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seit Wochen bewegte, bremste er sich. Es war gleichgültig, ob Sarina nun die Verlobte des Prinzen war oder nicht – sie blieb immer noch eine Komtesse. Dabei übersah Dr. Köhler völlig, was in Sarinas Augen geschrieben stand… welch unbeschreibliche Sehnsucht sie zu ihm trieb.

      Er murmelte hastig etwas von seinem Dienst, verabschiedete sich und eilte in Richtung Waldsee-Klinik davon. Traurig sah Sarina ihm nach. Sein Lächeln, der warme Glanz in seinen sanften, dunklen Augen… das alles war doch schon so vielversprechend gewesen…

      Sie seufzte tief auf, dann machte sie sich ebenfalls auf den Weg zur Arbeit. Dr. Daniel würde sicher schon auf sie warten.

      Allerdings wurde Sarina nicht nur von Dr. Daniel erwartet, sondern auch von ihrer Mutter, die unruhig vor der stattlichen Villa, in der sich die Praxis befand, auf und ab ging.

      »Sarina! Endlich!« stieß sie hervor.

      »Mama«, entgegnete die junge Komtesse erstaunt. »Warum bist du nicht in meine Wohnung gekommen?«

      »Das war ich doch«, entgegnete Gräfin Henriette unwillig. »Aber du warst schon weg, also dachte ich, du wärst hier.« Sie winkte ab. »Es ist ja völlig unwichtig. Hauptsache, ich habe dich jetzt endlich gefunden.« Sie seufzte abgrundtief. »Es war eine so schöne Hochzeit.« Ungnädig betrachtete sie ihre Tochter. »Und du wärst dabei eine zauberhafte Braut gewesen.«

      »Eine unglückliche Braut«, verbesserte Sarina. »Neben einem unglücklichen Bräutigam.« Sie zeigte ihrer Mutter das Bild des jungen Brautpaares. »Das ist Liebe, Mama, wirkliche Liebe, und sie siegt letztendlich immer. Sogar der Fürst mußte sich ihr beugen.«

      Noch einmal seufzte die Gräfin. Wahrscheinlich würde es ihr nie gelingen, Sarina standesgemäß zu verheiraten.

      »Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten habe ich übrigens einen ganz reizenden jungen Mann kennengelernt«, fuhr Gräfin Henriette fort. »Baron…«

      Abwehrend hob Sarina beide Hände. »Spar dir die Mühe, Mama. Mein Herz gehört bereits einem anderen.«

      Vor Überraschung blieb Gräfin Henriette der Mund offenstehen. »Einem… anderen? Aber, um Himmels willen, Kind…«

      »Er ist Arzt«, fiel Sarina ihrer Mutter ins Wort.

      Die Kummerfalten auf Gräfin Henriettes Stirn glätteten sich.

      »Ein bekannter Professor?« gab sie ihrer letzten Hoffnung Ausdruck. Wenn Sarina schon keinen Adligen heiraten wollte, dann hätte sich die Gräfin noch am ehesten mit einem berühmten Professor abfinden können.

      »Mama, du bist wirklich unverbesserlich«, hielt Sarina ihr vor. »Professoren sind durchweg in einem Alter…«

      »Es schadet überhaupt nichts, wenn ein junges Mädchen einen älteren Mann heiratet«, belehrte die Gräfin ihre Tochter.

      »Aber nicht einen, der mein Vater oder womöglich mein Großvater sein könnte«, entgegnete Sarina entschieden, dann huschte ein zärtliches Lächeln über ihr Gesicht. »Er ist Assistenzarzt in der Waldsee-Klinik.«

      »Ein Assistenzarzt!« kreischte Gräfin Henriette. »Aber… dann ist er ja noch nicht mal ein richtiger Arzt!«

      »Er hat bereits promoviert«, erklärte Sarina, dann winkte sie ärgerlich ab. »Im übrigen ist mir das völlig egal. Er könnte auch einen völlig anderen Beruf ausüben… das würde an meiner Liebe zu ihm nichts ändern.«

      Jetzt war Gräfin Henriette tatsächlich einer Ohnmacht nahe. Wie konnte Sarina ihren gräflichen Stand nur so verleugnen?

      »Ich werde dich nie verstehen«, seufzte sie.

      »Da hast du wohl recht, Mama.« Sarina lächelte. »Aber vielleicht genügt es dir ja zu wissen, daß ich glücklich bin, wie ich lebe. Ich habe eine Arbeit, die mich ausfüllt, und vielleicht…« Sie beendete den Satz nicht, doch ein zärtlicher Gedanke wanderte zur Waldsee-Klinik und zu Dr. Rainer Köhler hinüber.

      *

      »Rainer, was soll denn das sein?«

      Dr. Köhler betrachtete das Blatt Papier, das Dr. Scheibler ihm entgegenhielt.

      »Die Auswertung der Blutprobe von Frau Klein«, antwortete er.

      »So?« Mißbilligend schüttelte Dr. Scheibler den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, dann ist das eher ein Witz. Allerdings werde ich Ihnen diesmal nicht aus der Patsche helfen, mein lieber Freund. Mit diesem Unsinn gehen Sie jetzt selbst zu Dr. Daniel. Er ist zwar eigentlich die Sanftmut in Person, aber diesmal, schätze ich, wird er Ihnen gehörig was zu erzählen haben.«

      In diesem Punkt irrte der Oberarzt allerdings. Dr. Daniel betrachtete die Werte, die Dr. Köhler ermittelt hatte und die so haarsträubend ausfielen, daß sie nur falsch sein konnten, dann zerriß er das Blatt ohne Kommentar.

      Dr. Köhler schluckte schwer. Er erwartete herbe Vorwürfe von Dr. Daniel. Womöglich drohte ihm diesmal eine Kündigung, die gerechtfertigt wäre.

      »Setzen Sie sich«, bat Dr. Daniel, dann betrachtete er den jungen Arzt prüfend. »Warum folgen Sie nicht endlich der Stimme Ihres Herzens.«

      Völlig konsterniert starrte Dr. Köhler ihn an. Mit einer solchen Frage hatte er nicht gerechnet.

      »Aber…«, begann er, doch Dr. Daniel ließ ihn gar nicht erst aussprechen.

      »Wenn ich nicht wüßte, wie gut Sie eigentlich sein könnten, würde ich Sie aufgrund des ganzen Unsinns, den Sie in den letzten Wochen hier fabriziert haben, auf der Stelle entlassen«, erklärte er. »Allerdings weiß ich, daß es mit ihrer extremen Unkonzentriertheit sofort vorbei sein würde, wenn Sie Ihre Herzensangelegenheit endlich geregelt hätten. Also, worauf warten Sie noch? Das Mädchen ist frei.«

      Dr. Köhler seufzte. Es hatte keinen Sinn, vor Dr. Daniel sein Geheimnis länger zu hüten. Er hatte ihn ja längst durchschaut.

      »Sie ist eine Komtesse«, wandte er daher nur ein.

      »Glauben Sie allen Ernstes, daß eine Komtesse, die etwas auf ihren Stand halten würde, in meiner Praxis als Sprechstundenhilfe tätig wäre?«

      Aus weitaufgerissenen Augen starrte Dr. Köhler ihn an. »Sie meinen…« Er wagte es nicht, den Satz zu beenden.

      Dr. Daniel warf einen Blick auf die Uhr. »Ich gebe Ihnen eine Stunde Zeit, und danach erwarte ich von Ihnen ordentliche Arbeit, haben wir uns verstanden?«

      Abrupt spang der junge Assistenzarzt auf. »Ja, Herr Dr. Daniel, ich schwöre Ihnen, daß Sie keinen Grund zur Klage mehr haben werden.«

      Dann war er draußen, und Dr. Daniel sah ihm schmunzelnd nach. Das war ja wirklich eine schwere Geburt gewesen – wenn man es so bezeichnen konnte.

      Währenddessen legte Dr. Köhler den Weg von der Waldsee-Klinik zur Praxis von Dr. Daniel in einem rekordverdächtigen Tempo zurück. Atemlos stürzte er ins Vorzimmer, würdigte die erschrockene Gabi Meindl keines Blickes, sondern riß die junge Sprechstundenhilfe heftig in seine Arme.

      »Sarina, liebst du mich?« stieß er hervor.

      Verwirrt und überrascht sah sie ihn an, dann lachte sie glücklich auf und schlang ihre Arme um seinen Nacken.

      »Ja, Rainer, ich liebe dich«, gestand sie offen ein. »Und wie ich dich liebe!«

      Während sie sich noch küßten, trat Dr. Daniel herein, warf einen Blick auf das glücklich verliebte junge Paar und seufzte leise: »Na, endlich.«

      In diesem Moment klingelte das Telefon, und die Empfangsdame Gabi Meindl meldete sich. Sie lauschte nur wenige Sekunden lang, dann hielt sie eine Hand über die Sprechmuschel.

      »Herr Doktor, Notfall in der Waldsee-Klinik. Eine junge Frau mit einem Schock. Zuvor klagte sie noch über Unterleibsschmerzen.«

      Dr. Daniel seufzte von neuem. »Ich sehe schon. Mir ist keine Atempause vergönnt…«

      Schon war er wieder unterwegs zur Waldsee-Klinik.

      –

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