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nicht so früh erwartet; Du bist schrecklich schnell wieder da gewesen!« – Die Wahrheit war, daß der Mondmann nach meiner Berechnung mindestens drei Stunden länger gebraucht hatte, um heraufzukommen, als das letztemal. – Aber der müde, freudige Steiger war noch immer nicht fertig, er sperrte immer wieder den Mund auf, als wollte er was sagen; und als es endlich Ruhe wurde, rief er mit einem so breiten Ausdruck der Kinnladen, daß man das Entrücken gewahr werden mußte, herauf: »Die Käs–leute ha–ben ihre – Stadt an–gezündet, und – da gab es – viel zu – holen!« – Die Alte schien dieser Mitteilung keineswegs besonderen Wert beizumessen, denn mit dem Ton freudiger Überraschung rief sie nur hinunter: »So komm nur endlich herauf, Goldkäferchen!« – während die »angezündete Stadt« mir viel zu denken gab. – »Mutter!« rief der drunten wieder herauf, indem er die letzten Sprossen zurücklegte, wobei Kinder und Alte vom Eingang zurückdrängten, was für mich das Zeichen war, mich wieder zu verbergen. »Mutter! nimm nur zuerst die großen Dinge ab, sonst komm’ ich nicht hinein! – Nun griff die Alte zu und zog, wie ich von unter dem Bett aus beobachten konnte, ein Durcheinander von allen möglichen Gegenständen in die Stube herein; unter anderem bemerkte ich einen langen Besen, eine kurze Holzleiter, eine alte Steinschloß-Flinte, einen großen Anstreich-Pinsel, einen Kürassier-Säbel; nachdem dies abgeladen war, kroch endlich der Mondmann mit einem enormen Sack herein und ließ ihn dröhnend in die Mondstube fallen. – Das Gesicht des Alten, obwohl es die Spuren der fürchterlichen Anstrengung nur zu deutlich zeigte, war noch immer helles Entzücken; fortwährend blinzelte er die Alte an, deren Miene ebenfalls freudige Überraschung kundgab. – »Tausend-Sassa!« sagte sie, »wo hast Du nur all die Sachen her?« – Ich kann die Kosenamen nicht alle wiedergeben, da die Alte viel »Platt« in ihren Dialekt mischte, welches mir selbst Schwierigkeit machte. – Nun wurde unter Mithilfe der Kinder der Sack aufgemacht. Der Alte schien diesmal gar nicht müd’; er selbst holte alles heraus und übergab es mit Phrasen und Lobsprüchen den um ihn Herumstehenden. Auch die zwei Potschamber fehlten nicht. Ein gütiges Geschick wollte, daß gleich anfangs ein Käs in der Nähe der Eingangsthür kollerte; der Leser wird begreifen, mit welcher Gier ich danach langte und ihn unter mein Bett beförderte. Unter anderen Stücken kam auch ein großer, weißer Kübel zum Vorschein, der zwei lange weiße Stiele hatte. – »was ist denn das?« frug die Alte, »ist das ein Potschamber?« – »Nein,« antwortete der Mondmann, »das tragen die Käsleute auf dem Kopf!« – Ich schaute noch einmal genau hin; es war ein frischgestärkte holländische Haube. – Die Mondfrau machte ein verdutztes Gesicht; schließlich aber überwog doch die Empfindung, daß es sich hier um eine Art Respekts-Präsent handle, und nach längerem Betrachten legte sie dieselbe sorgfältig auf ihr Bett. – Was noch alles aus dem Sack herauskam: Kleider, Strümpfe, Hausgeräte, einige geschlossene kleine Päckchen, die offenbar einer Kolonial-Handlung entnommen waren, und, soweit ich nach der Verpackung urteilen konnte, Zichorie oder Schnupftabak enthielten, diverse Töpfe, einige Kappen, ein Schweinsleder-Foliant, – außerdem der gewöhnliche Bedarf auf dem Mondhaus: Eisenklammern, Nägel, Bandeisen, Hanf-Büschel, ein Fäßchen Teer, eine große Anzahl der roten bekannten Käse; – läßt sich nicht alles behalten. Aber große Freude herrschte auf dem Mondhaus. Alles ward sorgfältig im Keller untergebracht; einige Käse wurden heroben behalten und nach kurzer Zeit saß die Familie beim schmatzenden Mahl, während der Alte in seinem unermüdlichen Fleiß drunten im Keller die Strickleiter heraufwand.

      Nun soll der Leser nicht glauben, ich werde ihn mit derselben Behaglichkeit durch diesen zweiten Monat schleppen, mit der die ersten vier Wochen, wie ich glaube, in zu großer Anschaulichkeit vor ihm ausgekramt wurden, – und ich werde ihm nun lang und breit erzählen, wie der Mondmann zuerst sein Dach wieder deckte – wie gesponnen, gehämmert, Käs gegessen, Betten geklopft und Pipi gemacht wurde, – wie es allmählich wärmer wurde, – und wie draußen in dem ruckweise Sich-Entzünden und Glühendwerden des Daches ein Stück von dem Mond nach dem andern zu glosten anfing, und damit beleuchtet wurde, – wie der große Käs erschien u.s.w. Freilich wäre manches Neue aus diesem zweiten Monat zu erwähnen; wie das Verhältnis zwischen Mondmann und -Frau ein ganz anderes und viel besseres war: – wie sie immer zu ihm »mein Goldmännchen« oder das bewundernde »Tausendsassa« sagte, während er sie meist »Mutter« oder »Mutterchen« anredete; wie die Alte den für den Mondmann fatalen Religionsunterricht teils ganz mied, oder jede Gelegenheit benutzte, um den Kindern den Papa als eine Respekts-Person, der man die höchste Verehrung entgegenbringen müsse, hinzustellen; – wie die geistige Verfassung des Alten damit eine ruhigere und behaglichere wurde, – seine Auffassung und Beurteilung der Verhältnisse um ihn eine viel freiere, – wie er sich und seine Familie weit weniger in der Richtung von Himmel, Weltkörper, Sonne und dergleichen in ein Verhältnis zu bringen suchte, als vielmehr in der Richtung vom »großen Käs«, mit dem er sich, man sah, in einer gewissen Art ausgesöhnt hatte; – was für Freude ihm der große Foliant machte, und wie er darin las, und ihn dann mit dem verglich, den die Mondfrau damals beim Religionsunterricht vor sich gehabt; – wie er gesprächiger wurde und seine Kinder streichelte; – wie er seine Ideen, – die allerdings barock genug waren, – jetzt wenigstens mitteilte, sodaß man ein Urteil bekommen konnte, was in ihm vorging, und was der Gegenstand seiner ewigen schwarz-blutigen Unzufriedenheit war; – und schließlich, ob diese plötzliche Wandlung dem Heraufschleppen besseren und reichlicheren Futters, oder der neuen Haube für die Mondfrau, oder dem Folianten zuzuschreiben war; – kurz, es könnte manches zu Gunsten der Verlängerung der »Mondgeschichte«, und auf Kosten der Bequemlichkeit des Lesers, noch mitgeteilt werden, was während des zweiten Monats dem Interieur des Mondhauses ein verändertes Aussehen gab. Aber eine Episode darf ich dem Leser, bevor ich definitiv von diesem merkwürdigen Heim Abschied nehme, doch nicht vorenthalten:

      Es war gegen Ende der ersten Woche, eines Nachmittags; alles saß beisammen am langen Tisch; die Kinder in besseren Kleidern; vielleicht war es Sonntag; (ich hatte jede Kalender-Rechnung bereits aufgegeben) – als die Mondfrau ihre frühere Frage, die ihr, wie es schien, recht geläufig war, wiederholte: »Papa, was gibt’s denn neues auf dem großen Käs?« – »Ach«, – sagte der Alte, – »das ist ein merkwürdiges Volk; jetzt haben sie ihre große Stadt angezündet!« – »Die Stadt angezündet,« replizierte die Mondfrau, – »ja, warum denn?« – »Ach, ich glaub’ um uns zu ärgern« »Uns zu ärgern! – ja, was hat das für einen Sinn?« – »Weil wir heller sind – weil wir mehr Licht von der Butterkugel bekommen!« – »Ja, bekommen denn die Käsleute keines?« – »Es ist ja immer ganz dunkel, wenn ich hinunterkomme; – wir haben doch wenigstens vierzehn Tage Helligkeit!« – »Ja, wissen denn die Käsleute; daß wir heller dran sind?« – »Sie schauen doch herauf!« – »Welches dumme Volk, sich um uns zu bekümmern!« – »Ach, Du hättest dabei sein sollen! Dieses Feuer, das sie machten!« – »Nun, und, – was taten sie noch?« – »Sie gestikulierten und schrieen und hüpften oben von ihren Häusern heraus – und ich stand dabei, und mich sahen sie nicht!« – »Dich sahen sie nicht, warum denn? – Bist Du denn anders als die Käsmenschen?« – »Mondfrau«, sagte der Alte, zwar besänftigend, aber mit einem Ton des Vorwurfs, wie mir schien, über die Zumutung, ihn mit den Käsmenschen zu vergleichen. – »Nun, und was tatest Du?« – »Ich raffte zusammen, was ich kriegen konnte, Hüte, Töpfe, Besen, Pinsel… sie warfen ja alles aus den Häusern heraus, – und freuten sich über die Flammen, – und taten ganz verrückt; – einige bliesen in gelbe Röhren, daß es fürchterlich schallte, – andere holten ein Stück aus dem Fluß nach dem anderen und warfen es in die Flammen, daß es hoch aufqualmte; – es war ein Hauptspektakel!« – »Nicht wahr, Papa« – frugen jetzt einige der älteren Mädchen, – »wir sind schöner als die Käsleute?« – »Oh, viel schöner«, – antwortete der Mondmann mit dem Ausdruck einer starken Überzeugung, – »die Käsleute haben unregelmäßige, verzerrte Gesichter, und verzerren sie noch jeden Augenblick anders!« – »Nicht wahr, wir sind auch gescheiter?« – frugen die Kinder weiter. – » In jedem Fall – gesetzter«, – antwortete der Alte sehr nachdenklich, – »gesetzter und mit regelmäßigeren schöneren Gedanken…« – wurde aber immer nachdenklicher dabei. – »Warum müssen wir denn drunten die Käse holen?« frug ein älteres Kind weiter. – » Weil wir keine heroben haben,« antwortete der Gefragte sehr kurz und fast trocken: sein Gesichtsausdruck veränderte sich aber immer merkwürdiger. Einige andere Kinder stellten noch einige unpassende

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