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Wenn man ihn nur erst dahin bringen könnte, daß er sich für krank hielte; aber so glaubt er sich gesund, und die ganze übrige Welt übel auf.

      HOFMEISTERIN. Aber das ist grade das gefährlichste Zeichen seiner Krankheit: ich habe schon mehrere solche Menschen gekannt, die nachher wieder ganz ordentlich zurecht gebracht wurden.

      REINHARD. Aber warum sprechen wir von ihm so weitläuftig? – Wir werden ihn doch nicht wieder herstellen. – Ihr waret nicht am Johannistage auf Berneck, mein Fräulein.

      ADELHEID. Und wohl mir, daß ich nicht dort war.

      REINHARD. Ihr habt Recht, es war eine traurige Nacht. – Kaum sah ich meinen Vater und ich mußte ihn wieder verlieren.

      ADELHEID. Ein schreckliches Schicksal! Wie sehr hab' ich weinen müssen, als ich die That vernahm!

      REINHARD. Ihr habt ein weiches mitleidiges Herz, mein Fräulein.

      ADELHEID. Jetzt hat Euer Bruder doch Recht, mit der Welt unzufrieden zu sein.

      REINHARD. Wer hätte das nicht? – Ihr weckt selbst in meinem Herzen alle Wehmuth.

      HOFMEISTERIN. Kommt in unsern Garten, Herr Ritter, der helle Himmel und die grünen Bäume werden Euch heiter machen. – Reinhard führt Adelheid, sie gehn ab.

      (Schloß Berneck, der Vorsaal.)

      KARL steht allein in einer Ecke, stumm und betrübt, den Blick auf den Boden geheftet.

      CONRAD tritt auf. Seid Ihr hier, Ritter? – Ich suche Euch in der ganzen Burg. – Ritter! – Ritter Karl!

      KARL auffahrend. Was willst Du?

      CONRAD. Wollt Ihr nicht zur Tafel kommen? Eure Mutter –

      KARL. Nun, meine Mutter?

      CONRAD. Eure Mutter und Ritter Leopold haben schon oft nach Euch gefragt. Die Tischzeit ist schon vorüber.

      KARL. Mag sie doch, ich komme nicht. – Sage mir, Conrad, warum soll ich essen, da ich nicht zu leben verdiene?

      CONRAD. Wie Ihr auch wieder sprecht!

      KARL. Es ist wahr Conrad. – Hat nicht jeder Mensch, jeder Vogel, jedes Gewürm einen Zweck, warum es lebt? Sie erwerben sich ihre Nahrung und schützen sich gegen Feinde oder sterben, – und ich, zu feige mich dem Tode auszusetzen, schleppe ein träges unbefriedigendes Leben hinter mir, indeß die Welt vor mir immer enger und enger zusammenfällt.

      CONRAD. Wenn Ihr ausrittet, Besuche machtet, Euch in der Gegend umschautet –

      KARL. Was würde es mir helfen? Alles weist nur nach einem Bilde hin, alles nennt mir nur einen und denselben Gedanken. – Ich erinnere mich aller Geschichten, die ich las oder erzählen hörte, und in keiner treffe ich einen so verworfenen, so nichtswürdigen Sohn an, als dieser Karl von Berneck ist.

      CONRAD. Ermuntert Euch, laßt doch Eure frische Jugend Herr über Euch werden.

      KARL. Verdien' ich wohl den ritterlichen Schlag, den ich vom tapfern Schwert meines Vaters auf dieser Schulter empfing? Schon ist es so lang, – ach Conrad! gieb dieser Faust Thätigkeit, und diesem Herzen das Recht freier und muthiger zu schlagen. – Oft wenn ich auf meinem einsamen Lager liege und mein trübes Auge gedankenschwer den Flug der Wolken beobachtet, dann ball' ich meine Faust mit heißem Ingrimm, dann ist mir, als wenn ich den Geist meines Vaters vorüberschweben sehe, der mir lächelnd winkt, dann nehm ich Dolch und Lanze, dann hör' ich die Streitaxt klirren – und dann wird es Morgen und es geschieht nichts.

      CONRAD. Theurer Ritter, Ihr seid mir jetzt mit Eurer innern versteckten Wuth fürchterlich. Seht freier um Euch, so kann es doch nimmer gut werden.

      KARL. Das wird es auch nicht; das Schlimme wird nimmer gut. – Sieh, Conrad, bück' Dich hieher auf den Boden, – was wirst Du dort gewahr?

      CONRAD. Ich weiß nicht.

      KARL. Sieh diese rothen Streifen! Ruft es Dich nicht an? Schreit es nicht tief in Dein Herz hinein? – Es ist das Blut meines Vaters, ich kenne es wohl. – .Hier war der schändliche Kampf, hier erlag der Greis und hier steht sein Sohn – und besinnt sich, was er thun soll. – Sie haben dies fürchterliche Zeugniß nicht wegwaschen können, und unwillkührlich zieht diese blutige Stelle meinen Blick an sich.

      CONRAD. Ach Gott!

      KARL. Mußte er darum allen Gefahren entronnen sein, um hier so schmählich zu fallen? Darum? – Und von wem? – O ich möchte meinen Kopf gegen diese Mauern stoßen. – Conrad, ist Dir nun noch, als wenn aus mir der junge Held Reinold werden sollte, der Stolz und der Ruhm seines Stammes? – Aber es soll anders werden, bei Gott, ich schwör' es hier dem Geiste meines Vaters, – es soll!

      CONRAD. Laßt nur die Vorsicht Eure Entschlüsse leiten.

      KARL. Eben diese Vorsicht, diese langweilige und feigherzige Schwätzerin war Schuld, daß ich bisher Sohn zu sein vergaß. Sprich mir nicht davon! Sie ist nur eine Ausrede des Feigherzigen, ein Vorwand, Thaten und Entschlüsse aufzuschieben. Glaube mir, das Leben ist ein großer Baum, mit weit ausgebreiteten Zweigen, Wind und Zufall blasen hinein und die Früchte fallen ab. Wenn Du unten schüttelst, so kannst Du nicht voraussagen, welche That herunter stürzen wird; oft ist etwas Wunderbares im Wipfel versteckt, das sich unversehens mit dem andern losreißt – und darum ohne Besinnen, ohne Vorsicht und Gedanken. Mir ist es ängstlich zu überlegen, wenn ich mir eine That vorsetzen soll.

      CONRAD. Eure Reden erregen mir ein heimliches Grausen.

      KARL. Nun darum geh nur, sage, daß ich nicht zu Tische kommen wolle, nicht kommen könne.

      CONRAD. Sie werden sich wundern.

      KARL. Wenn ein Fels zusammenstürzt, wer denkt da an das Nest der Schwalbe, das mit verschüttet wird?

      CONRAD ab.

      KARL allein. Ja es sei. – er kniet nieder und küßt den Boden. O du theures, theures Blut, das hier so verrätherisch vergossen ward; ja, du bist meine Reliquie, du waffnest meine Hand. – Athm' ich doch freier! Weiß ich doch nun, wer ich bin und was ich will; die That selbst ist nur eine Zugabe zum Entschlusse – Kein Gift ist mir so zuwider, als das Gesicht des unverschämten Verräthers – und mein Bruder kann freundlich und vertraulich mit ihm sprechen; wahrlich, ich habe gesehn, wie er ihm die Hand drückte, dieselbe Hand, die seinen Vater niederschlug. – Nun will ich in die Kapelle gehn, und auf dem Sarge meines Vaters beten. ab.

      FRANZ. GEORG.

      GEORG. Aber sie werden nach uns rufen.

      FRANZ. Je, sie bedürfen ja jetzt keiner Bedienung mehr. Die Tafel ist ja so gut wie aufgehoben.

      GEORG. Du hast immer Deine eigne Art zu erklären.

      FRANZ. Ach! was willst Du davon verstehn? – Komm, da hab' ich eine Flasche guten Wein, die wollen wir mit einander ausleeren.

      GEORG. Aber woher?

      FRANZ. So halb und halb geschenkt bekommen. – Siehst Du, denen da drinnen ist es ganz wohl, wenn wir sie allein lassen, wir sehn ihnen durch die Finger und dafür wird uns wieder durch die Finger gesehn.

      GEORG. Du bist ein wilder Bursch, ich könnte nicht so sein.

      FRANZ. Und Du bist ein frommes, gutherziges Kind, ein wahres Schaaf.

      GEORG. Du hast die Johannisnacht schnell vergessen, wo Du Dir so ernsthaft vornahmst anders zu werden.

      FRANZ. Ach! das war damals; – andre Zeiten andre Sitten. Sieh doch nur unsre Ritter an, besonders den wackern Herrn Leopold, das ist ein gescheidter Mann, der muß doch auch wissen was rechts und links ist, und wenn der sich nicht fürchtet, warum soll ich es denn thun?

      GEORG. Ich mag auf keine Autorität zum Satan fahren.

      FRANZ. Gleich Satan! das Schlimmste gleich zum Aergsten. Sieh, das ist ein kluger Mann. Als ich letzt durch das Zimmer ging und er mit unsrer Hausfrauen auf einem Ruhebettchen saß, machte ich nur ein pfiffiges Gesicht, und seit der Zeit bin ich sein Vertrauter, ohne daß wir

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