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Das war eine entsetzliche Nacht, als sich mir die Furchtbarkeit des Gewitters zu erkennen gab. Conrad, da war der Himmel ein weites feuriges Meer, da rissen große Donnerschläge Luft und Wolken in Stücke, da sauste es wie Gespenster um die Burg und nahm ganz meinen armen menschlichen Sinn gefangen, da trug ich jenes thörichte Schwert, das wider meinen Willen meine Mutter erschlug. – Ha! wie darf ich es noch wagen, den Namen Mutter auszusprechen? Mich hat keine Mutter gesäugt, ich bin kein Mensch, kein Sohn, der Name Sohn ist seitdem zum Fluch geworden. – er steht auf. Komm, ich will mich ankleiden.

      CONRAD. Ihr seid ja schon angekleidet.

      KARL. Wirklich. – Hörst Du es auch in der Nacht durch alle Zimmer des Schlosses wandeln und seufzen und meinen Namen sprechen?

      CONRAD. Das ist lauter Phantasei von Euch.

      KARL. Es rasselt oft wüthend durch den Saal, dann hör' ich Schwerter klirren und wunderliche Stimmen dazwischen, ungeheure Riesengestalten gehn mir vorüber und Gespenster drängen sich zu mir her, – das alles ist nicht Phantasei!

      CONRAD. Ihr seid überwacht, da müssen Euch die müden Sinne täuschen.

      KARL. Es ist nicht anders, die wilde Geisterwelt hat mich zu ihrer Beute, zu ihrem Spiele ausgelesen. – Weißt Du noch die Zeit, Conrad, als in diesem Saale getanzt ward, als die Pokale um die Tafel gingen, als Adelheid an dieser Stelle saß? – Warum ist jetzt alles so stumm und traurig?

      CONRAD. Die Zeiten wechseln, die Umstände ändern sich.

      KARL. Ich bin doch wohl ohne Schuld. Sollte es nicht sein können? Der Mensch wird geboren, ohne daß er es weiß, seine innerlichen Gedanken sind Träume, und äußerlich erzeugen sich indeß andere Träume, die wir Thaten nennen, und von denen er nichts weiß. –

       Wenn nur kein Gewitter heraufzieht!

      CONRAD. Seid unbesorgt.

      KARL. Es wird so finster, mir ist so bang.

      CONRAD. Es ist Abend geworden.

      KARL. Laß einige Fackeln anzünden, laß Musik kommen, vielleicht kann ich einschlafen.

      CONRAD geht ab, bringt zwei brennende Fackeln und stellt sie hin, DER MINNESÄNGER tritt auf.

      KARL. Setzt Euch, – dort in der Ferne, und nun eine recht schwermüthige Melodie, von der Art, die unsre Seele wie aus einem trüben Flusse in ferne unterirdische Gegenden führt, daß wir der Oberwelt und unserer irdischen Leiden vergessen. Sucht auf Eurem Instrumente die wunderbarsten Töne aus, jene betäubenden, einschläfernden, die um unsre Sinne gaukeln und sie mit süßer Schläfrigkeit berauschen. – Uebertönt mir jene Eule, die vom verdorrten Baum herunter winselt.

      MINNESÄNGER. Ich will Euch die Klage und den Trost des Unglücklichen singen, es ist ein neues Lied und eine neuerfundene Weise. Ich dichtete es jüngst, als mir das Elend der Menschen recht sichtbar vor die Augen trat.

      Im Windsgeräusch, in stiller Nacht,

       Geht dort ein Wandersmann,

       Er seufzt und weint, und schleicht so sacht

       Und ruft die Sterne an:

      Mein Busen pocht, mein Herz ist schwer,

       In stiller Einsamkeit,

       Mir unbekannt, wohin, woher

       Durchwandr' ich Freud und Leid;

       Ihr kleinen goldnen Sterne,

       Ihr bleibt mir ewig ferne,

       ferne, ferne,

       Und ach! ich vertraut' euch so gerne.

      Da klingt es plötzlich um ihn her,

       Und heller wird die Nacht,

       Schon fühlt er nicht sein Herz so schwer,

       Er dünkt sich neu erwacht:

      O Mensch du bist uns fern und nah,

       Doch einsam bist du nicht,

       Vertrau' uns nur, dein Auge sah

       Oft unser stilles Licht.

       Wir kleinen goldnen Sterne

       Sind dir nicht ewig ferne,

       gerne, gerne,

       Gedenken ja deiner die Sterne. –

      Ein heller Blitz und heftiger Donnerschlag.)

      KARL fährt auf. Genug! – Alles ist doch nur erlogen, Dichtererfindung, indeß sein eigener Busen nichts fühlt! Fort! Minnesänger ab. – Ich will nichts mehr hören, alle Menschen sind falsch und ohne Empfindung. – Himmel! glühende Ketten ziehn sich um mich her, wilde Phantome durchkreuzen die Luft und stürzen auf mich ein, Gespenster klettern die Fenster hinan und klirren an den Scheiben – Conrad! –

      CONRAD. Was ist Euch?

      KARL. Sieh die schrecklichen Gestalten, dort mit den flammenden Haaren, die in der Luft fliegen und sich zu mir her bewegen.

      CONRAD. Es sind ja die Fackeln, ich will sie forttragen, wenn sie Euch erschrecken. ab mit den Lichtern.

      KARL. Das Bildniß meiner Mutter rührt sich. – O weh mir! weh mir, daß ich geboren ward! Die gräßlichen Flüche der Sterbenden ergreifen mich nun, die alte Sünde unsers Hauses hat mich mit gefaßt und schleppt mich zur Verdammniß. – Ich kann nicht mehr. – er kniet nieder. O errette mich, Gott im Himmel! – Der Blitz springt nach mir, der Donner schilt mich, das ganze Heer des Entsetzens jagt hinter mir her. – Wo ist Rettung? – O es treibt mich fort, durch die Wildniß, durch Wälder, ich kann mich nicht zurückhalten. er springt auf und eilt hinaus.

      CONRAD kömmt zurück. Ritter! – Ritter Karl! – Er ist fort! – O Gott im Himmel, was soll noch daraus werden? – Franz! Georg!

      FRANZ. GEORG.

      CONRAD. Folgt mir, der Ritter ist in den Wald hinaus, in's Freie geeilt, wir müssen ihn suchen. – ab.

      FRANZ. Daß ich ein Narr wäre!

      GEORG. Gehst Du nicht mit?

      FRANZ. Bewahre! ich habe meinen Abschied genommen, eben so gut, wie schon mancher Diener hier gethan hat. Das halte der Henker aus. – Sage mir, Georg, hast Du nicht bemerkt, daß es in der Burg umgeht?

      GEORG. Es ist mir manchmal so schaurig.

      FRANZ. Die alten Tapeten klatschen als wenn es mit Flügeln dagegen rasselte. Unsre Hausfrau soll oft durch die Säle schleichen; man erzählt sich gar wunderliche Geschichten von ihrem Tode, man darf es nur nicht öffentlich sagen. Hast davon noch nichts gehört?

      GEORG. O ja, aber ich kann es immer nicht glauben.

      FRANZ. Ich gehe wieder nach dem lustigen Bamberg zu meinem vorigen Herrn, da kann man doch froh sein, da schmeckt einem ein Trunk, da scheint die Sonne heiter und warm, – aber hier in dieser Wildniß –

      GEORG. Du hast Recht. Das sind hier wilde Felsen, schwarz und widrig strecken sie sich in den Himmel hinein, und kein fremder Ritter, kein Reisender besucht mehr unser Schloß; man hört gar nichts neues mehr, man erfährt gar nicht, wie es draußen in der Welt zugeht, es ist hier ein betrübtes Leben.

      FRANZ. So zieh mit mir.

      GEORG. Meine Zeit ist noch nicht um. – Aber meiner Jugend kann ich mich hier nicht freuen, das weiß ich wohl; oft wenn ich so aus den wilden Thälern ein verlornes Jagdhorn herauftönen höre, weiß ich nicht, wie mir wird, aber ich muß dann weinen. Durch Gebete halte ich mich denn noch aufrecht. Hu! – welch ein Wetter! – Warum unser Ritter sich wohl vor dem Gewitter immer so ängstigt?

      FRANZ. Wunderbar ist es.

      GEORG. Und hast Du ihn dann wohl schon beten sehn?

      FRANZ. Nein.

      GEORG. Die Haut schaudert mir jedesmal, wie sich ihm dann die Haare aufrichten, wie sein Auge nach dem Himmel starrt, als wenn er Trost herab zwingen wollte, und wie dann alles vergebens ist und er wild und geängstigt nach dem Walde rennt. – Ach, dem armen

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