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legte sich die düstere Stimmung schwer auf Dr. Daniels Gemüt, und er fragte sich, wie man hier tagaus, tagein überhaupt leben konnte.

      »Was wollen Sie von meinem Sohn?«

      Dr. Daniel fuhr herum und sah sich unvermittelt dem Fürsten gegenüber, der ihn fast feindselig anstarrte.

      »Ich wollte mit dem Prinzen über die bevorstehende Hochzeit sprechen«, erklärte Dr. Daniel rundheraus, denn auch ein zorniger Fürst konnte ihn so leicht nicht einschüchtern.

      »Das dachte ich mir.« Der Fürst machte eine ärgerliche Handbewegung. »Ihr Name ist mir nämlich durchaus ein Begriff, und ich kann nicht behaupten, daß es mir gefällt, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

      Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit, hätte Dr. Daniel gern gesagt, unterließ es aber, weil sich eine solche Bemerkung sicher nicht günstig auf die Verhandlungen ausgewirkt hätte, die Dr. Daniel zu führen gedachte.

      »Verstehen Sie mich nicht falsch, Durchlaucht«, entgegnete er statt dessen. »Es liegt mir fern, irgendwelche Gebräuche oder ungeschriebene Gesetze zu kritisieren, die sicher nicht ohne Grund eingeführt worden sind. Aber rechtfertigt ein solches Gesetz es tatsächlich, daß vier Menschen unglücklich für ihr Leben werden?«

      »Das geht Sie überhaupt nichts an!« brauste Fürst Adalbert auf.

      »Doch«, erwiderte Dr. Daniel mit schier unerschütterlicher Ruhe. »Immerhin bin ich im Begriff, meine verläßliche Sprechstundenhilfe zu verlieren.« Er lächelte, um die bestehenden Spannungen ein wenig abzubauen, doch sein Lächeln prallte an der eisigen Ablehnung des Fürsten ab. »Wobei dieser Punkt nur zweitrangig wäre.« Er wurde wieder ernst. »Viel wichtiger ist es doch, daß Prinz Klaus eine andere Frau liebt, und zwar eine, die ihm in Kürze ein Kind schenken wird.«

      Normalerweise hätte Dr. Daniel diese Bemerkung aufgrund seiner Schweigepflicht gar nicht machen dürfen, doch Juliane hatte ihm die Erlaubnis dazu ausdrücklich erteilt, und Dr. Daniel bemerkte zu seiner Genugtuung, daß der Fürst sekundenlang irritiert und sprachlos war.

      »Dazu kommt, daß auch das Herz der Komtesse einem anderen Mann gehört«, fügte Dr. Daniel hinzu, obwohl er von vornherein wußte, daß das den Fürsten nicht weiter interessieren würde.

      Jetzt reckte sich Fürst Adalbert hoch, sein Blick war starr und eisig geworden.

      »Die Verlobung ist offiziell bekanntgegeben, die Hochzeit wird zu dem von mir bestimmten Termin stattfinden«, erklärte er.

      »Durchlaucht, gestatten Sie mir eine Bemerkung«, entgegnete Dr. Daniel, wartete die Zustimmung des Fürsten aber gar nicht ab, sondern fügte hinzu: »Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert. Die Lösung einer Verlobung ist heute keine Besonderheit mehr, vor allem dann nicht, wenn beide Verlobte sie wünschen. Im übrigen sind sowohl Prinz Klaus als auch Komtesse Sarina volljährig und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Es kann ihnen also zugetraut werden, eigene Entscheidungen zu treffen, und ich kann Ihnen versichern, daß sie das tun werden.«

      »Was erlauben Sie sich eigentlich?« fuhr der Fürst ihn an. »Die beiden werden sich nicht erdreisten, diese Verlobung ohne mein Einverständnis zu lösen!«

      Die Stimme des Fürsten dröhnte wie Donnergrollen, doch nicht einmal damit konnte er Dr. Daniel irgendwie verunsichern. Er blieb nach außen hin völlig gelassen, was Fürst Adalbert zusehends auf die Palme brachte. Er war es gewohnt, daß jeder vor ihm kuschte, doch diesem Arzt war anscheinend mit gar nichts beizukommen.

      »Verlassen Sie sich lieber nicht darauf«, erklärte er auf die Bemerkung des Fürsten. »Ihren Sohn kenne ich zwar nicht besonders gut, dafür sind mir die Reaktionen der Komtesse aber um so besser vertraut. Immerhin arbeitet sie seit ein paar Jahren für mich, und ich kann Ihnen versichern, daß sie sich zu nichts zwingen lassen wird – auch nicht von Ihnen.«

      Stolz hob der Fürst den Kopf. »Sie werden sich eines besseren belehren lassen müssen. Im Frühjahr wird Komtesse Sarina meinem Sohn das Ja-Wort geben.«

      Dr. Daniel lächelte. »Sofern sie vor dem Standesbeamten nicht ›nein‹ sagt, und das, Durchlaucht, würden Sie nicht verhindern können.«

      Entsetzt starrte der Fürst ihn an. Damit hatte er nicht gerechnet, und mit erschreckender Klarheit wurde ihm bewußt, daß Dr. Daniel recht hatte. Sollte sich Sarina eine solche Dreistigkeit, wie er es bezeichnete, erlauben, würden sie alle machtlos danebenstehen – sogar er.

      »Das wird sie nicht wagen«, knurrte Fürst Adalbert – doch es gelang ihm nicht richtig, sich selbst davon zu überzeugen.

      *

      »Guten Morgen, Fräulein Weber«, grüßte Dr. Rainer Köhler mit einem freundlichen Lächeln. »Es tut mir leid, aber ich muß Sie jetzt ein bißchen pieksen. Dr. Daniel braucht wieder ein Blutbild.«

      Erstaunt betrachtete Juliane den jungen Assistenzarzt. »Das macht doch normalerweise Schwester Bianca.«

      Dr. Köhler nickte. »Richtig, aber sie ist momentan so sehr im Streß, da habe ich mich angeboten, ihr einen Teil ihrer Arbeit abzunehmen.« Er grinste. »Ich hoffe, daß ich es auch so gut kann wie Bianca.«

      Juliane lächelte. Der junge Assistenzarzt war ihr ausgesprochen sympathisch, aber das waren im Grunde alle Ärzte, die hier arbeiteten.

      »Ich denke, Sie als Arzt müßten das eigentlich noch besser können«, meinte sie.

      »Täuschen Sie sich da nicht«, entgegnete Dr. Köhler und setzte sich kurzerhand auf die Bettkante. »Im Spritzen und Blutabnehmen sind die Schwestern meistens geschickter und besser als wir Ärzte.« Er lächelte. »Ich werde mich trotzdem bemühen, Ihnen nicht mehr wehzutun als nötig.«

      Er griff nach ihrer Hand und piekste sie dann mit einer kurzen, raschen Bewegung in die Fingerkuppe des Mittelfingers.

      »Nun, wie war ich?« wollte er wissen, während er den ersten Tropfen Blut wegwischte und dann mit Hilfe eines dünnen Plastikröhrchens eine winzige Menge Blut auffing.

      »Ich will ganz ehrlich sein«, entgegnete Juliane. »Ich lasse mir lieber aus der Armbeuge einen Liter Blut abnehmen als aus der Fingerspitze ein paar Tropfen.« Sie lächelte. »Allerdings war es jetzt bei Ihnen nicht unangenehmer als sonst auch.«

      »Das freut mich zu hören«, erklärte Dr. Köhler und stand auf. »Jetzt quäle ich Sie auch nicht länger. Ich muß nur noch den Blutdruck kontrollieren.«

      Er legte die Manschette um Julianes Oberarm, pumpte auf und ließ die Luft dann langsam ab.

      »Hundertzwanzig zu achtzig.« Er grinste. »Ich schätze, einen so erstklassigen Blutdruck haben Sie nur in meiner Anwesenheit.«

      Juliane mußte lachen. »Sie sind mir ein rechter Draufgänger. In einem haben Sie allerdings recht: Mein Blutdruck ist normalerweise eher zu niedrig, aber wenn hier in der Klinik gemessen wird…« Sie zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, woran es liegt, daß er hier immer höher ist.«

      »Bestimmt an den gutaussehenden Ärzten«, urteilte Dr. Köhler noch immer grinsend, dann wandte er sich um. Dabei streifte sein Blick die Zeitschrift, die aufgeschlagen auf Julianes fahrbarem Nachttisch lag. Das hübsche Frauengesicht, das ihn von einem Bild her anlächelte, ließ ihn förmlich erstarren. Wie unter einem Zwang griff er nach der Zeitschrift, betrachtete die Bilder, die von Glück und Harmonie zeugten, und las die Überschrift des Artikels: Glanzvolle Verlobungsfeier auf Schloß Hohenstein.

      »Herr Doktor, ist alles in Ordnung?«

      Julianes Stimme drang wie aus weiter Ferne an sein Ohr, und er nickte geistesabwesend, dann sah er sie an.

      »Darf ich… darf ich das kurz mitnehmen?« fragte er, und seine Stimme klang dabei plötzlich ein wenig heiser und unsicher. »Ich… ich möchte es nur le-

      sen.«

      »Natürlich«, stimmte Juliane überrascht zu. Üblicherweise interessieren sich Männer nicht für derartige Zeitschriften und vor allem nicht für Klatschgeschichten aus Fürstenhäusern. Für

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