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Köhler konnte sich gerade noch zu einem flüchtigen Abschiedsgruß aufraffen, dann verließ er den Raum und eilte zum Ärztezimmer. Kraftlos ließ er sich auf einen Stuhl fallen, betrachtete die Bilder und las Bruchstücke des Berichts.

      »Eine Komtesse«, flüsterte er erschüttert, dann vergrub er das Gesicht in den Händen. »Sie ist eine Komtesse.«

      Dr. Daniels Worte fielen ihm ein. »Sie soll einen Mann heiraten, den sie nicht liebt.«

      Wieder betrachtete Dr. Köhler die Bilder, dann schüttelte er den Kopf. »So sieht keine Frau aus, die zur Heirat gezwungen werden soll.«

      Fast angewidert schob er die Zeitschrift zurück, dann stand er abrupt auf und verließ das Ärztezimmer.

      »Rainer, was ist denn mit Ihnen los?« erkundigte sich

      Dr. Gerrit Scheibler besorgt, der in diesem Moment die Gynäkologie betrat. »Ist Ihnen nicht gut?«

      Dr. Köhler schüttelte den Kopf. »Es ist alles in Ordnung, Herr Oberarzt, wirklich.«

      »Das sieht für mich aber etwas anders aus«, entgegnete Dr. Scheibler entschieden. »Sie machen mir ganz den Eindruck, als würden Sie jeden Moment umkippen.« Er schwieg einen Moment. »Im übrigen merke ich schon seit ein paar Tagen, wie unkonzentriert Sie sind.«

      Dr. Köhler erschrak. Bedeuteten die Worte des Oberarztes womöglich, daß man seine Entlassung ins Auge gefaßt hatte? Aber noch bevor der junge Assistenzarzt seine Befürchtung in Worte fassen konnte, war Dr. Scheibler schon zu ihm getreten und hatte ihm mit einer raschen Bewegung den Handrücken an die Stirn gelegt.

      »Erhöhte Temperatur scheinen Sie nicht zu haben«, erklärte er. »Trotzdem habe ich das Gefühl, als würden Sie irgendeine Krankheit ausbrüten.«

      »Ich bin nicht krank«, entgegnete Dr. Köhler. »Es ist nur…« Er stockte, dann fuhr er sich mit einer Hand über die Stirn. Dabei bemerkte Dr. Scheibler seine kaum mehr beherrschte Nervosität.

      Ohne noch länger zu zögern, nahm der Oberarzt ihn am Arm. »Kommen Sie, Rainer.« Er brachte den jungen Assistenzarzt zu einem der Patientenzimmer. »Legen Sie sich ins Bett.«

      »Aber… ich habe doch Dienst.«

      »Der ist hiermit gestrichen.« Dr. Scheibler verließ das Zimmer für einen Moment und kehrte mit einem kleinen Plastikbecher zurück, der eine braune Flüssigkeit enthielt. »Trinken Sie das. Es schmeckt nicht sehr gut, aber es wird Sie beruhigen und sicher bald einschlafen lassen.«

      »Ich möchte nicht…«, begann der junge Arzt, doch Dr. Scheibler ließ ihn gar nicht aussprechen.

      »Keine Widerrede«, erklärte er streng. »Wenn der Oberarzt etwas anordnet, dann hat der Assistenzarzt zu gehorchen. Sie werden sehen, nach ein paar Stunden Schlaf wird es Ihnen wieder bessergehen.«

      Dr. Köhler sah ein, daß es wirklich keinen Sinn hatte, sich weiter dagegen zu sträuben. Er schluckte das Medikament und fühlte schon bald, wie eine lähmende Müdigkeit von ihm Besitz ergriff.

      »Der junge Mann scheint ein wenig labil zu sein«, erklärte der Chefarzt Dr. Wolfgang Metzler, als Dr. Köhler eingeschlafen war. Er hatte die Szene zwischen Oberarzt und Assistenzarzt schon eine Weile unbemerkt beobachtet.

      Jetzt drehte sich Dr. Scheibler zu ihm um und seufzte. »Deine Menschenkenntnis in Ehren, Wolfgang, aber in diesem Punkt irrst du dich. Rainer ist nicht labil, er schleppt vielmehr irgendein schwerwiegendes Problem mit sich herum.« Er zuckte die Schultern. »Vielleicht steckt aber auch nur eine Krankheit in ihm, die in den nächsten Tagen noch ausbrechen wird.«

      Dr. Metzler trat näher und betrachtete den schlafenden jungen Mann.

      »Oder die fristlose Kündigung in dieser Privatklinik hatte doch ihren Sinn«, meinte er.

      Ärgerlich schüttelte Dr. Scheibler den Kopf. »Also weißt du, Wolfgang, manchmal siehst du wirklich nicht weiter als bis zu deiner Nasenspitze.«

      »Danke«, knurrte Dr. Metzler verärgert. »Normalerweise dürftest du dich als Oberarzt deinem Chefarzt gegenüber zu keinen derart respektlosen Bemerkungen hinreißen lassen.«

      Dr. Scheibler grinste. »Wenn dieser Chefarzt gleichzeitig mein Schwager ist, dann schon.« Er legte Wolfgang eine Hand auf die Schulter. »Komm, sei nicht gleich beleidigt. Es ist…«

      »Was ist denn hier los?«

      Mit dieser Frage gesellte sich Dr. Daniel zu den beiden Ärzten, dann warf er dem schlafenden Dr. Köhler einen kurzen Blick zu. »Fehlt ihm etwas?«

      Dr. Scheibler zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Er behauptet, daß er gesund ist, aber ich spüre seine Unkonzentriertheit schon seit ein paar Tagen. Heute war er darüber hinaus auch noch so nervös und fahrig – das muß einen ernsthaften Grund haben.«

      Dr. Daniel nickte. »Richtig, Gerrit. Soll ich Ihnen auch sagen, wie dieser Grund heißt?« Er schmunzelte. »Man nennt diese Art Erkrankung ›akuten Liebesschmerz‹.«

      »Wie bitte?« warf Dr. Metzler in fast drohendem Ton dazwischen. »Willst du damit etwa andeuten, daß Rainer nur verliebt ist?« Er stemmte die Hände in die Hüften. »Wenn das wirklich stimmt, dann kann sich der junge Mann auf etwas gefaßt machen. Der soll seinen Liebeskummer zu Hause lassen und hier ordentlich arbeiten.«

      »Wolfgang, beruhige dich wieder«, erklärte Dr. Daniel besänftigend. »Zum einen arbeitet Dr. Köhler sehr ordentlich – auch wenn er sich zeitweise vielleicht nicht richtig konzentrieren kann.«

      »Stimmt«, bekräftigte Dr. Scheibler. »Er hat trotz gelegentlicher Unkonzentriertheit noch keinen Fehler gemacht.« Er sah den Chefarzt an. »Im übrigen ist es nicht mehr so einfach, seine Gefühle zu Hause zu lassen, und ich darf dich daran erinnern, daß auch du in dieser Hinsicht schon gewisse Schwierigkeiten hattest.«

      Abwehrend hob Dr. Metzler beide Hände. »Ja, ja, ich ergebe mich. Du mußt mich also nicht gleich zerfleischen.«

      »Will ich ja gar nicht«, entgegnete Dr. Scheibler lächelnd. »Man muß dir bloß gelegentlich in Erinnerung rufen, daß auch Ärzte nur Menschen sind.«

      »Und wegen welcher jungen Dame hat unser Herr Assistenzarzt nun solche Herzschmerzen?« fragte Dr. Metzler versöhnlicher. »Oder darf man das nicht erfahren?«

      Statt einer Antwort reichte Dr. Daniel ihm eine aufgeschlagene Zeitschrift. »Die habe ich gerade im Ärztezimmer gefunden, und ich glaube, sie beantwortet deine Frage hinreichend.«

      Dr. Metzler betrachtete die Bilder und las den dazugehörigen Text, dann nickte er. »Das erklärt tatsächlich einiges.«

      Dr. Daniel nahm die Zeitschrift wieder zurück und blickte auf das Bild, das Sarina von Gehrau und Prinz Klaus von Hohenstein zeigte.

      »Ich hoffe sehr, daß sich diese ganze verfahrene Geschichte zum Wohle aller regeln läßt.«

      *

      Sarinas Worte gingen Prinz Klaus nicht mehr aus dem Kopf.

      »Du müßtest über deinen Schatten springen, Klaus. Löse die Verlobung mit mir, und bekenne dich zu deiner Liebe.«

      Aufstöhnend vergrub der Prinz das Gesicht in den Händen. Über seinen Schatten springen. Sich zu seiner Liebe bekennen. Wenn das alles so einfach wäre.

      Dabei fiel ihm ein, wie entschlossen er gewesen war, Juliane zu seiner Frau zu machen. Gegen den Willen seiner Eltern hatte er sie heiraten wollen, und nun hatte ihn ein Gesetz in die Knie gezwungen, dessen Existenz er im Grunde niemals hatte anerkennen wollen. Er hatte sich dem Willen seines Vaters gebeugt, obwohl er sich bei der Hochzeit seines jüngeren Bruders geschworen hatte, daß ihm das nicht passieren würde.

      Kraftlos ließ sich Prinz Klaus in das von den Morgennebeln immer noch feuchte Gras zurücksinken. Er hatte heute die Einsamkeit der Berge gesucht, und dabei war es ihm egal, daß die Feuchtigkeit der Almwiese durch seine Jacke und sogar durch das Hemd drang.

      »Sie wälzen ein ziemlich großes

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