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Diese absonderliche Arbeit, die ich mehr ahnte als beobachtete, setzte er kurz darauf dicht in meiner Nähe, vor der Ausgangstür fort, um sie schließlich unten von der Keller-Luke aus zu vollenden. Wie ein gelber Schlotfeger arbeitete und hantierte der erhitzte Mensch, dem seine außerordentliche Länge, wie ich glaube, bei dieser Gelegenheit sehr zu statten kam. – Ein seit einer halben Stunde schon währendes Schnurren und Rollen machte mich in meiner nächsten Nähe aufmerksam; ich erkannte bald, um was es sich handle: dicht unter dem Fußboden bei der Ausgangstür lief die Strickleiter durch und hinunter in’s Freie. Der Mondmann, – überlegte ich, – mußte also bei vollständig hinabgelassener Leiter hinuntersteigen, und die ganze Tret-Arbeit sowohl hinauf wie hinunter durchkosten, statt ihn mitsamt der Leiter hinunterzuseilen. Freilich hätte dann ein einziger Fehlgriff von Seite der die Maschine überwachenden Mondfrau die Leiter in’s Rollen gebracht, und dann den unglücklichen Steiger auf dem »großen Käs« zerschmettert.

      Ich bedauere, daß ich dem Leser hier nicht etwas mehr Feuerwerk vorführen kann, was vielleicht nach seinem Geschmack wäre. Aber ich muß mich streng an meine Wahrnehmungen halten. Und ich sah leider kein Feuerwerk, weil ich unter meinem Bett oder wenigstens in der Mondstube zurückblieb. Ja, liebe Leser, es ist dies eine traurige Episode, die ich hier vorführen muß; traurig, nicht allein hinsichtlich der Knappheit meiner Geschichte, sondern auch in Bezug auf die Vorgänge an der Leydener Universität, und deren Konsequenzen. Denn wie ich später erfuhr, war es nach vierwöchiger Abwesenheit meiner Person, und zu Beginn des Neumond, daß man im Senat der medizinischen Fakultät zu Leyden Recherchen anzuheben begann, deren für mich folgenschweres Resultat der Leser am Schlusse dieser Erzählung vermutlich erfahren wird. – Durch mein Verbleiben unter dem Bett war es mir also nicht möglich, das Abheben der glühenden Mondhauben, ich meine der beiden Hohldächer, des oberen und des unteren, vielleicht die interessanteste, individuelle Leistung des Mondmannes, zu beobachten, sondern auch das Befestigen dieser, wie mir schien, mit einer centrifugalen Tendenz nach oben behafteten, und jedenfalls rasch in sich selbst zusammensinkenden glühenden Massen an einer eisernen Kette, deren Glieder ich wiederholt draußen an der Eingangstür anschlagen hörte, entging mir vollständig, und nur die Maßnahmen von Seiten der Mondfrau im Innern der Stube gegen eine etwaige Feuersgefahr für das jetzt blanke hölzerne Monddach können mich und den Leser in Etwas dafür entschädigen, was wir draußen bei rechtzeitiger Besteigung der Leiter hätten beobachten können: nämlich das Hinabschleppen des Vollmonds. – Die Ereignisse im Innern der Mondstube spielten sich aber folgendermaßen ab. Als der Mondmann mit seinem Schürhaken durch die aufregend hin-und herrasenden und Feurioh! schreienden Kinder hindurch sich zur Ausgangsthür begeben hatte, war ich der Meinung, er komme jedenfalls zu einem förmlichen Abschiednehmen retour, und vollende nur draußen, wo, wie der Leser sich erinnern wird, ein förmliches Trittbrett oder Landungs-Vorsprung war, die Abhebungs-Arbeiten. Statt dessen kam auf einmal die Mondfrau schweißtriefend von ihrer Ab-Winde-Arbeit aus der Klapptür herauf, und sie und die Kinder versammelten sich an der Ausgangstür, die nun geöffnet wurde. Jetzt ahnte mir der Stand der Dinge; ich kroch schleunigst hervor und wollte mich zur Leiter begeben. Aber durch diesen kompakten Wall von Kindern mich durcharbeiten, oder jetzt in diesem Moment, und an dieser gefährlichen Stelle, wo durch den kleinsten Ruck ein halb Dutzend Kinder »in die Ewigkeit« stürzen konnten, einen Skandal und eine Entdeckung provozieren, war doch ein wahnsinniger Gedanke. Die Kinder winkten mit der Hand ihrem Papa Adieu! zu und setzten ihr blödsinnigstes Lächeln auf, wie ich von der Seite sehen konnte, und die Mondfrau sagte zu dem schon drunten stehenden, für mich nicht mehr sichtbaren Mondmann: »Vater, zwei Potschamber!« – und als er nicht hörte, schrie sie noch einmal: »Vater! – Zwei Potschamber!« worauf es »Ja, ja« von unten ‘rauf schallte; der Himmel war voll Lohe und Funken, ohne daß ich einen glühenden Körper selbst sehen konnte. – So vollzog sich die Abreise des Mondmanns. Und ich mußte knirschend und ohnmächtig in meiner Wut wie ein Hund wieder unter mein Bett hinunterkriechen, wo ich einem epileptischen Anfall näher war als allem anderen, wo aber ein Strom von Tränen mich glücklicherweise von dem stärksten Druck, der auf meiner Seele lastete, befreite. Was jetzt um mich vorging, hatte nicht das geringste Interesse für mich, und konnte mich schon deshalb nicht aus meiner Lethargie aufmuntern, weil wir wieder in fast vollständige Dunkelheit gehüllt waren. Aber um meiner Pflicht als getreuer Erzähler zu genügen, und da ich kein Recht habe, die mehr oder weniger feine Nase des Lesers vielleicht gegen dessen Willen zu schonen, will ich hier mitteilen, was ich von unter meinem Bett aus sah. Sobald die Außentür wieder geschlossen war, und Mutter und Kinder stillschweigend in das Innere der Stube sich zurückgezogen hatten, wurde der lange Tisch von den ältesten Mädchen ans Fenster gerückt, die Mondfrau stieg mit Hilfe derselben hinauf, und während nun die jüngeren Kinder einen Nachtopf nach dem andern, gefüllt mit Pipi, aus dem Mondkeller heraufschleppten, ihn den älteren gaben, die ihn der Mutter hinaufreichten, schüttete diese, halb am Fenster-Gesimse stehend, den Inhalt mit einem kräftigen Ruck über das Monddach, von wo er in langen Strähnen und unter zischender Berührung mit zurückgebliebenen Brandmassen herabrieselte. – Wo diese Pipi-Massen im Keller aufgespeichert waren, weiß ich nicht; ob diese Vorsichtsmaßregel einer Anordnung des Mondmann entsprach, kann ich auch nicht sagen. Aber es stank fürchterlich, und als die Mondfrau herabstieg, lachte sie, und patschte ihren Mädchen auf die Backen.

      Ich möchte hier dem Leser einen Vorschlag machen; die Ereignisse der letzten paar Stunden sind vielleicht zu rasch aufeinander gefolgt, und er hat das Bedürfnis auszuschnaufen. Dem Verfasser geht es ebenso. Der Mondmann ist fort, und wird einige Zeit fortbleiben. Bevor er zurückkommt, ist es zwecklos den Faden der Erzählung wieder aufzunehmen; denn wie die Mondfrau mit ihren dreißig Kindern und dem Verfasser da droben in der Dunkelheit hungert, kann unmöglich besonderes Interesse erregen. Ich möchte also dem Leser den Vorschlag machen, die hier durch den Gang der Ereignisse notwendig eingetretene Pause in passender Weise auszufüllen. Ich möchte ihn bitten, dies durch ein kritisches Intermezzo geschehen zu lassen, welches sich darüber verbreitet, ob es möglich wäre, alles, was wir bisher erlebten, von der Begegnung auf dem Felde bei D’decke Bosh an bis zum Abhub der brennenden Monddächer vor wenigen Stunden, was alles mit den Gesetzen der Erfahrung und der Wissenschaft im Widerspruch steht, auf einer natürlichen Basis aufzubauen. Der Leser weiß, mit welcher Ängstlichkeit ich bisher auf seine Bedürfnisse und die des gesunden Menschen-Verstandes Rücksicht genommen habe, wie ich an Adjektivis nichts gespart habe, um für jeden einzelnen Fall in Ton, Farbe, Größe, Geräusch, Schnelligkeit u.s.w. stets einen analogen Eindruck dessen beim Leser hervorzurufen, was ich selber empfand. – Gibt es denn kein Mittel, um aus dem Dilemma, daß die »Mondgeschichte« entweder ein Wunder, oder der Verfasser ein Lügner sei, herauszukommen? – Ich bitte den Leser um seine gespannteste Aufmerksamkeit: Es ist bekannt, wie herumreisende Zigeuner, welche durch kleine Vorstellungen im Saltibankieren oder durch Wahrsagekunst ihr Leben fristen, bei der Wahl ihrer nächtlichen Lagerplätze stets die Neigung haben, möglichst entfernt, oder wenigstens in sicherer Entfernung von menschlichen Niederlassungen Halt zu machen. – Warum? – Vielleicht aus einer bei diesen verwahrlosten Stämmen eigentümlichen Delikatesse, nicht mit Menschen in Berührung zu kommen, die sie, trotz deren höherer, Kultur, innerlich verachten. Aber wohl mehr noch aus Vorsicht vor Diebstahl, Überfall, Brandlegung, Männer-Neugier u.s.w. Aus Mitteilungen über die Sitten in der Tropen-Welt, aus den Schilderungen von Robinson Crusoe wissen wir, daß Reisende, die in unbewohnter Gegend von der Nacht überrascht werden, auf Bäume steigen, um dort vor Tieren wie Menschen sicher zu sein; freilich sind sie es nicht vor Schlangen, giftigen Spinnen u. dergl. – Auch vierfüßige Tiere geben sich auf hohen Bäumen der Ruhe und dem Schlaf hin, um wenigstens vor jenen ihrer Feinde geschützt zu sein, die keine so gewandten Kletterer wie sie selbst sind. Der Zug in die Höhe, wenn es sich um Sicherheit handelt, ist also ein Mensch wie Tier innewohnender Instinkt, welcher sich durch die Erfahrung als berechtigt herausgestellt hat. – Weshalb setzen wir ein Taubenhaus auf eine himmelhohe Stange? – Um die jeder Verteidigung fast unfähigen Insassen vor dem Marder zu schützen. Er kommt aber doch hinein. – Was wäre denn das Ideal eines Taubenhauses? – Wenn die Stange in Wegfall käme! – Ja, dann fiel aber das Taubenhaus hinunter! – Gut, aber das Ideal eines Taubenhauses wäre doch, eines ohne Stange. – Ja, dann müßte es aber schwebend erhalten werden! – Gut, aber das Ideal eines Taubenhauses wäre doch – ein Kasten, der schwebend erhalten wird, und in dem Tauben wohnen. – Nun denke man sich einen höchst verschlagenen, rührigen, überall gleich

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