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Gesammelte Werke. Oskar Panizza
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9788027204748
Автор произведения Oskar Panizza
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es war unter meinem Bett sehr kalt geworden. Die Entfernung der glühenden Monddächer hatte unser dünnes Holzhaus ziemlich rasch abgekühlt. Zwar war auf die stockfinstere Nacht während der letzten vierzehn Tage vor Weggang des Mondmannes eine kleine Dämmerung gefolgt, welches ich mit dem Wiederherannahen der Sonne auf der Rückseite des Mondes in Zusammenhang brachte, aber dies war nicht genügend, um die Temperatur merklich zu erhöhen. Die Kinder lagen alle wieder in den Betten; vor Hunger und vor Kälte; die Mondfrau, in dicke Shawls eingewickelt, schleppte aus dem Mondkeller Teer-Pappen herauf; beim Heruntergehen nahm sie die von den Kindern fertiggesponnenen Reservestücke für die Strickleiter mit; ein intensiver Uringeruch erfüllte jedesmal beim Öffnen der Kellertür das ganze Mond-Zimmer; offenbar hatte die Alte unten im Keller irgend ein verschließbares Blechreservoir, worin sie die zum Löschen der Monddächer bestimmten Pipi-Mengen sammelte, und hatte, da der Geruch ihre Nase nicht weiter affizierte, den Deckel offen gelassen. – Am liebsten wär’ ich jetzt vorgekrochen und hätte mit der Mondfrau ein offenes Wort geredet, welches ihr die Lauterkeit meiner Absichten bewiesen, und den plötzlichen Schreck über mein Erscheinen in Abwesenheit ihres Mannes gemildert hätte, wenn ich nur die kleinste Aussicht gehabt hätte, irgend etwas Eßbares zu finden. Die Leute hatten ja selbst nichts zu essen. Ich konnte doch keines von den, – nebenbei gar nicht fetten, – Kindern anbeißen. Und der Ekel über den Urin-Geruch überwog noch bei weitem mein Hungergefühl. – In diesem Zustand lag ich gewiß noch zwei bis drei Stunden, und ich war eben im Begriff in meiner Verzweiflung den Strohsack der Mondfrau nach irgend etwas Eßbarem zu durchwühlen, als ich plötzlich aus meiner halb erhobenen Stellung mit großer Wucht mit dem Kopf auf den Boden zurückgeworfen wurde; mehrere Potschamber unter den anderen Betten fielen um; die Mondfrau unten im Keller stieß einen verwunderten Ruf aus, in dem etwas wie Beifall lag, und der etwa »Ho!« klang; die Kinder schrieen alle gleichmäßig auf, und einige riefen »der Papa kommt, – der Papa kommt!« – In der Tat, es waren wieder dieselben Oszillationen wie heute Morgen, als der Mondmann die Strickleiter verlassen, nur in umgekehrter Ordnung, indem der erste Stoß das Mondhaus auf der Seite, auf der ich lag, also bei der Eingangstür herunterschleuderte, welcher Bewegung ein ebenso energischer Rückstoß nach aufwärts folgte, und so alternierend weiter, bis die anfängliche Bewegung sich in kleine wellenförmige Oszillationen auflöste. – Ja, der Papa kam allerdings, aber es dauerte gewiß noch an die acht Stunden, bis man das Schlürfen seiner Sohlen auf den Teersprossen hörte, welches harte Geräusch zuerst nach oben drang. Eine Viertelstunde später hörte man ihn auch keuchen, und als er wirklich unterhalb der Eingangstür erschien und den ersten Halt machte, war es nach meiner Schätzung schon wieder Abend geworden, obwohl wir wieder in jener Phase gleichmäßiger Dämmerung lebten, wie sie während der ersten vierzehn Tage meines Mondaufenthaltes herrschte. Inzwischen hatten sich sämtliche Kinder angezogen, die Betten wurden gemacht, Potschamber und Pantoffeln in gleichmäßiger Ordnung unter das Bett plaziert, das Mondfenster wurde geschlossen, damit es beim Öffnen der Haupttüre keinen Zug gebe, die Kellertüre zugemacht, Tisch und Bänke gerade hingestellt, und endlich stellte sich die Alte umgeben von sämtlichen Kindern an die offene Eingangstür in Erwartung des Papa. Es war eine großartige Überraschung und ein großartiger Empfang. Als ich sah, daß ich hinter den Kindern vollständig sicher vor Entdeckung sei, kroch ich unter meinem Bett hervor, und nahm meinen Aussichtspunkt. Bevor ich den Mondmann zu Gesicht bekam, sah ich eine große Menge von Stangen, Paketen, Rollen, Kästen, Töpfen, die sich nach aufwärts bewegten: der Mondmann hatte einen ganzen Tändler-Laden auf seinem Buckel; ein Lastträger im Gebirge konnte nicht stärker bepackt sein; erst geraume Zeit später entdeckte ich über den Köpfen der Kinder hinweg tief drunten das kleine aber heftig gerötete Gesicht des Mondmannes; es glänzte vor Freude und Entzücken, und in einem Moment des Stillhaltens rief er mit schwacher, heiserer Stimme, fortwährend wie ein Asthmatiker von kurzen Atemstößen unterbrochen, herauf: »Mutter, – dies–mal – hab’ ich – große – Ernte ge–halten.« »Ja, komm nur herauf, Herzensmännchen!« sagte die Alte, welchem Willkomm ein großes Geschrei und Gejubel der Kinder folgte. – Der Alte glotzte fortwährend herauf, obwohl er sich dabei zweifellos viel schwerer atmete, als wenn