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Mädchen auch.«

      Dr. Daniel lächelte. »Warten Sie nur ab, Alena, wenn es Nicole erst wieder bessergeht… wenn ihre Entzündung abgeklungen ist. Sie wird auf eigene Faust den Klinikpark erforschen, und ich denke, sie wird uns alle auch noch mit ganz anderen Sachen überraschen.«

      *

      Die Antibiotika-Infusionen wirkten rasch, und auch die von Dr. Daniel angekündigte Übelkeit hielt sich bei Nicole in Grenzen, so daß sie bereits an ihrem dritten Tag in der Waldsee-Klinik Lust auf einen Spaziergang verspürte.

      »Na, Frau Kortenhagen, Sie haben aber einen gesegneten Appetit«, stellte Schwester Bianca fest, als sie kam, um das Geschirr abzuräumen.

      Nicole lächelte. »Das Essen hier ist so gut, und vor allen Dingen muß ich es nicht selber kochen.« Sie seufzte leise. »Wissen Sie, Schwester Bianca, manchmal ist es furchtbar langweilig, für sich allein zu kochen.«

      »Das glaube ich gern«, stimmte die junge Stationsschwester zu. »Als ich noch allein in meiner kleinen Wohnung lebte, ging es mir auch oft so. Aber jetzt habe ich Gesellschaft bekommen. Unsere Krankenpflegehelferin Darinka ist vor etlichen Monaten zu mir gezogen, und wir haben oft viel Spaß miteinander.«

      »Das kann ich mir vorstellen«, meinte Nicole. »Ich wollte meine Freundin aus der Blindenschule auch schon mal überreden, zu mir zu ziehen, aber noch hat sie nicht den Mut aufgebracht, ihr Elternhaus zu verlassen.«

      Spontan setzte sich Bianca zu Nicole ans Bett. »Dazu gehört auch Mut. Ich weiß noch, wie einsam ich mich in der ersten Zeit gefühlt habe, und wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, wäre ich vielleicht sogar wieder nach Hause zurückgegangen.«

      Nicole nickte. »Ja, die erste Zeit war für mich auch sehr schwer, doch jetzt möchte ich meine Selbständigkeit nicht mehr missen – auch wenn das Alleinsein nicht immer ganz einfach ist.« Mit einer raschen Handbewegung befühlte sie ihre Armbanduhr. »Schon gleich eins. Das bedeutet, daß meine Infusion bald durch sein müßte.«

      Offene Bewunderung lag auf Biancas Gesicht. Es war für sie einfach unvorstellbar, wie man als Blinde so eigenständig und selbstbewußt sein konnte.

      »Schwester Bianca, ich würde so gern einen kleinen Spaziergang machen«, fuhr Nicole fort. »Glauben Sie, daß ich das schon darf?«

      »Natürlich darfst du«, erklang in diesem Moment Dr. Daniels Stimme von der Tür her. »Allerdings warne ich dich. Es ist bitter kalt draußen. Das heißt für dich, warm anziehen, und mehr als eine Viertelstunde ist auch nicht erlaubt.«

      »Jawohl, Herr Doktor«, erklärte Nicole und legte dabei übermütig die flache Hand an die Stirn, als würde sie salutieren.

      Dr. Daniel schmunzelte. »Mir scheint, dir geht’s schon wieder ganz hervorragend.«

      »Die Schmerzen sind fast weg«, antwortete Nicole. »Diese Antibiotika sind die reinsten Wundermittel.«

      »Richtig angewandt schon«, stimmte Dr. Daniel zu. »Leider lassen sich manche Ärzte immer wieder dazu verführen, auch bei harmlosen Erkältungskrankheiten Antibiotika zu verschreiben, und das ist dann der blanke Unsinn. Bei Virusinfektionen und vor allem auch bei Fieber sind Antibiotika nämlich völlig wirkungslos. Aber das nur nebenbei.« Er setzte sich neben Nicole auf das Bett und ergriff ihre Hand. »Auch wenn es dir gutgeht, kommen wir um eine Untersuchung nicht herum, und ich sage dir gleich, daß dir das noch immer ein bißchen weh tun wird.«

      »Wenn ich Sie nicht so gern hätte, müßte ich Ihnen jetzt fast böse sein«, meinte Nicole. »Es ist unfair, mir gerade jetzt, wo ich mich schon richtig wohl fühle, mit einer schmerzhaften Untersuchung zu drohen.«

      Dr. Daniel stupste sie scherzhaft an der Nase. »Ich drohe nicht nur, ich mache meine Drohung auch wahr. Nein, im Ernst, Nicole, ich werde ganz vorsichtig sein, und es wird auch sicher nicht so weh tun wie vor drei Tagen, als du in die Klinik eingeliefert wurdest.«

      »Ich weiß, daß Sie nur Ihre Pflicht tun, Herr Doktor«, erklärte Nicole, dann stand sie auf, griff zielsicher nach ihrem Morgenmantel und verließ an Dr. Daniels Seite ihr Zimmer.

      »Du kennst dich hier ja schon bestens aus«, stellte Dr. Daniel fest.

      Nicole nickte lächelnd. »Ich habe mich gleich am ersten Tag von Bianca herumführen lassen.« Sie errötete. »Nicht schimpfen, Herr Doktor. Ich weiß schon, daß ich da noch gar nicht hätte aufstehen dürfen, aber ich hasse es, mich tastend vorwärtszubewegen. Ich will ein gewisses Maß an Sicherheit haben, und dazu ist es nötig, daß ich mich rasch mit meiner Umgebung vertraut mache.«

      »Ich habe nicht vor zu schimpfen«, entgegnete Dr. Daniel und mußte dabei wieder lächeln. Es imponierte ihm, wie gut sich Nicole in ihrem Leben zurechtfand. »Wer darf dich denn heute in den Park begleiten?«

      Wieder errötete Nicole ein wenig. »Eine Begleitung ist nicht nötig, Herr Doktor. Ich werde nur einen ganz kurzen Weg gehen, und den kenne ich bereits.«

      »Meine liebe Nicole, jetzt wird es aber allmählich kriminell«, tadelte Dr. Daniel. »Ich habe dir die Bettruhe nicht zum Spaß verordnet. Es ist ganz okay, wenn du dich in deinem Zimmer und hier auf dem Flur hast herumführen lassen, aber wer immer dich in den Park begleitet hat, wird von mir eine gehörige Abreibung bekommen. Die Ärzte und Schwestern der Klinik wußten genau…«

      »Bitte, Herr Doktor, nicht böse sein«, bat Nicole und streichelte besänftigend über seine Hand, mit der er sie jetzt ins Untersuchungszimmer führte. »Ich verspreche Ihnen, daß ich Ihnen keinen Kummer mehr machen werde.« Sie lächelte. »Im übrigen muß ich Ihnen leider sagen, daß ich nicht verraten werde, wer mich in den Park geführt hat. Ich kann es nämlich nicht verantworten, daß jemand meinetwegen auch noch ausgeschimpft wird.«

      Dr. Daniel seufzte. »Du hast es faustdick hinter den Ohren, weißt du das?«

      Sie nickte grinsend. »Es wurde mir gelegentlich schon gesagt.«

      »Also, nun mach dich frei«, verlangte Dr. Daniel, konnte dabei ein Lächeln aber nicht unterdrücken, was Nicole an seiner Stimme hörte.

      »Sie sind mir nicht mehr böse«, stellte sie fest. »Das freut mich.» Sie zog ihre Pyjamahose aus und ließ sich von Dr. Daniel auf den Gynäkologischen Stuhl helfen.

      Das Abtasten der Eierstöcke verursachte Nicole noch immer leichte Schmerzen, doch Dr. Daniel behielt recht – so schlimm wie am ersten Tag war die Untersuchung bei weitem nicht.

      »Ich bin sehr zufrieden mit dir«, erklärte Dr. Daniel, dann lächelte er wieder. »Auch wenn du es mit dem Gehorchen nicht so genau nimmst.«

      Nicole grinste schelmisch. »In Zukunft werde ich dafür ganz brav sein.«

      Dr. Daniel lachte. »Und das soll ich dir glauben?« Er legte einen Arm väterlich um ihre schmalen Schultern und begleitete sie wieder in ihr Zimmer. »Also, Nicole, du kannst jetzt für eine Viertelstunde in den Park, aber bitte wirklich nicht länger, ja?«

      »Ehrenwort, Herr Doktor«, versprach Nicole, zögerte kurz und fragte dann: »Wenn ich schon fast gesund bin… heißt das, ich kann bald wieder nach Hause?«

      »Du bist noch nicht fast gesund«, stellte Dr. Daniel richtig. »Die Entzündung ist immer noch da, wie du bei der Untersuchung vorhin feststellen konntest. Eine Woche mußt du mindestens noch hierbleiben, eher zehn Tage.«

      Nicole seufzte. »Dieses Herumliegen gefällt mir gar nicht. Könnte ich mich denn nicht ein bißchen nützlich machen?«

      Jetzt war es Dr. Daniel, der einen tiefen Seufzer ausstieß. »Du hast dich wirklich nicht verändert. Schon als Kind hattest du immer Ameisen in der Hose, wie man so schön sagt. Vielleicht erinnerst du dich noch daran, daß du vor drei Tagen mit einem Schock hier eingeliefert worden bist. Nicole, ich habe nichts dagegen, wenn du nachmittags ab und zu ein bißchen im Park spazierengehst, aber ansonsten solltest du wirklich im Bett bleiben – auch wenn es dir schwerfällt.«

      »Ja, Herr Doktor«, stimmte Nicole gehorsam zu, doch Dr. Daniel befürchtete schon jetzt, daß sie sich nicht lange

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