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Alle meine Wünsche gehn mit Dir, guter Rudolph. Verfüge Dich dann sogleich nach meinem Schlosse, und bringe meiner Gattin und meinen Kindern Nachricht von mir; erzähle ihr, wie ich tausendmal unter den Säbeln der Ungläubigen dem Tode ausgesetzt war, wie auf der Hinreise nach dem gelobten Lande mich Beschwer und Gefahr verfolgten, wie wir noch jetzt beim Landen einem Sturme nur so eben entronnen sind, und wie ich, wenige Wochen nach Dir, sie alle auf Berneck zu umarmen gedenke.

      RUDOLPH. Und dann besuch' ich Euch auf Eurem Schlosse, und wir feiern dann bei einem fröhlichen Gelage das Andenken der Vergangenheit.

      WALTHER. Wenn Gott uns diese Freude vergönnt, ja! denn Rudolph, ich habe gefunden, daß man in dieser Welt auf nichts gewiß hoffen darf, wenn man nicht verzweifeln will; es ist mit dem Leben wie mit der Saat; alle Körner gehn nicht auf, und wenn nur kein Mißwachs daraus entsteht, müssen wir schon die Hände aufheben und Gott danken.

      RUDOLPH. Ihr seid alt, Ihr dürft schon so sprechen, aber für mich, den Jüngling, ist der Gedanke niederschlagend!

      WALTHER. Auch Du wirst Mann, wirst Greis werden, das heißt, Du wirst von Deinen Erwartungen nach und nach immer mehr abziehn, bis Dir am Ende nichts übrig bleibt, als die Hoffnung auf ein ruhiges und seliges Ende.

      RUDOLPH. Warum leben wir dann aber, und mühen uns so ab?

      WALTHER. Weil es so sein muß, und weil wir dazu keine Gründe verlangen. – Aber geh, sonst möchte Dir das Geschwätz und die Lehre eines Greises eben so verdrießlich fallen, als jenem Manne dort, der es nicht unterlassen konnte, auf mich zu schmählen, indem der Himmel drohte und die empörte Meeresfluth schalt. – Bei Gott! es sind die Zeiten gekommen, in denen das Alter verachtet wird; jeder Knabe, der einen Bart an seinem Kinne fühlt, darf trotzig die Erfahrungen des Mannes verspotten, weil seine Zunge gewandter und sein Arm vielleicht stärker ist. – Ich habe diesen Heinrich von Orla fast erzogen, er sah an meiner Seite sein erstes Thurnier, und jetzt darf er mir nun so frech widersprechen, mit andern über meine Gebrechen zischeln und lachen. –

      HEINRICH. Ihr verkennt mich! bei Gott! Ihr verkennt mich.

      WALTHER. Mag sein, aber Ihr habt mich auch verkannt, Ihr habt Euch selbst verkannt. Heftigkeit ist nicht immer ein Zeichen des Muthes und der Großherzigkeit; wer sich so sehr gegen das Alter vergessen kann, mag bei einer andern Gelegenheit auch seiner anderen Ritterpflichten vergessen.

      HEINRICH. Ritter Walther, keiner, als Ihr, dürfte mir ein solches Wort bieten.

      WALTHER. Willst Du etwa, daß wir unsern Zwist mit dem Degen ausmachen?

      RUDOLPH. Ich bitt' Euch, laßt mich nicht von Euch scheiden, ehe ich Euch nicht wieder beruhigt, nicht wieder Freunde sehe.

      HEINRICH. Ich gebe Euch mein Wort, ich bin beruhigt. – Meine Ungeduld übereilte mich, als Walther mitten im Sturm, indem wir schon das Land sahen und noch nicht landen konnten, als Wellengeräusch mein Ohr erfüllte und die Winde mich betäubten, als er da von Muth und Gelassenheit sprach, indem noch keiner den Muth verloren hatte, als er sich mit dem Ungewitter verband, meine Ungeduld zu vermehren. – Aber es ist vorüber. –

      RUDOLPH. Gewiß?

      HEINRICH. Bei meiner Ritterehre!

      RUDOLPH. Nun so lebt wohl, recht wohl: in Deutschland sehn wir uns bald und freudig wieder. Geht ab.

      WALTHER. Ungeduld? – Ungeduld! – Als ich ein Jüngling war –

      HEINRICH, der auf ihn zugeht und seine Hand ergreift. Vergebt mir, seht, ich bitte Euch darum, als ein Beschämter, ein Ueberführter, ich gesteh' es, ich war zu rasch! – Seid Ihr nun zufrieden?

      WALTHER. O Heinrich! wüßtest Du, was in meiner Seele liegt! –

      HEINRICH. Ihr seid gerührt, alter Mann. – O Ihr habt Recht, ich bin ein unbesonnener Knabe. – Vergebt mir, seht, ich schämte mich nur vorher, gleich meine Reue so baar und offen zu zeigen; o betrachtet mich wieder einmal als Euren Sohn und versöhnt Euch mit mir von Herzen.

      WALTHER, der ihn umarmt. O Heinrich, Du weißt nicht, und ich kann es Dir nicht sagen, wie mir war, als ich Europa wieder sah. Wie ein nüchternes Erwachen blies mir der Wind vom Lande her entgegen, alle trübsten Zeiten, die ich je erlebt, und nun schon längst vergessen hatte, kamen in mein Gemüth zurück. – Glaube mir, ich war nie glücklich, und diese Ueberzeugung faßte mich jetzt so schrecklich an.

      HEINRICH. Ihr seid von Euren Wunden noch nicht ganz genesen.

      WALTHER. Nein, Heinrich, es ist nicht das. – O wenn ich dazu aufgelegt wäre, könnte ich Dir alte Mährchen erzählen, die ich in manchen Stunden nur zu sehr glauben muß. – Jedem von unserm Stamme ist ein alter unversöhnlicher Fluch mitgegeben, der magnetisch nicht von uns läßt. – Ihn erkenn' ich in jedem Ungewitter, in jeder Krankheit wieder; kömmt mir ein blasses Gesicht entgegen, so zittre ich schon im voraus wegen der entsetzlichen Neuigkeit, die ich vernehmen soll. Die Trübseligkeit geht mir nach wie mein Schatten, und erbt vom Vater auf den Sohn, und keiner wird vielleicht diesen schwarzen Stein aus seinem Wege wälzen.

      HEINRICH. Ihr erhitzt Euch.

      WALTHER. Da komm ich nun aus dem gelobten Lande zurück, und alles was ich that und litt, das ganze Gedränge trüber Tage liegt wie ein albernes Mährchen da, wie die Abendlüge eines Minnesängers. Wem hat unser Zug genutzt und wem nicht geschadet? Die Engel haben mit Lächeln auf unsern kindischen Eifer herabgesehn, und uns nicht durch Glück in unsrer Thorheit bestärken wollen. – Und nun kehren wir zurück –

      HEINRICH. Und die Freuden des Vaterlandes warten auf Euch.

      WALTHER. Freuden? – Eben das war es, daß mir jeder Baum, jeder Berg und jede ziehende Wolke zu verkündigen scheint, daß ich vergeblich auf so etwas warte. Mir ist wie in einem fest verschlossenen Kerker, in dem ich den Klang der frohen Welt nur aus einer tiefen Ferne höre. Ich kann nicht sagen, daß ich mich drauf freue, mein Weib und meine Kinder wiederzusehn.

      HEINRICH. Die Melankolie trübt Euch selbst die heitersten Aussichten.

      WALTHER. Ach! Ihr versteht mich nicht, und ich könnte fast von neuem darüber zornig werden. – Alles dies Gefühl sonderte mich von den übrigen im Schiffe ab, die sich auf Verwandte und Vaterland freueten, daß ich ihre Ungeduld im Sturme durch meine stillern Gedanken zu sänftigen suchte. – Denn was wäre es denn mehr gewesen, wenn uns die Fluth verschlungen hätte?

      HEINRICH. So traurig habe ich Euch noch nie gesehn.

      WALTHER. Ihr geht nun zum heiligen Jago von Campostella?

      HEINRICH. Ja, ein unerfülltes Gelübde meines verstorbenen Vaters treibt mich dorthin.. – Aber vergönnt, daß ich Eurer noch pflege.

      WALTHER. Nein, mein Sohn, Du mußt fort; Du scheinst den Werth eines Gelübdes nicht zu kennen.

      HEINRICH. Ihr habt gemacht, daß mir jedes Geschäft, das wir uns vorsetzen, unnütz und thöricht erscheint.

      WALTHER. Nein, Du mußt fort.

      HEINRICH. Wenn man so über Bestimmung und Thätigkeit denkt, möchte man verzweifeln.

      WALTHER. Man soll eben nicht denken, und die Menschen verzweifeln auch daran nicht.

      HEINRICH. Ob wohl meine Schwester noch lebt? –

      WALTHER. Nun, Ihr reiset. – Lebt wohl! –

      HEINRICH. Kommt, ich will wenigstens noch ein Stündlein in jener Herberge mich zu Euch setzen, ich will Euch noch einmal recht in's Auge fassen, denn wer weiß, ob wir uns wiedersehn. – (sie gehn Arm in Arm ab. Saal auf der Burg Berneck.)

      CONRAD. GEORG und FRANZ. Knappen.

      FRANZ. Ei, Du bist auch gar zu pünktlich.

      GEORG. Freilich!

      CONRAD. Wenn Ihr Euren Dienst ordentlich und redlich verrichten wollt, so könnt ihr nicht zu pünktlich sein. – Dich, Franz, hab' ich immer ungern hier im Schlosse gesehn, weil Du jeden neuen Knappen, der hier anzieht, verdirbst.

      FRANZ. Ich? – Nun da bist Du alter Bär doch

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