Скачать книгу

deswegen muß ich ihm ja wohl nicht ein Leben lang dankbar sein.«

      »Ursprünglich wolltest du das schon«, stellte Dr. Daniel richtig. »Aber wenn es zwischen euch Streit gegeben hat…«

      »Dann geht euch das gar nichts an.« Wieder fiel Karina ihrem Vater ins Wort. »Ich bin mit Jeff schließlich nicht verheiratet. Wir gehen ja nicht mal zusammen. Zwischen uns besteht nicht mehr als eine flüchtige Freundschaft.« Dann stand sie auf. »Ich muß jetzt zur Uni.«

      »Warum ist Karina so böse, Papa?« wollte die kleine Tessa wissen, als ihre große Schwester das Eßzimmer verlassen hatte.

      Dr. Daniel seufzte. »Sie war nicht böse, Schätzchen. Ich glaube, Karina hat großen Kummer, aber zu gegebener Zeit wird sie sich hoffentlich helfen lassen.«

      »Ich wette, sie hat sich in Jeff verliebt, und er hat ihr einen Korb gegeben«, vermutete Stefan, dann seufzte auch er. »Die arme Karina hat schon sehr viel Pech in der Liebe gehabt.«

      Dr. Daniel schwieg dazu. Er war nicht sicher, ob Stefans Deutung der Situation richtig war, obgleich die Vermutung wirklich nahelag. Schließlich hatte Karina den Jungen Anästhesisten gestern zu diesen Karate-Schaukämpfen begleitet.

      »Ich werde versuchen, heute abend noch einmal mit ihr zu sprechen«, beschloß er. »Und zwar allein.«

      *

      Währenddessen war Karina schon auf dem Weg zur Uni. Ihr graute vor dem heutigen Tag. Professor Schneider würde heute noch einmal die Intubation behandeln, und wahrscheinlich würde er sie wieder nach vorne holen, um das richtige Vorgehen zu demonstrieren. Nun wäre das alles halb so schlimm gewesen, wenn Professor Schneider nicht für seinen beißenden Sarkasmus bekannt gewesen wäre.

      Karina machte sich also so klein wie möglich und hoffte, daß der Professor sie heute nicht wieder auswählen würde. Allerdings blieb das leider nur ein frommer Wunsch.

      »Nun, Frau Daniel, haben Sie sich zu Herzen genommen, was ich Ihnen gestern gesagt habe?« wollte der Professor wissen. »Ihnen als Arzttochter müßte die Wichtigkeit der Intubation doch besonders geläufig sein.« Er lächelte spöttisch. »Also, Frau Daniel, dann demonstrieren Sie uns heute doch bitte eine richtige Intubation.«

      Karinas Knie bebten, als sie die Stufen hinunterging.

      »Unser Charly hier wartet ja nur darauf, von Ihnen intubiert zu werden«, fuhr Professor Schneider in anzüglichem Ton fort und wies dabei auf die lebensgroße Puppe, die so lag, daß die Studenten alles gut erkennen konnten.

      Karina trat zum Kopfende des Modells, griff nach dem Laryngoskop und dem Tubus.

      »Der Patient hat Muskelrelaxanzien bekommen«, erläuterte der Professor. »Und nun müssen Sie intubieren, denn die Spontanatmung wird aufgrund des Medikaments zum Erliegen kommen.« Er sah Karina an. »Worauf warten Sie, Frau Daniel?«

      Karina beugte sich über den Kopf der Puppe, doch ihre Hände zitterten so sehr, daß es ihr nicht gelang, das Laryngoskop richtig einzuführen. Ein lautes Knacken erklang.

      Professor Schneider grinste hämisch. »Sehr gut, Frau Daniel. Sie haben dem Patienten soeben den Kiefer gebrochen. Aber bitte, fahren Sie fort.« Er sah auf die Uhr. »Das Gehirn des Patienten ist bereits seit drei Minuten ohne Sauerstoffversorgung.«

      Karina schloß für einen Moment die Augen und wünschte sich, der Erdboden möge sich auftun und sie verschlucken. Nun hatte sie sich gerade gestern erst so blamiert, und heute drohte ihr das gleiche noch einmal. Sekundenlang bereute sie, daß sie Jeff einfach in der Klinik stehengelassen hatte, anstatt sich von ihm die Intubation beibringen zu lassen. Seine Bemerkung vom geplatzten Magen war vielleicht ein wenig hart gewesen, doch so zynisch wie Professor Schneider war er ja wirklich nicht gewesen.

      Vergeblich bemühte sich Karina, den Tubus in die Luftröhre einzuführen. Sie fühlte, wie ihr der Schweiß in Bächen über den Körper rann.

      »Acht Minuten«, verkündete Professor Schneider, und Karina hatte den Eindruck, als würde seine Stimme außerordentlich fröhlich klingen.

      Kraftlos ließ Karina den Tubus sinken. Würde es sich bei dieser Puppe um einen wirklichen Patienten handeln, dann wären ihm jetzt bereits schwerste Hirnschäden gewiß.

      »Na los, machen Sie weiter!« drängte Professor Schneider. »Besser ein blöder Patient als ein toter.«

      Karina errötete bis unter die Haarwurzeln. Sie haßte es, wenn der Professor so taktlos sprach, und das Gelächter einzelner Studenten grub sich schmerzhaft in ihr Herz.

      Noch einmal versuchte sie, den Tubus einzuführen, und diesmal gelang es ihr endlich.

      »Fertig?« wollte Professor Schneider wissen.

      Karina nickte erschöpft.

      »Gut«, meinte er. »Dann sollten Sie sich jetzt einen guten Anwalt nehmen, der vor Gericht erläutern wird, daß sie den Patienten nicht absichtlich getötet haben.« Er schaltete das Beatmungsgerät ein. Der Bauch der Puppe blähte sich auf und platzte dann mit lautem Knall. Karina zuckte zusammen.

      »Das war der Magen«, verkündete Professor Schneider, dann wandte er sich Karina zu. »Ich gebe Ihnen einen guten Rat. Werden Sie niemals Anästhesistin. Da könnten Sie nur Schaden anrichten.« Er lächelte süffisant. »Wenn Ihr Vater auch ein guter Arzt ist, dann bedeutet das nicht zwangsläufig, daß Sie sein Talent geerbt haben. Sie können sich wieder setzen.«

      Karina kehrte an ihren Platz zurück. Sie fühlte sich so elend wie selten zuvor.

      »Nimm dir das nicht so zu Herzen«, flüsterte ihr eine Studienkollegin zu. »Er ist doch ein arrogantes Ekel.«

      Karina nickte nur.

      Der Rest der Vorlesung schwebte an ihr vorbei. Sie hatte das Gefühl, hier völlig fehl am Platze zu sein, und zum ersten Mal bereute sie, daß sie vor ein paar Jahren ihr Jurastudium aufgegeben und auf Medizin umgesattelt hatte. Sie eignete sich allem Anschein nach nicht zur Ärztin, auch wenn sie das immer geglaubt hatte.

      *

      »Mario! Wo bleibst du denn?« rief sein Kollege Richard Schermann ungeduldig.

      Im Laufschritt kam Mario aus der Klinik und sprang in den Krankenwagen.

      »Sag mal, welcher Magnet hat dich da eigentlich festgehalten?« wollte Richard wissen.

      Ein glückliches Lächeln huschte über Marios markantes Gesicht.

      »Ricky, ich bin verliebt«, gestand er offen. »Nein, nicht nur verliebt. Ich liebe sie. Ich liebe sie mehr als mein Leben.«

      »Meine Güte, da hat dich ja

      eine volle Breitseite erwischt«, stellte Richard grinsend fest. »Laß das bloß Fiona nicht hö-ren.«

      Mario winkte ab. »Zwischen Fiona und mir ist doch längst Schluß.«

      Richard warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte.

      »So?« fragte er dann. »Davon scheint sie aber noch gar nichts zu wissen.«

      Mario seufzte tief auf. »Ich habe es ihr klipp und klar gesagt – und das schon vor vier Wochen, aber du kennst ja Fiona. Sie will immer diejenige sein, die eine Beziehung beginnt oder beendet, und sie verkraftet es nicht, daß ich es war, der Schluß gemacht hat. Allerdings hatte ich meine Gründe dafür.«

      »Du warst von Anfang an viel zu anständig für Fiona«, urteilte Richard. »Sie ist ein Biest.« Er schwieg kurz. »Jetzt kann ich es dir ja sagen. Sie wollte mit mir etwas anfangen, als ihr beide noch zusammen gewesen seid.«

      »Damit erzählst du mir nichts Neues«, meinte Mario, zögerte kurz und entschloß sich dann für die Wahrheit. »Ich weiß, daß sie dir schöne Augen gemacht hat, und als ich sie vor die Wahl stellte, erklärte sie tatsächlich, daß sie nicht der Typ wäre, der nur einem Mann Liebe schenkt. Sie behauptete allen Ernstes, sie könne sich nicht zwischen uns entscheiden. Unter wirklicher Liebe verstehe ich etwa anderes.« Er winkte

Скачать книгу