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DER HÖLLENEXPRESS. Christopher Fowler
Читать онлайн.Название DER HÖLLENEXPRESS
Год выпуска 0
isbn 9783958350274
Автор произведения Christopher Fowler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Alle außer dir, Ivan«, lachte Karek, der immer Probleme hatte, den Gesprächen zu folgen. Ivan holte aus und traf Karek am Ohr.
»Warum hast du das getan?« Karek hielt sein Ohr wie ein gescholtenes Kind.
»Isabella hebt sich für mich auf«, versicherte Josef seinen Kumpanen.
»Diese alte Leier?«, spottete Ivan. »Glaubst du wirklich daran? Hast du gesehen, wie sie den feinen Herrn aus der Stadt angeguckt hat?« Er schlug seinem Freund auf die Schulter. Isabella stand ein paar Schritte entfernt und lauschte.
»Heirate sie schnell und mach ihr ein Dutzend Babys«, riet Ivan. »Dann wird niemand einen zweiten Blick auf sie werfen. Vor allem nicht, wenn ihr die Brüste bis zum Bauchnabel herunterhängen.« Er schlürfte sein Bier und brüllte vor Lachen.
»Sie wird eine gute Mutter sein«, verkündete Josef.
»Vielleicht«, sagte Ivan. »Aber die Armee wird bald hier eintreffen. Und bei einem Mädchen wie ihr werden die Soldaten zu Tieren.«
»Ich werde sie schützen.«
»Das wird nicht ausreichen. Du musst sie entjungfern«, antwortete Ivan. »Sag ihnen, dass sie eine Krankheit hat. Verunstalte ihr Gesicht. Sorge dafür, dass die Männer sie meiden. Du musst etwas tun, damit man sie nicht zweimal ansieht. Hier, nimm das. Und tue es bald.« Er zog ein gefährlich aussehendes Rasiermesser aus seinem Ledergürtel.
Isabellas Zweifel wurden in diesem Moment übermächtig. Sie überließ die nassen Biergläser ihrem Schicksal und eilte hinter den Schanktisch, wo sie ihre Schürze ablegte.
»Warte, Isabella«, rief Josef, der wusste, dass Ivan diesmal zu weit gegangen war.
»Das Fass muss gewechselt werden«, sagte ihr Vater.
Sie blickte ihm trotzig in die Augen. »Ich werde nur ein paar Minuten weg sein.« Sie ging zur Hintertür, musste aber feststellen, dass sie abgesperrt war. Die Schlüssel befanden sich in der Lederschürze ihres Vaters. Sie ging zur Theke zurück, schlich sich hinter ihren Vater und zog vorsichtig den Schlüsselbund aus seiner Tasche. Dann rannte sie zur Tür.
Isabella trug keine Jacke, wollte aber auch nicht riskieren, sich eine aus ihrem Zimmer zu holen. Sie flitzte in den Hof, wo sie abrupt stehenblieb, weil sie fürchtete, dass man ihr folgte. Sie drehte sich um und blickte durch das Fenster ins Innere der Schenke, wo Ivan und Karek gerade mit Josef anstießen. Sie hatten sie bereits vergessen.
Sie rannte zum Restaurant.
Dort fand sie Nicholas vor einem Teller mit einem gebratenen, in Scheiben geschnittenen Schweinskopf sitzend und ließ sich neben ihm nieder. Der Kellner erkannte, dass er Zeuge einer heimlichen Verabredung war, goss Isabella ein Glas Rotwein ein und entfernte sich dann diskret, um das weitere Geschehen aus seinen Augenwinkeln zu beobachten.
»Du bist gekommen.« Nicholas konnte sich gerade noch davon abhalten, sie zu küssen.
»Ich muss verschwinden.« Isabella sah verängstigt aus. »Sie haben davon gesprochen, mir das Gesicht zu zerschneiden. Damit die Soldaten nicht …«
»Hör mir zu, Isabella. Ein Teil deines Landes hat sich mit dem Feind verbündet. Sehr bald wird es unmöglich sein zu entscheiden, wem man trauen kann. Du wirst hier nicht sicher sein, wenn die Soldaten eintreffen.«
»Sie wollen, dass ich Josefs Kinder bekomme, weil er einen Direktionsposten bei der Eisengießerei erben wird. Sie ist das Herzblut der Stadt.« Sie warf einen langen, sehnsüchtigen Blick auf das Poster an der Wand, das für Zugreisen Reklame machte. »Ich habe London in Büchern gesehen«, vertraute sie ihm an. »Und ich war in meinen Träumen dort.«
»Du kannst morgen schon wirklich dort sein. Ich zahle dein Zugticket.« Sie zögerte, aber er rückte näher an sie heran. »Warum nicht? Was hast du denn zu verlieren?«
»Ich bin so verwirrt.« Sie berührte das Kreuz an ihrem Hals und fühlte sich, als ob sie sich rechtfertigen und sich für ihre eigene Unschuld schämen müsste. »Ich soll doch einen Mann aus unserer Stadt heiraten, wie alle Mädchen hier.«
»Bist du sicher, dass es das ist, was du dir vom Leben wünschst?«
Sie beobachteten durch das Fenster, wie draußen ein betrunkener Einheimischer vorbeiwankte und seiner dicken Frau an den fetten Hintern griff.
»Josef ist ein guter Mann.«
»Aber dein Vater hat ihn gewählt, nicht du.«
»Nein, darum geht es nicht …«
»Dann komm mit nach London.«
»Sie würden mir das nie erlauben.«
»Die Gelegenheit ist kein Dauergast, Isabella. Eine Möglichkeit wie diese kommt vielleicht nie wieder. Du wirst niemals wissen, was geworden wäre.«
Isabella blickte wieder auf das gerahmte Bild des Zuges an der Wand. Sie konnte ihr Spiegelbild über den Zug gelegt sehen. Ihr ganzes Leben lang war sie von Bildern des Reisens umgeben gewesen. Nicholas nutzte ihre Unsicherheit.
»Mit jeder Minute kommt die Gefahr näher. Schau dich an – was werden die Soldaten sehen? Ein Vergnügen, das man sich nimmt und dann wegwirft. Das Leben verläuft nicht auf einem Schienenstrang so wie deine Züge. Jetzt ist vielleicht der einzige Moment in deinem Leben gekommen, an dem du eine Wahl treffen kannst. Du bist frei und kannst gehen, wohin auch immer du willst, wenn du …«
»Was?«
»… an die Kraft der Liebe glaubst.«
Die Gunst des Augenblicks nutzend, zog Nicholas ihr Gesicht an sich heran und küsste sie; ein langes, nachhaltiges Treffen der Münder. Sie hatte die Mädchen und ihre Bauernburschen beim Stadtfest beobachtet, aber das hier war eine andere Art von Kuss, anders als die keusche, pflichtbewusste Art wie Josef küsste; es fühlte sich gewagt und feurig an.
Aber sie war diejenige, die den Kuss beendete. Der Pfarrer sagte, dass sich alle Mädchen zwischen der Verdammnis und dem Paradies entscheiden mussten. Mädchen, die einem Mann versprochen waren und mit einem anderen herummachten, würden in der Hölle landen. Aber sie war neugierig darauf, den anderen Pfad ihres Lebens zu sehen, zu wissen, was noch sein könnte. Während die anderen Mädchen kaum über ihr Schicksal nachdachten, war Isabellas größte Schwäche schon immer ihre Neugier gewesen.
»Bitte, Isabella, ich will es für dich.«
»Siehst du denn nicht? Das ist Wahnsinn.«
»Nein, der Krieg ist Wahnsinn, und es ist die einzig vernünftige Antwort für dich.« Nicholas glaubte selbst, was er sagte, auch wenn es nicht das erste Mal war, dass er solche Sätze zu einem Provinzmädchen sagte.
»Ich kann nicht einfach alles zurücklassen und mit dir gehen.«
»Es ist nur die Angst, die dich hier hält, Isabella. Die Angst vor dem Unbekannten. Du musst die Gelegenheit beim Schopf packen.« Er küsste sie noch einmal und berührte ihre Zunge mit der seinen. »Flüchte mit mir. Wir packen unsere Sachen und nehmen den Zug um Mitternacht.«
»Aber mein Vater …«
»Jetzt sind sie bestimmt schon alle betrunken. Ich werde dir die Welt zu Füßen legen. Sag ja.« Er küsste sie ein drittes Mal, noch intensiver als zuvor, und sie fühlte, wie sie unter seinen Bann geriet. Eine neue Welt öffnete sich zu ihren Füßen, und sie war willens, den Sprung zu wagen.
»Ja«, hörte sie sich selbst sagen. »Ich kenne einen Weg.«
Die Warnung
Auf dem Bahnsteig hing noch der beißende Kohlenrauch des gerade ausgefahrenen Zuges in der Luft. Ein junges Paar in englischer Reisekleidung, einem Stil, der sich vor allem durch ungleichmäßig breite Streifen auszeichnete, stand neben seinem Gepäck, zu dem auch Schläger für Tennis, Federball und Kricket zählten. Es grenzte