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Parker nickte. »Er liegt in der Luftröhre.« Dann lächelte er wieder. »Aber mir war von Anfang an klar, daß du es schaffen würdest.« Er trat zu dem Patienten. »So, jetzt wollen wir den Jungen aber schnell wieder von dem gräßlichen Schlauch befreien, bevor er wach wird.«

      Verständnislos starrte Karina ihn an. »Bevor er… aber… er soll doch operiert werden. Das Muskelrelaxans…«

      Inzwischen hatte Dr. Parker den Tubus bereits entfernt. Jetzt richtete er sich auf, nahm den Mundschutz ab und sah Karina an.

      »Glaubst du wirklich, ich hätte dich intubieren lassen, wenn ich dem Patienten Muskelrelaxanzien gespritzt hätte? Ein solches Risiko wäre ich niemals eingegangen.« Er wies auf Manfred, der allmählich zu sich kam. »Er hat nur eine leichte Narkose bekommen, sonst nichts. Im übrigen war alles zwischen ihm und mir abgesprochen.«

      Voller Wut riß Karina ihren Mundschutz herunter. Ihre sonst so sanften blauen Augen sprühten Zornesblitze.

      »Du Scheusal!« fuhr sie Dr. Parker an. »Ahnst du eigentlich, welche Ängste ich ausgestanden habe, weil ich dachte…« Vor lauter Wut fand sie keine Worte mehr. Sie war bereits an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte.

      »Du hinterhältiger Schuft!« schleuderte sie Dr. Parker entgegen. »Ich will dich nie wieder sehen!«

      Dann war sie draußen. Dr. Parker seufzte.

      »Wie gesagt, Jeff«, murmelte er sich zu. »Als Psychologe bist du eine glatte Null.«

      Dann wandte er sich Manfred zu, der inzwischen wieder erwacht war.

      »Na, wie fühlst du dich?« wollte er wissen.

      »Gut«, antwortete Manfred mit krächzender Stimme. Er räusperte sich. »Ein bißchen müde bin ich zwar noch, aber sonst geht’s mir gut.«

      »Das ist das wichtigste«, meinte Dr. Parker. »Du hast jetzt auch noch Zeit, dich ein bißchen auszuruhen. Es ist erst knapp halb zehn«

      Manfred lächelte. »Das ist schön.« Dann blickte er Dr. Parker prüfend an. »Konnte ich dir denn nun helfen?«

      Unwillkürlich wanderte der Blick des Arztes zu der Tür, durch die Karina verschwunden war.

      »Mir persönlich… nein, das wohl nicht. Ich fürchte sogar, daß ich durch dieses ganze Manöver eine gute Freundin verloren habe.« Dann sah er Manfred wieder an und zwang sich zu einem Lächeln. »Aber Karina hast du auf jeden Fall geholfen. Sie weiß jetzt, daß sie es kann, wenn es darauf ankommt.«

      *

      Es hatte Fiona Hartwig nicht viel Mühe gekostet herauszufinden, daß Nicole Kortenhagen noch immer in der Waldsee-Klinik lag. Dazu hatte sich bei ihren Nachforschungen überdies etwas ergeben, was für ihren Plan von großer Bedeutung war: Nicole war blind, und das kam der kalten, berechnenden Fiona sehr gelegen. Es würde für sie ein leichtes sein, die Beziehung zwischen Mario und Nicole zu zerstören. Dabei ging es ihr nicht wirklich um Mario oder gar um seine Liebe. Es war einfach nur billige Rache. Wenn sie Mario nicht haben konnte, dann sollte ihn auch keine andere haben.

      Fiona wartete mit ihrem Besuch, bis Mario mit dem Krankenwagen unterwegs war, dann betrat sie die Waldsee-Klinik und erkundigte sich bei der Sekretärin Martha Bergmeier nach Nicoles Zimmernummer. Natürlich wußte sie längst, wo die junge Frau lag, doch auf diese Weise gelang es ihr, Martha gegenüber einfließen zu lassen, daß sie eine gute Freundin von Nicole sei. Fiona konnte damit sicher sein, daß sie die Klinik nach vollbrachter Tat unbehelligt würde verlassen können. Wer kümmerte sich schon um eine Patientin, die nur Besuch von einer Freundin gehabt hatte?

      Beschwingt ging Fiona ins erste Stockwerk hinauf, klopfte an der Zimmertür und trat ein. Nicole wandte den Kopf, und Fiona wurde von grenzenloser Wut ergriffen, als sie das madonnenhafte Gesicht sah. Sie selbst konnte makellose Schönheit nur mit Hilfe von gezieltem Make-up erreichen, und es erfüllte sie mit Zorn und Eifersucht, daß Nicole ohne jedes Hilfsmittel ganz bezaubernd aussah.

      »Guten Tag, Frau Kortenhagen«, grüßte sie und schaffte es dabei nicht ganz, aus ihrer Stimme das herauszuhalten, was sie beim Anblick der liebenswerten jungen Frau fühlte.

      »Guten Tag«, erwiderte Nicole und blickte in die Richtung, aus der die unbekannte Stimme gekommen war.

      »Wer sind Sie?« erkundigte sie sich und ließ sich dabei nicht anmerken, wie unangenehm diese fremde Frauenstimme in ihren Ohren klang.

      »Mein Name wird Ihnen sicher nichts sagen«, erwiderte die unbekannte Besucherin. »Ich glaube nämlich nicht, daß Mario ihn jemals erwähnt hat.«

      Unwillkürlich zuckte Nicole zusammen. Die Stimme der Frau klang kalt, nur Marios Namen hatte sie weich, beinahe zärtlich ausgesprochen. Was hatte das zu bedeuten? Was hatte diese fremde Frau mit Mario zu tun?

      Sie hörte, wie die Zimmer-

      tür geschlossen wurde, dann das energische Klappern der Absät-ze, als die Besucherin zu ihr trat und Nicole damit unbewußt signalisierte, wie selbstbewußt sie war.

      »Woher kennen Sie mich?« wollte Nicole wissen und versuchte, das ungute Gefühl, das in ihr aufgekommen war, zu unterdrücken.

      »Das tut nichts zur Sache«, erwiderte die Fremde, rang sich dann jedoch dazu durch, Nicole wenigstens ihren Namen zu verraten.

      »Ich heiße Fiona Hartwig«, erklärte sie in einem Ton, der Nicole unwillkürlich zusammenzukken ließ. Sie spürte die Gefahr, die von dieser Frau für sie ausging.

      »Lassen Sie Mario in Ruhe!« verlangte Fiona da auch schon, und ihr eisiger Ton ließ Nicole unwillkürlich frösteln.

      »Welches Recht haben Sie…« begann sie, doch Fiona fiel ihr ins Wort.

      »Das Recht der Liebe«, behauptete sie mit einer Bestimmtheit, die keinen Zweifel an ihren Worten aufkommen lassen sollte. »Ich liebe Mario, und er liebt mich – schon seit mehr als einem Jahr.«

      Eine eisige Angst griff Nicole ans Herz, aber noch war sie nicht gewillt, dieser fremden Frau bedingungslos zu glauben.

      »Das kann nicht wahr sein«, erklärte sie und bemühte sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen.

      Ein höhnisches Lachen war die Antwort.

      »Aber, Kindchen, natürlich ist es wahr.« Die Stimme der Frau hörte sich an, als würde sie mit einem törichten kleinen Kind sprechen. Dann wurde sie unvermittelt wieder hart und kalt. »Glauben Sie allen Ernstes, daß Sie, eine Blinde, Mario das geben könnten, was er braucht? Wissen Sie, wie gut er aussieht?« Sie beantwortete ihre Frage gleich selbst. »Nein, woher sollten Sie auch. Aber Mario ist eitel, er will immer wieder hören, wie gut er aussieht. Ich kann es ihm sagen – Sie werden dazu niemals in der Lage sein.«

      Fionas grausame Worte trafen Nicoles Herz wie spitze Pfeile.

      »Hören Sie doch auf«, bat Nicole leise und preßte beide Hände gegen die Schläfen.

      »Warum? Können Sie die Wahrheit nicht ertragen?«

      Nicole schluchzte auf, doch keine Spur von Mitleid regte sich in Fionas hartem Herzen. Mit haßerfülltem Blick beugte sie sich vor, und ihre Stimme war ein heiseres Flüstern, als sie Nicole ins Gesicht schleuderte: »Sie sind ihm nur ein Klotz am Bein! Er kommt doch nur aus Mitleid zu Ihnen. Alles andere reden Sie sich bloß ein.«

      Dann richtete sich Fiona wieder auf und ging zur Tür, doch dort drehte sie sich noch einmal um. Ungerührt betrachtete sie die völlig zusammengesunkene Nicole. Es war gelungen! Sie hatte Marios Liebchen zerstört. Niemand könnte ohne weiteres ertragen, was sie gerade gesagt hatte, und für eine Blinde, die ohnehin denken mußte, daß sie trotz aller Selbständigkeit immer eine Belastung sein würde, mußte das alles noch so viel schlimmer sein.

      *

      Fiona ahnte nicht einmal, wie schlimm es für Nicole wirklich war. Innerhalb von Minuten war eine Welt in ihr zusammengebrochen. Mario hatte doch gesagt, daß er sie liebte, und vor allem – sie hatte es ja auch gespürt. Seine Zärtlichkeit, wenn er sie küßte oder

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