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nickte. »Wenn ich tatsächlich ein Baby erwarte… ich weiß nicht, wie es dann weitergehen soll. Ich bin arbeitslos und…« Sie vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte leise.

      Tröstend streichelte Dr. Daniel ihren bebenden Rücken. »Es muß ja gar nicht sein, daß Sie schwanger sind. Wir wollen nur sichergehen.«

      Wieder nickte Juliane, doch als Dr. Daniel nach einigen Minuten mit dem Testergebnis zurückkehrte, erkannte sie schon an seinem Gesicht, daß auf sie jetzt noch viel schwerere Zeiten zukommen würden.

      »Ich bin tatsächlich schwanger, nicht wahr?« fragte sie fast tonlos, noch bevor Dr. Daniel etwas sagen konnte.

      Er setzte sich wieder zu ihr ans Bett, dann nickte er. »Ja, Fräulein Weber, der Schwangerschaftstest war positiv, und ich glaube, jetzt sollten wir uns wirklich eingehend unterhalten.«

      Resigniert zuckte Juliane die Schultern. »Worüber sollen wir uns denn jetzt noch unterhalten, Herr Doktor? Ich habe es Ihnen vorhin schon gesagt – ich bin arbeitslos, mein Freund hat mich wegen einer anderen verlassen, und nun bin ich auch noch schwanger.« Aus traurigen Augen sah sie Dr. Daniel an. »Mein ganzes Leben ist im Moment nur noch grau und trostlos.«

      »Das wird sich wieder ändern«, versprach Dr. Daniel. »Gemeinsam werden wir die beste Lösung für Sie und das Baby finden.«

      »Die beste Lösung für mich wäre vermutlich eine Abtreibung«, erklärte Juliane, doch allein der Ton, in dem sie das sagte, bewies Dr. Daniel, daß dieser Schritt für sie glücklicherweise nicht in Frage kam.

      »Ich glaube nicht, daß eine Abtreibung eine gute Lösung wäre… das ist sie nämlich in den seltensten Fällen. Ich selbst ziehe einen solch gravierenden Schritt nur dann in Betracht, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder das Kind so schwer behindert, daß es aller Voraussicht nach bei der Geburt oder kurz danach sterben würde.«

      Sehr lange sah Juliane den Arzt an und dachte dabei an ihren Gynäkologen in München. Er war zwar sehr nett und verantwortungsbewußt gewesen, doch Dr. Daniel übertraf ihn bei weitem. Er besaß eine Ausstrahlung, die ihn unheimlich sympathisch machte. Zu ihm mußte man einfach Vertrauen haben.

      »Meine Mutter hatte recht«, erklärte Juliane aus diesen Gedanken heraus. »Es ist gut, daß ich hier in der Waldsee-Klinik gelandet bin.«

      *

      Sarina von Gehrau erledigte ihre Arbeit in der Praxis von Dr. Daniel mechanisch und ohne die Freude, die sie ihr früher bereitet hatte.

      »Sarina, wenn ich dir irgendwie helfen kann«, begann ihre Kollegin Gabi vorsichtig.

      »Heirate den Prinzen«, gab Sarina zurück. »Das wäre das einzige, womit mir geholfen wäre.« Dann ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. »Es tut mir leid, Gabi. Ich wollte nicht so patzig sein. Du kannst ja nichts dafür, aber… ich bin so todunglücklich.«

      Mit aufrichtigem Mitgefühl sah Gabi ihre Kollegin an. »Ich verstehe das alles nicht. Warum mußt du diesen Kerl überhaupt heiraten?«

      Sarina seufzte. »Wenn ich das nur wüßte. Sein Kuhhandel geht mich im Grunde überhaupt nichts an.« Deprimiert winkte sie ab. »In den vergangenen Wochen habe ich unzählige Male mit dem Gedanken gespielt, die Verlobung einfach zu lösen, aber wenn ich dann auf Schloß Hohenstein bin… wenn es wirklich getan werden müßte… dann bin ich doch zu feige. Der Fürst jagt mir regelrecht Angst ein, und Klaus… ich habe das Gefühl, als könnte er sich niemals gegen seinen Vater durchsetzen.«

      »Also ein echter Waschlappen«, urteilte Gabi hart.

      Doch Sarina schüttelte den Kopf. »Nein, das ist er ganz bestimmt nicht. Er ist sogar ein unheimlich lieber Kerl, und im Grunde müßte ich mich zu einem solchen Mann beglückwünschen. Aber… ich liebe ihn nun mal nicht, und er denkt ja auch ständig an eine andere Frau. Ich habe sie nur ein einziges Mal gesehen – bei der Silberhochzeit des Fürstenpaares, aber Klaus muß sie seitdem abgöttisch lieben.«

      Verständnislos schüttelte Gabi den Kopf. »Warum heiratet er dann dich und nicht sie?«

      »Das ist ja eben der Kuhhandel, von dem ich sprach. Es war eigentlich nichts anderes als ein Wettkampf zwischen Vater und Sohn. Wer als erster die Verlobung offiziell bekanntgeben würde, war der Sieger. Klaus und ich sind in diesem Fall die großen Verlierer geworden«, fügte sie voller Bitterkeit hinzu.

      »Tut mir leid, aber das übersteigt meine geistigen Fähigkeiten«, erklärte Gabi. »Eine Verlobung ist schließlich noch keine Ehe. Warum läßt sich dieser Prinz so sehr bevormunden?« Sie schüttelte den Kopf. »Also, irgendwie haben diese Adligen doch alle einen Schlag.« Sie errötete. »Dich meine ich damit natürlich nicht.«

      Sarina versuchte ein Lächeln, doch es mißlang kläglich. »Danke. Im übrigen solltest du nicht den ganzen Adel über einen Kamm scheren. Diese seltsame Einstellung, daß eine offizielle Verlobung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, existiert meines Wissens nur auf Schloß Hohenstein.« Mit einem tiefen Seufzer stand sie auf. »Wie auch immer. Alles Reden darüber nützt mir nichts. Ich muß zusehen, daß ich wieder an meine Arbeit komme.«

      In diesem Moment klingelte es, und Gabi drückte auf den Türöffner. Erstaunt sah sie den jungen Mann an, der ins Vorzimmer trat und sie freundlich anlächelte.

      »Guten Tag«, grüßte er. »Fräulein Meindl, nehme ich an.«

      Gabi nickte erstaunt. »Ja. Kennen wir uns?«

      »Nein, aber Dr. Daniel hat mir bereits von Ihnen erzählt.«

      Gabi errötete ein wenig. »Hoffentlich nicht die ganze Wahrheit.«

      Der junge Mann mußte lachen. »Er hat nur gesagt, daß Sie seine Empfangsdame sind und äußerst fähig wären.« Er streckte die Hand aus. »Im übrigen bin ich nur gekommen, um mich

      vorzustellen. Rainer Köhler ist mein Name. Ich bin der neue

      Assistenzarzt der Waldsee-Klinik.«

      Überrascht sah Gabi ihn an. »Ich glaube, Sie sind der erste Arzt, der sich so förmlich hier in der Praxis vorstellt. Mit den Klinikärzten haben wir nämlich eigentlich nichts zu tun.«

      »Weiß ich«, entgegnete Dr. Köhler. »Aber da Dr. Daniel Klinikdirektor ist, hielt ich es doch für angebracht, mal bei Ihnen vorbeizuschauen.«

      »Das ist aber ein feiner Zug«, erklärte Dr. Daniel, der unbemerkt dazugekommen war und Dr. Köhlers Worte gehört hatte. Lächelnd reichte er dem jungen Arzt die Hand. »Ich freue mich, daß Sie uns hier besuchen.«

      »Jetzt habe ich dazu ja auch noch Gelegenheit«, meinte Dr. Köhler. »Wenn ich erst einmal die Pflichten Ihres Sohnes übernehmen muß, dann werde ich für Besuche solcher Art wohl nicht mehr viel Zeit haben.«

      Dr. Daniel lächelte. »Ja, das denke ich auch. Der Beruf des Assistenzarztes in der Waldsee-Klinik kommt nicht gerade einem Erholungsurlaub gleich. Mein Sohn wird Ihnen davon ein Lied singen können. Allerdings wird er auch nach Abschluß seiner Assistenzzeit noch ein paar Monate an der Waldsee-Klinik tätig sein, weil sich seine Ausbildung zum Facharzt leider ein bißchen verzögert.« Dr. Daniel wies zu seiner Sprechzimmertür. »Wenn Sie ein bißchen Zeit haben, können wir uns noch unterhalten. Im Augenblick herrscht bei mir in der Praxis ausnahmsweise einmal Ruhe.«

      »Die Ruhe vor dem Sturm«, vermutete Dr. Köhler. »Nach allem, was ich bisher gehört habe, muß bei Ihnen ja meistens die Hölle los sein, aber…« Er verstummte abrupt, als Sarina aus dem Labor trat.

      »Das ist meine Sprechstundenhilfe, Sarina von Gehrau«, stellte Dr. Daniel die junge Frau vor, dann wandte er sich ihr zu. »Dr. Köhler ist der neue Assistenzarzt der Waldsee-Klinik.«

      Höflich reichte Sarina ihm die Hand, und als der Blick seiner sanften, dunklen Augen sie traf, war ihr auf einmal ganz anders zumute.

      »Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, erklärte sie mechanisch und wunderte sich, daß ihre Stimme dabei so normal klang. Fast hätte sie geschworen, keinen einzigen Ton hervorzubringen.

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