auch«, gab Martina zu, bevor sie mit ihrem eigentli-

      chen Anliegen herausrückte. »Ich wollte mir die Pille verschreiben lassen.« Sie zeigte einen koketten Augenaufschlag. »Jetzt habe ich nämlich plötzlich Chancen.«

      »Das glaube ich gern«, meinte Dr. Daniel. »Es spricht auch nichts dagegen, dir die Pille zu verschreiben. Du mußt mir zuvor nur ein paar Fragen beantworten, und dann muß ich dich natürlich noch untersuchen, aber ich denke nicht, daß sich da irgendwelche Argumente ergeben werden, die gegen die Pille sprechen würden.«

      Martina beantwortete die Fragen, die Dr. Daniel ihr stellte, und erst als er sich nach der letzten Monatsblutung erkundigte, zögerte sie einen Moment. Ihre Regel war in diesem Monat zum ersten Mal seit vier Jahren ausgeblieben. Sekundenlang war sie drauf und dran, die Wahrheit zu gestehen und das Ausbleiben der Regel auf ihre Diät zu schieben, aber dann nannte sie statt dessen irgendein Datum.

      Dr. Daniel warf ihr einen kurzen Blick zu. Er spürte, daß Martina ihn belogen hatte, konnte sich aber keinen Reim darauf machen.

      »Bist du sicher?« hakte er nach.

      Eine kaum sichtbare Röte huschte über Martinas Gesicht, dann nickte sie. »Ja, Herr Doktor, ich bin ganz sicher.«

      »Also schön«, meinte Dr. Daniel und trug das Datum auf der Patientenkarte ein, doch in Klammern machte er sich einen Vermerk über seine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angabe.

      Die nachfolgende Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten, und so stellte Dr. Daniel schließlich das Rezept aus.

      »Du beginnst mit der Einnahme am ersten Tag deiner nächsten Regel«, erklärte er. »Wenn die Packung aufgebraucht ist, folgt eine Pause von sieben Tagen. Während dieser Zeit bekommst du eine Blutung, die einer abgeschwächten Regelblutung gleicht. Nach sieben Tagen beginnst du wieder mit der Pilleneinnahme, auch wenn die Blutung zu diesem Zeitpunkt noch anhält.«

      Martina nickte, sah das Rezept in ihrer Hand an und blickte schließlich wieder auf. »Wenn ich nun mal krank werde… ich meine… wenn ich mich mal übergeben muß… wirkt die Pille dann auch?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »In einem solchen Fall mußt du auf eine zusätzliche Verhütungsmethode zurückgreifen – Scheidenzäpfchen oder etwas in dieser Art. Allerdings kannst du das alles in dem Begleitheft nachlesen, das der Pillenpackung beiliegt. »Ich habe dir übrigens nur ein Rezept für drei Monate gegeben. Danach kommst du bitte zu mir zu einer erneuten Untersuchung. Wenn du die Pille aus irgendeinem Grund nicht vertragen solltest, dann kommst du natürlich früher, ja?«

      Wieder nickte Martina. Das Rezept hatte für sie jeden Wert verloren. Irgendwie hatte sie angenommen, die Pille würde nach der Einnahme schnell ins Blut übergehen. Wie sollte sie verhüten und gleichzeitig ihr Gewicht halten, wenn sie nach dem Essen nicht mehr zur Toilette gehen durfte?

      »Gibt es da eigentlich auch andere Methoden?« wollte sie jetzt wissen. »Vielleicht einen Wirkstoff, den man spritzen kann?«

      Dr. Daniel war erstaunt über diese Frage, ließ es sich aber nicht anmerken.

      »Ja, Martina, das gibt es«, antwortete er. »Es ist die sogenannte Drei-Monats-Spritze, aber die wende ich nicht gerne an, weil sie zu starken menstruellen Störungen führt. Dazu kommt, daß du noch im Wachstum bist. In diesem Fall könnte ich eine solche Art der Empfängnisverhütung nicht verantworten.« Er schwieg einen Moment und sah Martina dabei prüfend an. »Warum fragst du danach? Leidest du unter Magen-Darm-Störungen, so daß die Pille für dich zu unzuverlässig wäre?«

      Martina

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