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Du unterließest diese gewöhnliche Höflichkeit, die man selbst unter den fremdesten Menschen antrifft, – ich wünschte, Du wärest zutraulicher. – Laß uns ernsthaft mit einander reden – Wilhelm, mein Herz ist voller Unruhe, – höre, – o ich wünschte, Du wüßtest es schon, was ich Dir sagen will, anstatt daß ich jetzt einen so weiten Umweg nehmen muß.

      WILHELM. Ich errathe Euch nicht.

      REINHARD. Und doch ist es nichts, das sich zu verbergen brauchte; es ist tausend und aber tausendmal gedacht und geschehn. – Wilhelm, ich wollte, wir wären uns nicht so fremd, sondern schon lange mit einander umgegangen. – Ich weiß es, daß uns das aus einem fremden Munde oft auffällt, was uns aus dem bekannten ganz natürlich dünkt. – Doch, ich vertraue Dir, und der Freund sollte nicht um den Freund mit Worten so herumgehn, – ich will Dir ganz deutlich meine Meinung sagen. – Sieh, Wilhelm, meinen Bruder, – ist er nicht unglücklich, – unglücklich, weil er ein Bösewicht ist, – o daß ich selber so von ihm sprechen muß! – Du hast vielleicht das Gericht schon vernommen, daß er im tückischen Muthe seine Mutter erschlagen hat?

      WILHELM. Ich hab' es nicht glauben wollen.

      REINHARD. Es ist wahr, und das Bewußtsein seines Verbrechens peinigt ihn und jagt ihn umher, darum ist sein Auge irre, darum seine Rede unverständlich und verwickelt. – Soll ein solcher seiner Strafe entgehn? – Und doch ist er ungestraft, weil seine Schuld nicht ganz deutlich und offenbar ist. – Aber welche Aufforderung zur Sünde, wenn ihm die schwärzeste aller Thaten so hingeht! – Ich darf ihn nicht zur Rechenschaft ziehn, ich bin sein Bruder, das brüderliche Blut würde sich in mir empören, so sehr ich ihn auch hasse, und ein Verbrechen kann auch nie das andere wieder gut machen. – Sieh, ich habe Dir nun so viel gesagt, daß ich dreister fortfahren muß. – Willst Du es über Dich nehmen? Willst Du mich und die Welt von ihm erlösen?

      WILHELM. Wie meint Ihr das?

      REINHARD. Glaube nicht, daß ich es nur so sage, um Dich anzufrischen, sondern es ist mein völliger Ernst; ich würde es thun, wenn ich nicht sein Bruder wäre. – Soll er leben? Sich und andern zur Last? Sollen neue Bubenstücke aus seiner Bosheit hervor wachsen? – Es ist eine gute, eine edle That, die den Dank der Welt verdient, ihn hinwegzuräumen.

      WILHELM. Wollt Ihr Euch so eigenmächtig zum Richter der Welt aufwerfen?

      REINHARD. Jetzt sucht er obenein das Fräulein Adelheid zu verführen, und bei Gott, was unbegreiflich scheint, es wird ihm gelingen, sie, die ich mir zu meiner Braut auserlesen hatte. – Kannst Du's glauben?

      WILHELM. Und wenn ich es glaube?

      REINHARD. Sollen wir's dulden? – Fordre, Wilhelm, so viel Du willst, und sag' mir nur, es ist vorüber, ich habe keine Sorge mehr. – Glaube mir, Du kannst nicht zu viel begehren, traue mir. – Nun, Du antwortest nicht?

      WILHELM. Es ist am besten, daß ich Euch nicht antworte.

      REINHARD. Sei nicht so verschlossen. Die That ist gut, jedes Herz flucht ihm, und jeder Mund wird Dir danken, – Sag' schnell, Du willst es thun. Nicht wahr? Ich kann mich auf Dich verlassen? –

      WILHELM. Ihr irrt Euch in mir, Herr Ritter.

      REINHARD. Ich will alles für Dich thun, wünsche nur, und Dein Wunsch ist erfüllt. – Du bist stumm, bist einsilbig; erwiederst Du so mein Vertrauen?

      WILHELM. Es ist Nacht, ich will schlafen gehn, und morgen hab' ich unser jetziges Gespräch vergessen, oder ich halte es nur noch für einen Traum.

      REINHARD. Nein, nein, höre, gehe so nicht fort, ich habe Dir noch vieles zu sagen. – Ueberlege nur, daß Du ihm selbst eine Wohlthat damit thust; Du kannst es Dir nicht denken, Du kannst es nicht fassen, wie elend er ist: ich könnte Dir, wenn es die Zeit erlaubte, schreckliche Beschreibungen machen, wie ihn sein Wahnsinn ängstigt; bald glaubt er den Geist seiner Mutter zu sehn, bald umringen ihn Gespenster und Ungeheuer; er schläft in keiner Nacht, eine fürchterliche Munterkeit peinigt ihn durch alle Adern; wie ein gebannter Dieb wandelt er umher und kann doch nicht von der Stelle; dann flucht er sich selbst; dann verwünscht er mit entsetzlichen Flüchen die Stunde seiner Geburt, – er hat schon oft Hand an sich selber legen wollen, wenn man ihn nicht mit Gewalt zurückgehalten hätte. – Er haßt sein Leben selbst, Du raubst ihm also nichts, sondern der Tod ist für ihn ein Geschenk. – Was kannst Du dagegen sagen?

      WILHELM. Der Himmel hat die Strafe sich vorbehalten.

      REINHARD. Aber die Menschen gebraucht er oft zum Werkzeuge; sein rächender Donner stürzt nicht immer herab, er sendet oft die Zwietracht unter uns, und drum fiel durch Menschenhand schon mancher Bösewicht. – Finden wir nicht selbst in der heiligen Schrift Beispiele, wie er die Rache dem Arm der Menschen oft vertraute?

      WILHELM. Laßt mich, Herr Ritter, setzt mir nicht weiter zu – Ihr werdet mich nie überreden.

      REINHARD. Wilhelm, ich hasse Dich auf den Tod, Du bist nicht ehrlich gegen mich. – Du hast mich ausreden lassen ohne mich zu unterbrechen, und nun glaubst Du mich in Deiner Gewalt zu haben.

      WILHELM. Ich denke daran nicht.

      REINHARD. Du bist ein lauernder ausgelernter Schurke, einer von denen, die sich einfältig stellen, um desto besser zu betrügen. – Geh nur, geh! Ich habe mich geirrt, und ich bereue jetzt alles, was ich gesagt habe; meine Worte waren an ein unedles Gemüth verschwendet.

      WILHELM. Gute Nacht, Ritter.

      REINHARD. Geh, Schelm! ich verabscheue solche Heuchler, – der Nichtswürdige! – Wahrlich, der Trotzkopf geht. – Höre, Wilhelm, guter Wilhelm, bleibe noch; es ist nicht mein Ernst. Besinne Dich und sei mein Freund. Ueberlege alles reiflich. – Er ist wahrlich wie sein Vater!

      WILHELM. Gut, daß Ihr mich daran erinnert, Herr Ritter. – Ich muß fort; die Hitze Eurer Leidenschaft verleitet Euch zu unrechten Gedanken: verzeiht mir, daß ich Euch das sage. – geht ab.

      REINHARD. Ein Sklave, der sich vorgenommen hat, rechtschaffen zu sein, und nun ohne Ueberlegung mit dem Kopfe durch die Welt brechen will. – Ich dachte, weil er Blut gesehn, und sich im Getümmel herumgetrieben hat, – der Krieg härtet sonst die Seele und verwandelt selbst die weichsten Gemüther in grausame. – Wie unbesonnen ich war! – Wenn uns die Leidenschaft ergreift, so hören wir immer nur uns selber sprechen und vernehmen kein Wort vom andern. – Warum gelingt es denn andern Menschen, Vertraute ihrer Gedanken zu finden? er geht ab.

      KARL tritt auf. Das Wunderbarste gesellt sich zum Wunderbarsten; – sie hat versprochen mich hier zu besuchen, eine Viertelstunde mit mir zu sprechen, weil uns die Gesellschaft der übrigen Menschen band. – Wie hätt' ich so etwas hoffen können? – Es ist Nacht geworden und alles in mir ist ruhig. – Der Schimmer des Mondes funkelt seltsam durch die Zweige herab, alle grünen Gebüsche glänzen, alles ist mit Freude übergossen und wunderbare schöne Ahndungen zittern durch meine Seele. – Wird es immer so sein? – Es ist als wenn der Mond mit den Sternen zusammenklingt, als wenn Melodieen durch den Flimmerschein wehen. – Es schwärmt jauchzend durch die Wipfel hin, das schönste Leben sinkt golden aus dem offnen Himmel nieder, – dies ist kein irdisch Leben mehr, Vergangenheit und Zukunft sind versunken, und eine selige, überirdische Gegenwart macht mein menschliches Herz erzittern. – er setzt sich auf die Rasenbank. Da zieht eine dunkle Wolke vor den Mond und jagt einen schwarzen Schatten über die Gegend; der goldne Schein erlischt, – ich vergesse in der Trunkenheit, daß sie kommen wollte, – Gott, wie werd' ich die Freuden meines Lebens aushalten können! – Mir ist, als ob ich alles vergessen hätte, als ob ich nicht der Karl wäre, von dem mir bisher immer geträumt hatte. – ein weißer Schimmer durch die Gebüsche, er fährt auf. Sie kömmt, wie ängstlich mein Herz bebt, – sie kömmt. – die weiße Gestalt nähert sich, er streckt die Arme aus und eilt ihr entgegen, sie bleibt vor ihm stehn; es ist der Geist seiner Mutter, er erstarrt eine Weile, dann stürzt er zurück, die Gestalt geht vorüber. – O Mutter, Mutter! laß mir Ruhe; – Ha! ich hatte vergessen, daß es Nacht geworden sei, daß ihre Zeit gekommen war. – So schneidet es durch meine Freude, durch mein Glück, – alle Gräßlichkeiten arbeiten sich wieder durch den Schimmer, der sie abwärts hielt. – Nein, es giebt keine Vergebung, es giebt keine Seligkeit, –

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