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denn in diesem Moment stürzte Sarina von Gehrau ins Zimmer. Ihr Gesicht war vor Aufregung oder Anstrengung leicht gerötet, und sie atmete so heftig, als wäre sie den ganzen Weg von Schloß Hohenstein bis hierher gelaufen – was vermutlich auch der Wahrheit entsprach.

      »Herr Doktor, ich kann nicht mehr!« stieß sie hervor. »Bitte, helfen Sie mir…«

      »Komtesse Sarina von Gehrau!«

      Julianes Stimme war plötzlich hart und kalt, und sie fiel mitten in Sarinas Worte. Die junge

      Komtesse verstummte und

      wandte sich erstaunt zu Juliane um.

      »Sie wagen es, hier hereinzukommen!« fuhr Juliane aufgebracht fort. »Zuerst nehmen Sie mir den einzigen Mann, den ich wirklich liebe, und dann quälen Sie mich auch noch mit Ihrer Anwesenheit. Genügt es Ihnen nicht, daß Sie Klaus bekommen haben?«

      »Ich will ihn ja gar nicht!« begehrte Sarina auf. Sie wußte plötzlich, wer die junge Frau in dem Krankenbett war. Juliane Weber – die Frau, mit der er sich hatte verloben wollen. Doch dann war ihm sein Vater zuvorgekommen.

      Aus weitaufgerissenen Augen starrte Juliane die Komtesse nun an. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Nach dem groß aufgemachten Bericht in der Zeitschrift war sie fest davon überzeugt gewesen, daß Klaus in Wirklichkeit die Komtesse liebte und sie nur eine willkommene Abwechslung für ihn gewesen war.

      »Sie… wollen ihn nicht?« stammelte sie leise. »Aber… dann ist ja alles wahr, was er gesagt hat…«

      »Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, daß Sie beide sich zusammensetzen und ein ausführliches Gespräch miteinander führen«, meinte Dr. Daniel, doch als er das Zimmer diskret verlassen wollte, wurde er von Juliane und Sarina zurückgehalten.

      »Ohne Ihre Hilfe schaffen wir es doch nicht«, erklärte Juliane, und Sarina legte eine Hand auf Dr. Daniels Arm, ehe sie hinzufügte: »Wir brauchen Sie, Herr Doktor.«

      »Also schön«, stimmte Dr. Daniel zu, zog noch einen Stuhl heran und setzte sich zu den beiden jungen Frauen, die aus so verschiedenen Welten kamen und doch beide so verzweifelt waren. Er sah Sarina an. »Was ist passiert, Fräulein Sarina? Prinz Klaus war heute bei mir und sagte etwas von unbedachten Worten, wegen denen Sie Ihren Beruf nicht mehr ausüben dürften.«

      Sarina seufzte. »Ich will Klaus nicht heiraten, und das habe ich ihm auch gesagt. Ich will mein Leben nicht ruinieren lassen…« Sie senkte den Kopf. »Es gibt auch noch einen anderen Grund, aber davon muß niemand etwas wissen.«

      »Sie lieben einen anderen Mann«, stellte Juliane fest, dann lächelte sie Sarina voll innerer Verbundenheit an. »Leugnen Sie es nicht, man sieht es Ihnen deutlich an.«

      Sarina nickte. »Die Liebe traf mich wie ein Blitz, aber auch ohne dieses einschneidende Erlebnis…« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will diese Art von Leben, zu der ich an Klaus’ Seite gezwungen wäre, nicht führen. Im übrigen hat man auf Schloß Hohenstein das Gefühl, als wäre die Zeit irgendwo im finstersten Mittelalter stehengeblieben.« Sie seufzte. »Unglücklicherweise hat der Fürst meine Worte gehört und daraufhin angeordnet, daß ich bis zur Hochzeit auf Schloß Hohenstein zu bleiben hätte – natürlich strikt getrennt von Klaus, damit wir unserem guten Ruf nicht schaden würden.« Sie schwieg einen Moment. »Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit habe ich mich natürlich sofort aus dem Staub gemacht. Allerdings wird es nicht lange dauern, bis man mich zurückholen wird.«

      »Das sind ja wirkich Sitten wie im Mittelalter«, erklärte Dr. Daniel ärgerlich. »Damit geht der gute Fürst entschieden zu weit, und ich denke, wenn wir alle an einem Strang ziehen, müßte es uns gelingen, dieses Fürstenhaus zu etwas menschlicheren Umgangsformen zu bewegen.«

      Aufmerksam sah Sarina ihn an. »Das klingt nicht so, als würden Sie mir helfen, diese Ehe gar nicht erst schließen zu müssen.«

      Väterlich legte Dr. Daniel einen Arm um ihre Schultern. »Das liegt nicht an mir, Fräulein Sarina, sondern an Ihnen und Prinz Klaus. Sie sind beide volljährig, also können Sie gar nicht zu einer Ehe gezwungen werden – gleichgültig, was dieses seltsame Gesetz derer von Hohenstein besagt. Wenn Sie vor dem Standesbeamten ›nein‹ antworten, werden die hohen Herrschaften das akzeptieren müssen.«

      Sarina lauschte diesen Worten nach, dann konnte sie zum ersten Mal seit langem wieder lächeln. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht, aber das wäre vielleicht wirklich eine Idee.« Sie mußte laut auflachen. »Der Fürst wäre bis auf die Knochen blamiert, aber das würde ich ihm von Herzen gönnen.«

      »Ich auch«, stimmte Juliane lebhaft zu.

      Dr. Daniel schmunzelte. »Ihr Vorhaben in allen Ehren, Fräulein Sarina, aber vielleicht wäre es doch besser für alle Beteiligten, wenn man versuchen würde, zu einer Einigung zu kommen, die jeder akzeptieren kann, ohne das Gesicht zu verlieren. Dazu gehört allerdings auch, daß Sie noch einmal ein eingehendes Gespräch mit Prinz Klaus führen, und zwar mit ihm allein. Wenn Sie möchten, werde ich Sie gern dabei unterstützen.«

      Sarina nickte ohne zu zögern. »Dafür wäre ich Ihnen sogar sehr dankbar, Herr Doktor.«

      Dr. Daniel wandte sich Juliane zu. »Vielleicht sollte man den Prinzen mit einer gewissen Tatsache konfrontieren, Fräulein Weber.«

      Für einen Augenblick senkte Juliane den Kopf, dann blickte sie Dr. Daniel wieder an. »Wenn Sie glauben, daß das etwas nützen wird…« Ihr Blick ging weiter zu Sarina. »Ich erwarte ein Baby von Klaus.«

      Spontan griff Sarina nach ihrer Hand und drückte sie sanft. »Das werde ich ihm sagen, und wenn er dann seine Meinung immer noch nicht ändert, weiß ich nicht mehr, was ich von ihm halten soll.«

      *

      Als Sarina von Gehrau am späten Nachmittag nach Schloß Hohenstein zurückkehrte, wurde sie von Fürst Adalbert und Prinz Klaus bereits erwartet.

      »Wo warst du?« erkundigte sich der Fürst in barschem Ton.

      Sarina reckte den Kopf hoch.

      »Ich lasse mich nicht einsperren«, erklärte sie. »Im übrigen habe ich meine Angelegenheiten immer selbst geregelt, und ich gedenke nicht, das zu ändern, nur weil ich Klaus heiraten soll.«

      Mit jedem Wort, das Sarina gesprochen hatte, hatten sich tiefere Falten in Fürst Adalberts Stirn gegraben. Aber noch bevor er seinem Zorn Luft machen konnte, wandte sich die junge Komtesse an Prinz Klaus.

      »Mit dir möchte ich noch sprechen, Klaus«, erklärte sie bestimmt und fügte nach einem Seitenblick zu Fürst Adalbert hinzu: »Unter vier Augen.«

      »Was erlaubst du dir?« brauste der Fürst jetzt auf. »Wenn du mit Klaus etwas zu besprechen hast, dann…«

      »Dann geht das nur ihn und mich etwas an«, fiel Sarina ihm scheinbar gelassen ins Wort. Wieviel Mut sie ihr Widerspruch tatsächlich kostete, zeigte sie nicht. »Immerhin sind wir verlobt – auch wenn es nicht unserem Wunsch entsprach.«

      Der Fürst schnappte hörbar nach Luft, während Prinz Klaus nicht wußte, ob er über Sarinas Verhalten entsetzt sein oder sie lieber bewundern sollte.

      »Du bist sehr mutig«, erklärte er nur, als er mit Sarina den grünen Salon betrat, einen verhältnismäßig kleinen Raum, den sogar die junge Komtesse als einigermaßen gemütlich empfand. »Keiner von uns hat es jemals gewagt, so mit Vater zu sprechen.«

      »Das glaube ich gern«, entgegnete Sarina. »Ich habe zuerst auch nicht geglaubt, daß ich den Mut dazu aufbringen würde, aber… es mußte einfach sein. Ich mußte unbedingt Gelegenheit haben, mit dir allein zu sprechen.« Sie schwieg einen Moment und sah Prinz Klaus prüfend an. Wie er wohl auf ihre Mitteilung reagieren würde? Einen Moment lang wünschte sie, sie könnte damit warten, bis Dr. Daniel hier sein würde, doch es war nicht abzusehen, wieviel Zeit ihnen der Fürst lassen würde.

      »Ich war heute in der Waldsee-Klinik und habe Juliane gesehen«, begann sie schließlich.

      Prinz Klaus zeigte enorme Selbstbeherrschung. Nur das Zucken um seine

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