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Gottesfurcht verachtest, und mit beiden Füßen in dem Pfuhl der Sünde stehst; mein weißes Haar darf also wohl nicht ein wenig Respekt von Dir fodern. Nun, Du wirst Deiner Strafe nicht entlaufen.

      FRANZ. Indeß Ihr predigt, könntet Ihr auch etwas thun.

      CONRAD. Ich bin Euch zum Aufseher bestellt, nicht Ihr mir: die Wirthschaft hat sich hier gar wunderlich umgedreht.

      DER BURGVOIGT tritt auf.

      BURGVOIGT. Nun, Kinder, Leute, alles in Ordnung? – Heut Abend ist großes Fest, prächtige Versammlung hier. – Setzt die großen Pokale auf, so will es unsre Hausfrau. – Du, Franz, sollst noch nach einigen Gästen reiten, der Leopold von Wildenberg soll noch gebeten werden, er ist gestern erst auf sein Schloß drüben angekommen.

      FRANZ ab.

      BURGVOIGT. Tummle Dich, Georg, in den Keller!– Ich habe noch tausend Sachen zu besorgen. – ab mit Georg.

      CONRAD. Ein herrlicher Burgvoigt! Der nur für die Weine sorgt und alles übrige gehn läßt, wie es nur selber Lust hat. – O mein guter alter Herr! mit dem ich so manches Leid, so manche Freud' ertragen! wo bist Du? soll Dich mein Auge nicht noch einmal vor meinem Tode sehn? Und wenn Du nun kömmst und findest alles so verwandelt! – Dein Bild hängt hier über der Tafel und sieht den Unfug mit an! Trauerlieder sollten durch die Hallen summen und Pokale werden klingen. ab.

      REINHARD und MATHILDE.

      MATHILDE. Unserm heutigen Feste hättest Du noch beiwohnen sollen.

      REINHARD. Ich kann nicht, denn ich fürchte schon jetzt zu spät zum Thurniere zu kommen. Jeder Ton, den ich höre, klingt mir wie ein ferner Trompetenruf, ich habe schon zu lange geweilt.

      MATHILDE. Kömmst Du zurück, wenn das Thurnier geendigt ist?

      REINHARD. Ich weiß es wahrlich nicht, denn Leopold von Wildenberg hat mich schon seit lange mit zwei andern Gesellen auf sein Schloß beschieden, und ich freue mich ihn kennen zu lernen.

      MATHILDE. Du sahst ihn nie?

      REINHARD. Nur mal in der Ferne, aber ich habe ihn nie gesprochen; daß er heut zu Eurem Feste gebeten ist, ist die einzige Ursach, daß ich ungern fortreite. Was hört man nicht alles von dem Manne!

      MATHILDE. Tapfer soll er sein.

      REINHARD. Wie der heilige Georg, alle Frauen mögen ihn auch deswegen gern. Schön ist er nicht, denn Narben in Schlachten und in Zweikämpfen erhalten, entstellen sein Gesicht, aber wenn man ihn sieht, so fühlt man recht in der Brust, was das Wort Mann zu bedeuten hat.

      MATHILDE. Aber er ist doch immer wild und unbändig.

      REINHARD. Nicht wahr, Mutter, weil er nicht auf den Klang der Minnelieder hört, oder noch kein Weib genommen hat? Darin sind sich die Frauen doch alle gleich, sie trauen keinem recht, der nicht getraut ist, oder wenigstens von einer Braut etwas zu sagen weiß.

      MATHILDE. Du scheinst Dir ihn schon jetzt zum Muster genommen zu haben?

      REINHARD. Würdet Ihr mich darum schelten?

      MATHILDE. O ja, denn man erzählt auch viel von Jungfrauen, die er verführt, und von manchen andern wilden Thaten, die er verübt hat.

      REINHARD. Darüber seid unbesorgt, denn bis jetzt ist mir mein Streitroß immer noch schöner vorgekommen, als jedes weibliche Geschöpf, das ich sah. – Aber lebt wohl, wir verderben hier die Zeit mit Schwatzen.

      MATHILDE, umarmt ihn. Viel Glück, theurer Sohn, im Thurnier, bringe mir den Preis zurück; doch ohne ein Fräulein im Herzen wirst Du ihn sicher nicht erringen.

      REINHARD. Vielleicht doch! ab.

      MATHILDE. Wie schön ihm seine Wildheit steht! – Da sprengt er schon fort! – Er wird mit den Jahren ein Muster der Ritterschaft. – Warum sind ihm viele Männer so ungleich? ab.

      (Ein Zimmer in der Burg.)

      KARL VON BERNECK und CONRAD. Karl sitzt auf einem niedrigen Fußschemmel und hört aufmerksam Conrad zu.

      KARL. Nun so fahre fort, lieber Conrad.

      CONRAD. Ach! ich kann diese Historie immer nicht ohne Thränen erzählen.

      KARL. Und ich muß weinen, wenn ich zuhöre.

      CONRAD. Oben auf dem Berge lagen nun die vier Heimonskinder, und waren von einer großen Macht belagert. Ritsart lag schwer verwundet und konnte sich nicht aufrichten, Adelhart und Writsart auf ihren Knieen und flehten zum barmherzigen Gott um Rettung und Hülfe, nur der starke Reinold war noch wacker und munter und hielt den Feind von dem steilen Berge zurück, indem er große Felsensteine hinunter warf. So verging ein Tag und eine lange Nacht und keine Hülfe war sichtbar. Auch der mächtige Reinold war schon ermüdet und alle Brüder waren in ihren Herzen tief betrübt, so daß sie endlich beschlossen, sich zu ergeben und zu sterben. Indem gewahrt Reinold in der Morgensonne einen fernen Reiter und verkündigt's seinen Brüdern; ach! theure Brüder! rief er aus, ich erkenne mein Roß Bayart und meinen Vetter Malegys. – Da erhoben sich Writsart und Adelhart von den Knieen und sahen hin, und erkannten ebenfalls das Roß und seinen Reiter. Da wurden sie voll Muths und jauchzten und dankten Gott dem Herrn. Ritsart der alles gehört hatte, sagte: meine lieben Brüder, ich bin so schwer verwundet, daß ich mich nicht durch eigene Kraft auf meine Beine stellen kann, ich bitte Euch, Ihr wollet mir aufhelfen, damit ich doch auch zu meinem Troste das Roß Bayart gewahr werde. Da hoben sie ihn auf und hielten ihn brüderlich in ihre Arme, und er sah ebenfalls das Roß Bayart; worauf er sagte: Ach! mich dünkt, ich bin nun schon ganz gesund und von allen meinen Wunden genesen, seitdem ich dieses gute Roß gesehn. – Bayart aber machte große Sprünge, um zu seinem Herrn Reinold zu kommen, es warf mit einem gewaltigen Stoß den Malegys ab, senkte dann vor Reinhold seine Kniee und ließ ihn aufsteigen. – Nun wurden sie durch ihre Tapferkeit aus dieser bedrängten Lage gerettet.

      KARL. Laß es gut sein, lieber Conrad, erzähle auf ein andermal den Erfolg dieser Geschichte, die mir so lieb ist. Ist mein Bruder schon zum Thurnier geritten?

      CONRAD. Ja.

      KARL. Mich dünkt, die Welt ist, so wie es in ihr zugeht, nicht gut eingerichtet.

      CONRAD. Ihr seid immer so bekümmert, Junker; sagt mir was ist Euch? Wollt Ihr Eure Jugend schon so durch Gram trüben?

      KARL. Und warum soll ich nicht jetzt eben so gut, wie im Alter ernsthaft seyn? – Es giebt Menschen, die dazu ausgelesen sind, nur die schwarzen Tage, die das Schicksal in die Welt fallen läßt, zu erleben, und ich bin gewiß einer von diesen.

      CONRAD. Ei! warum nicht gar!

      KARL. Sieh nur die Heldengeschichten durch. Wie viele Menschen sind bloß dazu, den Einen zu verherrlichen, den Einen Hervorragenden groß zu machen; Es muß auch diese untergeordneten Geister geben und ihrer müssen mehr sein, als der andern.

      CONRAD. Das ist wahr; aber es ist mir wahrlich noch niemals bei einer Heldengeschichte eingefallen.

      KARL. Es ist mein erster Gedanke, wenn ich so höre, wie viele Reinold in dem Gefechte, oder in jenem erschlug, unter denen gewiß viele edle wackre Männer und Jünglinge waren, die vielleicht einst seine vertrautesten Freunde und Genossen hätten werden können. Alle diese sind als eine fast unnütze Zugabe in die Welt geworfen, wie die überflüssigen Früchte fallen sie vom Baume, ehe sie reif sind. Und warum soll ich nicht einer von diesen sein?

      CONRAD. Ach, liebster Junker, betrübt mich nicht durch diese Gedanken.

      KARL. Ich bin bange, in der Welt weiter zu leben. – Wurde dem guten Rosse Bayart nicht auch mit dem schnödesten Undanke vergolten? Mußte es nicht in den Wellen umkommen, damit sein Herr sich nur mit dem Könige versöhnen konnte? Darum muß ich immer schon in der Mitte dieses Kindermährchens weinen, weil mir der Ausgang schon vor Augen schwebt.

      CONRAD. Ach, ich sehe wohl, Ihr habt ein gar nachdenkliches Gemüth, und das taugt für dieses Leben nicht.

      KARL. Sage mir, warum bin ich nicht Ritter, wie mein Bruder, da er doch nur Ein Jahr älter ist, als ich? Warum darf ich kein Thurnier besuchen? Warum

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