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die Teerplatten entzündete, und durch Überhitzen der ganzen Mondrinde, auch nach ihrem Untergang ein fressendes Fortkriechen des Verbrennungs-Prozesses bewirkte. – Damit stimmte, daß das verdächtige Geräusch in der linken Ecke der südlichen Hemisphäre begonnen, und einem draußen wandernden Himmels-Körper entsprechend, sich bis zur rechten Ecke der gleichen Hemisphäre fortgesetzt hatte, während die nördliche Mondhälfte so gut wie noch unberührt war. Dann, – kalkulierte ich weiter, – ist dieser ingeniöse Teer-Überzug nicht nur ein Schutz gegen Wind und Wetter, sondern auch gegen die sengenden Sonnenstrahlen, die sonst das hölzerne Mondgebäude angreifen würden. – Aber dann, – schloß ich endlich, – müssen diese glühenden Teer-Platten von Zeit zu Zeit abgekratzt werden, sonst geht eines Tages die ganze Mond-Baracke in Flammen auf. – Als ich bis zu diesem Punkt in meiner Erwägung gekommen war, bemerkte ich plötzlich am Fenster, an jenem Teil, den ich von meiner Lage unter dem Bett aus übersehen konnte, eine auffallende Helle. Sie war nicht flackernd, sondern ruhig, Deshalb blieb meine Gemütslage zunächst unberührt. Auch schien dieselbe nicht mit dem Mond direkt zusammenzuhängen, vielmehr dem Horizont anzugehören. Aber trotzdem erschrak ich, als diese Helle, die von der linken Seite her sich ausbreitete, ein großer, feurig-glänzender, kompakter Rand am Himmel nachfolgte, der einem Körper von riesigem Durchmesser angehören mußte. Als wenn eine Feuersbrunst ausgebrochen wäre, verließ ich schleunigst meine Lagerstätte und stürzte ans Fenster. Ein furchtbarer, schauerlicher und grenzenlos schöner Anblick bot sich meinem Auge: Von links her näherte sich eine mächtige, gelbglühende Kugel, die am gänzlich schwarzen Himmel nicht wie ein Gestirn, sondern wie ein verderbenbringendes, aus einer anderen Welt hereingeschleudertes, sphärisches Ungetüm sich ausnahm. Obwohl ich mich rechts stellte, – das Fenster wagte ich nicht aufzumachen, – soweit es ging, vermochte ich nicht die ganze Kugel zu überschauen, die mit verwitterten Rändern und eingebettet in einem feuchtgrünen Nebel, mit unheimlicher Stetigkeit nach vorwärts und aufwärts strebte, und, äußerlich betrachtet, wie ein zerschmolzener, schmutziger Schneeball von der Größe einer Bräupfanne am Himmel stand. Überraschend war, daß der glänzend-duftige Körper trotz seiner Dimension und intensiven Leuchtkraft nicht blendete; es war ein kaltes, bleiches, friedhofähnliches Licht. Die Nebel um ihn herum schienen in fortwährender Bewegung zu sein, und auf Momente zerriß der grüne Schleier, der den eigentlichen schwefelgelben Kern zu umschließen schien, – eine glänzendere, hellere Scheibe rückte heraus, auf der ich dann selbst wieder dunklere Flecke abgegrenzt von helleren Zonen entdeckte. – Aber wer beschreibt mein Erstaunen, als ich, in einem Moment, da die feuchten Dämpfe wie auf eine Seite gerissen wurden, und der Himmelskörper in seinem größten Durchmesser sich präsentierte, auf der phosphoreszierenden Fläche, langgestreckt, wie mit feinem Tusch aufgetragen, die deutlichen, die langgehackten Konturen von Nord-und Süd-Amerika erkannte! – Ein befreiender Gedanke stieg in mir auf: Kein Zweifel, die Kugel war die Erde, von der untergegangenen Sonne beleuchtet, und in ihre leuchtkräftige, dunstige Atmosphäre gehüllt. – Dort schwimmt also die Erde! – sagte ich mir, – und dort in der Lüttje-Straat in Leyden sitzt die alte Hausfrau mit den langen Zähnen, und simuliert nach, wo ihr Student hingekommen sein mag, und trauert über ihn, wie über einen entlaufenen Hund, den man zu sehr geschlagen hat. – Die prächtige, dunstgeschwellte Kugel war inzwischen noch weiter heraufgekommen und ich war eben im Begriff, mich auf die eine Seite der Kindbettstatt stützend, von einem etwas höheren Standpunkt aus nachzusehen, ob die ganze Erdfläche erleuchtet sei, als aus dem Hintergrund des Zimmers eine gilsge Stimme rief: »Kinder, der große Käs!« – Und eh’ ich mich’s versehen konnte, waren sämmtliche Kinder aus ihren Betten gesprungen, und eilten barfüßig an’s Fenster. Ich retirierte so schnell wie möglich aus dem schmalen Gang, um unter den Tisch zu gelangen. Aber zu spät! Das vorderste Kind, ein Mädchen von etwa zwölf Jahren, stolperte über mich, und stürzte mit dem blanken Kopf auf den Boden. Scheinbar, ohne sich ernstlich wehe zu thun, denn man hörte kein Wehklagen. Über die Daliegende stürzten noch andere, und im Augenblick lag ein ganzer Knäuel Menschen am Boden. Nun kam auch die Alte herangewackelt. Sie hatte sich Zeit genommen, ihre Schlappen anzuziehen. Das Fenster ward aufgemacht, und die meisten der größeren Mädchen drängten sich nun um die Mutter, die zuvörderst war und sich weit hinaus lehnte, und quatschten und gilften in die Luft hinaus, ohne daß ich ein Wort verstehen konnte. Ich war inzwischen glücklich unter den Tisch gekommen. – Also das ist ihr »großer Käs«, sagte ich mir, von dem sie immer so viel reden, und hier vom Himmel herunter haben sie den kühnen Vergleich abgelesen! – Und jetzt fiel mir auch das Bild ein, welches gerade gegenüber hing, mit seiner rätselhaften Amerika-Darstellung, und das der Mondmann hier an diesem Fenster vielleicht vor unzähligen Jahren, vielleicht als junger Mensch, angefertigt hatte. – Ich begriff, wie diese großartige Erscheinung, das Vorüberziehen dieses blendenden Himmelskörpers, für die Mondleute ein Ereignis allerersten Ranges war; für sie, die von der Sonne nichts weiter zu merken bekamen, als daß sie ihnen ihre Teerpappen draußen auf der Südseite verbrannte. Es schien auch, daß eine Haupt-Konstellation im Auf-und Unter-Gehen des »großen Käs« heut Nacht gegeben war, weil die Mondfrau so lang und so eifrig draußen mit den Kindern plauderte, – daß er vielleicht oft unterhalb oder oberhalb der Aussichtslinie des Mondhauses wegzieht, wie damals, als ich im Keller drunten die Mondfrau in der Luke sitzend überraschte. Denn von woher anders kam damals der strichförmige Reflex auf ihrem Buckel? – Allmählich zogen sich die Kinder einzeln zurück. Erst ganz spät ging auch die Mondfrau fort mit den zwei Ältesten. Das Eine von ihnen stellte noch, während die Mutter das Fenster schloß, eine Frage, die ich nicht verstehen konnte; die Alte antwortete aber: »Der Papa schaut den großen Käs nicht an; er steigt ja alle Monat hinunter!« – Dann ging alles schlafen. – Ich aber blieb noch lange wach – obwohl der »große Käs« längst verschwunden war – und saugte den grünen Duft auf, der noch tief ins Wohnzimmer hereinfiel, wie eine Nahrung, die man lange entbehrte; wie eine Botschaft aus einem fernen Weltteil, dem man einst angehörte, und den man vielleicht nicht mehr sehen wird.

      Sollte der Leser nach dem Vorausgegangenen der Meinung sein, es gäbe noch viel Interessantes oder Schönes auf den Mond zu erleben, so will ich ihn gleich hier von dieser Erwartung abbringen. Ja, die Geschichte da droben endet mit einer Katastrofe, und es wird Sache des Lesers sein, nachdem er Näheres darüber erfahren, sich sein Urteil zu bilden. Aber, was den Verlauf dieser letzten Woche anlangt, so war sie wohl die traurigste und erbärmlichste meines Mondaufenthalts: Nichts, oder soviel wie Nichts zu essen; denn die Mondfrau hatte die letzten Käse, aus Furcht, der Mondmann könne sie erwischen und den Kleinen heimlich davon austeilen, versteckt. Zur Zeit als ich dies inne wurde, hatte ich selbst nur noch einen viertel Käs, war somit selbst auf Hunger-Portionen angewiesen. Viele der Kinder blieben jetzt in den Betten, wie mir schien, mit Rücksicht auf die kärgliche Nahrung, um die tierische Wärme besser zu konservieren, und von der Mondfrau dazu angehalten. Das einzig Auffallende in dieser Woche war das Benehmen der Mondfrau selbst; und zwar ihrem Gatten gegenüber. Das war auf einmal ein Betugtsein und ein Bescheidentun und ein Entgegenkommen und Sich-Besorgt-Stellen, welches in mir die gerechteste Befürchtung erweckte, es möchte was Großes bevorstehn, wobei der Mondmann wieder mithelfen müsse. Und wenn wir, was leicht vorauszusehen war, an die höchst notwendige Verproviantierung mit Käsen dachten und an die Ereignisse, die zweifellos auch diesmal mit dem Reisen des Vollmonds eintreten würden, so war Grund genug auf Seite der Mondfrau, den Hausherrn bei guter Laune zu erhalten. – »Wie hast Du geschlafen, Papa?« – »Papa, willst Du nicht was essen?« – »Willst Du noch ein Kopfkissen, Papa?« – Mit solchen oder ähnlichen Fragen suchte sie ihn zu kirren, während er über solch plumpe Manöver nicht nur weit erhaben war, sondern ihr nicht einmal Gelegenheit gab, zu merken, daß er sie durchschaue. Einmal verbrannte sie sich aber doch bei solcher Gelegenheit bös die Finger. Der Mondmann saß eines Nachmittags mit aufgestützten Ellbogen am Tischende, schweigend vor sich hinblickend und, wie gewöhnlich, eifrig mit seinen Gedanken beschäftigt. – »Über was denkst Du nach, Papa?« frug die Alte. – »Ich hab’ da eine neue Idee.« – »Was ist denn das?« – »Ich glaub, daß die runden gelben Käse, die die Holländer bauen, das Ähnlichkeits-Produkt unseres großen, gelben Mondhauses sind, wenn es, auf der Rückseite beleuchtet, hinunter scheint. Der Mond zieht sie gleichsam aus der Erde heraus.« – »Himmel, welcher Blödsinn!« sagte die Alte kopfschüttelnd, »Papa, Du wirst noch verrückt!« – »Mondfrau!« schrie der Hausherr, kittgelb vor Zorn, und in seiner ganzen Länge in dem gelb-damastenen Schlafrock

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