Скачать книгу

daß es eine solche Diagnose medizinisch betrachtet eigentlich nicht gibt, aber… ich habe ihre Augen gesehen… ihr ganzes Gesicht ist gezeichnet von Kummer und schlaflosen Nächten.«

      Prinz Klaus wich ihrem Blick aus. »Ich kann nichts dagegen machen, Sarina.«

      »Doch, Klaus, du könntest schon, aber dir fehlt der Mut dazu. Du wagst es nicht, deinem herrschsüchtigen Vater die Stirn zu bieten.« Sarina machte eine kurze Pause. »Es wundert mich auch nicht, denn du wurdest ja ein Leben lang zu absolutem Gehorsam gezwungen.« Mit einer Hand griff sie nach dem Arm des Prinzen, während ihre Augen seinen Blick suchten. »Wir müssen um unsere Liebe kämpfen, Klaus. Du um deine, ich um meine. Es wird nicht einfach sein, aber wenn wir zusammenhalten, dann muß dein Vater am Ende doch klein beigeben.«

      Prinz Klaus seufzte. »Damit stellst du alles in Frage, wonach ich bisher gelebt habe. Wenn ich bloß an Thilo denke… wie unglücklich er in seiner Ehe ist, aber er hat sie trotzdem geschlossen, dabei war vor der Hochzeit schon abzusehen, wie sich die Beziehung der beiden entwickeln würde.« Er strich sich mit einer fahrigen Handbewegung über die Stirn. »Mag sein, daß du dieses Gesetz für falsch hältst, aber wir von Hohensteins leben seit Jahrzehnten danach, und wir beide werden darin keine Ausnahme machen können.«

      »Das ist es doch, Klaus!« begehrte Sarina auf. »Ihr lebt seit Jahrzehnten danach, aber mit der Zeit hat sich dieses Gesetz überlebt. Ich habe es dir schon einmal gesagt – ich sehe ein, daß eine Scheidung für euch tabu ist, aber eine Verlobung ist schließlich noch keine Ehe.« Mit einer heftigen Bewegung warf sie ihr langes, blondes Haar in den Nacken. »Hör zu, Klaus, ich lasse mich nicht in diese Ehe hineinzwingen. Ich bin volljährig und habe meine eigenen Vorstellungen vom Leben. Eine Ehe ohne Liebe gehört nicht dazu, und wenn diese Verlobung nicht zu lösen ist, dann werde ich schlicht und einfach vor dem Standesbeamten ›nein‹ sagen.«

      Prinz Klaus erschrak zutiefst. »Das kannst du nicht tun! Wir wären alle bis auf die Knochen blamiert. Stell dir nur vor – die Hochzeitsgäste…«

      »Das ist mir egal, Klaus«, behauptete Sarina, obwohl das nicht so ganz der Wahrheit entsprach. In Wirklichkeit fürchtete sie sich ganz schrecklich davor, diese Drohung womöglich wahr machen zu müssen, wenn ihr tatsächlich keine andere Wahl bleiben sollte, um ihr Lebensglück zu retten.

      »Es geht auch noch um etwas anderes«, fuhr sie fort. »Juliane erwartet ein Kind von dir.«

      Prinz Klaus zuckte zusammen wie unter einem Schlag.

      »Ein Kind«, stammelte er und erhob sich dann so abrupt, daß Sarina überzeugt davon war, er werde jetzt das einzig richtige tun und zu der Frau seines Herzens gehen.

      Doch die Reaktion des Prinzen sah völlig anders aus als von ihr erwartet.

      »Das Kind wird so aufwachsen, wie es einer Prinzessin oder einem Prinzen von Hohenstein gebührt«, erklärte er. »Wir werden es adoptieren.«

      Aus weitaufgerissenen Augen starrte Sarina ihn an. »Klaus!« Ohne zu überlegen, faßte sie ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. »Meine Güte, was geht in den Köpfen von euch Hohensteins eigentlich vor? Glaubt ihr denn wirklich, ihr könntet alle Menschen so lenken, wie es euch in den Kram paßt? Klaus, diese Frau ist schwanger! Sie erwartet dein Baby! Du denkst doch wohl nicht allen Ernstes, daß sie ihr Kind freiwillig hergeben würde!«

      Verzweifelt vergrub der Prinz das Gesicht in den Händen. »Was soll ich denn sonst tun? Juliane ist meinetwegen arbeitslos geworden, und nun kann ich ihr nicht einmal den Schutz und die Sicherheit einer Ehe geben. Als alleinerziehende Mutter… was glaubst du, was für ein elendes Leben auf sie warten würde? Finanziell würde ich sie natürlich großzügig unterstützen, aber was bedeutet Geld, wenn man…« Resigniert winkte er ab. »Wie solltest ausgerechnet du das verstehen?«

      »Besser als du vielleicht denkst«, entgegnete Sarina. »Immerhin komme ich in meinem Beruf mit mehr alleinerziehenden Müttern zusammen als du.« Sie blickte ihn sehr ernst an. »Du müßtest einmal über deinen Schatten springen, Klaus. Löse die Verlobung mit mir und bekenne dich zu deiner Liebe.«

      Prinz Klaus zögerte, dann schüttelte er den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich darf mein Wort nicht brechen.«

      »Es ist nicht dein Wort, sondern das deines Vaters«, korrigierte ihn Sarina, doch in ihrer Stimme lag dabei plötzlich keine Hoffnung mehr. Sie spürte, daß es nicht in ihrer Macht liegen würde, den Prinzen umzustimmen.

      »Das ist in diesem Fall dasselbe«, erwiderte Klaus dann auch schon. »Für die Öffentlichkeit ist es mein Wort, das ich dir gegeben habe, und ich bin verpflichtet, dazu zu stehen.«

      *

      Es kostete Dr. Rainer Köhler große Mühe, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, und das war etwas völlig Neues für ihn. Bevor er zur Waldsee-Klinik gekommen war, hatte er bereits ein Jahr an einer Münchner Privatklinik als Assistenzarzt gearbeitet, doch das verantwortungslose Vorgehen des dortigen Chirurgen hatte ihn mehr als befremdet. Eine diesbezügliche Bemerkung hatte für Dr. Köhler dann die fristlose Kündigung zur Folge gehabt, doch danach hatte ihn der Zufall in die Waldsee-Klinik und zu Dr. Daniel geführt. Es hatte sich herausgestellt, daß der Chirurg aus der Privatklinik tatsächlich einen groben Fehler begangen hatte, und nicht zuletzt durch Dr. Köhlers Aussage war ihm dieser nachgewiesen worden. Dem Chirurgen war die Approbation entzogen worden und Dr. Daniel hatte sich von den Zeugnissen und vor allem von der sympathischen Ausstrahlung des jungen Assistenzarztes überzeugen lassen und ihn in der Waldsee-Klinik eingestellt.

      »Nun habe ich mich so sehr auf diese Arbeit gefreut«, murmelte Dr. Köhler. »Doch jetzt…«

      »Gefällt es Ihnen hier nicht?«

      Erschrocken fuhr der junge Assistenzarzt herum und wurde schrecklich verlegen, als er sich so unverhofft Dr. Daniel gegen-übersah.

      »Doch… natürlich…«, stammelte er. »Es ist nur… ich kann mich nicht mehr richtig konzentrieren, weil…« Er stockte.

      »Weil die Augen einer gewissen jungen Dame Sie verfolgen, habe ich recht?« fragte Dr. Daniel schmunzelnd.

      Erneut zog eine verlegene Röte über Dr. Köhlers Gesicht.

      »Mir ist so etwas noch nie passiert«, versicherte er. »Bisher gab es für mich immer nur meine Arbeit, aber…« Er senkte den Kopf. »Sie haben recht, ich kann sie nicht vergessen. Ihre Augen waren so traurig.«

      »Aus gutem Grund«, meinte Dr. Daniel. »Sie soll einen Mann heiraten, den sie nicht liebt.«

      Dr. Köhler erschrak. »Aber… das ist doch unmöglich! Heutzutage…« Er bemühte sich, seine Fassung wiederzugewinnen. »Entschuldigen Sie, das geht mich natürlich überhaupt nichts an.« Er warf einen raschen Blick auf seine Uhr. »Ich muß wieder an die Arbeit, sonst laufe ich noch Gefahr, den Chefarzt von einer anderen Seite kennenzulernen, und das will ich lieber nicht herausfordern.«

      Dr. Daniel sah ihm nach, wie er eilig in die Chirurgie verschwand.

      »Da hat der Blitz aber auch voll eingeschlagen«, murmelte er schmunzelnd, dann wurde er ernst. »Das bedeutet, daß wir jetzt erst recht versuchen müssen, diese unselige Verlobung zu lösen. So viele Menschen dürfen nicht wegen eines unsinnigen Gesetzes, das irgendein Fürst an-

      no dazumal ins Leben gerufen hat, unglücklich gemacht werden.«

      Dr. Daniel verließ die Waldsee-Klinik, stieg in sein Auto und fuhr zum Schloß hinauf. In den aufsteigenden abendlichen Herbstnebeln wirkte es wie eine finstere, unheimliche Burg, und Dr. Daniel fröstelte unwillkürlich, als er sich vorstellte, die lebensfrohe Sarina müßte dort ihr weiteres Leben verbringen – an der Seite eines ungeliebten Mannes.

      Der Arzt hielt seinen Wagen in der breiten Auffahrt an, stieg aus und ging die Stufen des Portals hinauf, dann betätigte er den schweren Türklopfer. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der Butler ihm öffnete.

      »Guten Abend«, grüßte Dr. Daniel höflich. »Ich bin Dr. Robert Daniel aus Steinhausen und hätte gern mit Prinz Klaus von Hohenstein gesprochen.«

      Der

Скачать книгу