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DER HÖLLENEXPRESS. Christopher Fowler
Читать онлайн.Название DER HÖLLENEXPRESS
Год выпуска 0
isbn 9783958350274
Автор произведения Christopher Fowler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Geh in dein Zimmer und pack deinen Koffer«, sagte Nicholas. »Ich brauch ein paar Sachen. Mach so schnell du kannst. Wir treffen uns draußen.«
Isabella rannte leichtfüßig die Treppe hoch, eilte in ihr Zimmer und stopfte ein paar unerlässliche Dinge in die alte Reisetasche ihrer Mutter. Als sie aus dem Fenster blickte, sah sie, wie Ivan und Josef auf den Hof des Gasthofes hinausstürzten. Isabella blies ihre Kerze aus und ging die Treppe hinab durch die Hintertür auf die Gasse neben dem Gebäude.
Vor seinem Zimmer erstarrte Nicholas zu Eis, als die Dielenbretter knarrten. Er lauschte angestrengt, aber als von unten nichts zu hören war, begab er sich in das Zimmer. Leise und schnell, mit einer Geschicktheit, die reichlich Erfahrung verriet, schnappte er sich seinen Koffer und das zusammengebundene Bündel Geldscheine, das er unter der Matratze versteckt hatte. Umständlich seitwärts gehend begab er sich die Treppe hinab.
Am Fuße der Treppe warteten der Wirt und seine Männer auf ihn. Die Gastwirte Osteuropas hatten ein scharfes Auge für Männer, die sich heimlich aus dem Staub machen wollten. »Wohin willst du denn, mein Freund?«, fragte Isabellas Vater, während er mit einem dicken Stock auf seine Handfläche schlug.
Isabella musste hilflos durch das Fenster mit ansehen, wie Nicholas von den Trinkern zurück in den Schankraum gezerrt und gezwungen wurde, sich auf einem Stuhl vor dem Kaminfeuer niederzulassen. Er war von wütenden Einheimischen umgeben, die ihn nicht für einen Moment aus den Augen ließen.
Nicholas überdachte seine Möglichkeiten. Um die Wahrheit zu sagen, er hatte schon in heikleren Situationen gesteckt. Zum Beispiel damals in Valencia, die Sache mit der Tochter des Bürgermeisters, als sie ihm fast die Finger abgeschnitten hätten. Aber die Tür war zu weit weg, um blitzartig die Flucht antreten zu können. Die Männer in der Schenke würden ihm niemals gestatten zu verschwinden.
»Jetzt ist keine Zeit für so etwas«, warnte er. Er versuchte sich zu erheben, wurde aber auf den Stuhl zurückgedrückt. »Der Feind ist bereits in der Stadt.«
»Wessen Feind?«, fragte der Wirt. »Nicht unserer. Diese Stadt wurde durch die Eisenbahn gebaut. Unsere Familien wurden durch Eisen und Feuer groß. Unsere Männer sind Ingenieure und Metallarbeiter, und unsere Frauen werden Ehefrauen und Mütter. Sie sind keine billige Unterhaltung für gelangweilte feine Herren.« Er hatte Rotwein in einem Eisenbecher im offenen Kaminfeuer erhitzt. Der Wein kochte.
»Und ihr würdet zulassen, dass Isabella vergewaltigt wird, um euch selbst zu retten.«
»Zeigen wir dem Fremden unsere Gastfreundlichkeit. Schenkt ihm ein, Jungs.« Zwei der am kräftigsten aussehenden Burschen in der Gaststube packten Nicholas und zwangen ihn dazu, den Mund zu öffnen. Der eiserne Weinbecher im Feuer war rotglühend, in ihm brodelte es wild. Der Wirt zog einen dreibeinigen Hocker heran und setzte sich vor Nicholas hin. Vielleicht, schoss es Nicholas durch den Kopf, ist die Situation doch schlimmer als in Valencia. Er wand sich und drehte den Kopf zur Seite.
Draußen beobachtete Isabella das Geschehen entsetzt, unfähig einzugreifen. Sie war schockiert von der Grausamkeit der Männer, die sie ihr ganzes Leben gekannt hatte, Männer, die sie zumindest geglaubt hatte zu kennen. Was sie mit ansehen musste, festigte nur ihre Entschlossenheit zu gehen. Aber es gab nichts, was sie nun tun konnte, um Nicholas zu retten.
Der Wirt langte mit einer Greifzange in das Feuer und nahm den Eisenbecher heraus, um den glühenden Kelch vorsichtig über Nicholas’ geöffneten Mund zu heben. Nachdem er ihn ganz nahe an das nach oben gewandte Gesicht des feinen englischen Herrn gebracht hatte, fing er an, ihn zu kippen. Ein zäher alter Bauer hielt Nicolas’ Arme an den Seiten seines Körpers fest.
So kräftig zutretend, wie er nur konnte, stieß Nicholas den fetten Wirt von seinem Hocker, wobei sich der kochend heiße Inhalt des Bechers in die Augen des Bauern ergoss. Der Bauer brüllte geblendet auf und fiel nach hinten. Der Becher landete auf seiner Stirn und verbrannte ihm die Haut. Nicholas ergriff die Gunst des Augenblicks, um sein Heil in der Flucht zu suchen. Er packte den Wirt und schubste ihn in das Feuer, wo seine Haare Feuer fingen.
Nicholas stürmte zur Tür und rammte sie auf. Isabellas Hand ergreifend, floh er von dem Gasthaus, während die anderen sie verfolgten.
Die beiden rannten, so schnell sie konnten. Isabella zog Nicholas zur Seite, als Ivan und Josef um die Ecke eines Gebäudes gehetzt kamen und blindlings an ihnen vorbeistürmten.
Die Straßen waren dunkel und leer, ein Segen und ein Fluch gleichermaßen. Als sie die äußere Stadtmauer erreichten, sahen sie, dass ein Trupp schmutziger Soldaten damit begonnen hatte, durch das offene Tor hereinzuströmen.
»Es gibt nur eine Straße in und aus der Stadt«, warnte Isabella. »Wenn wir überleben wollen, müssen wir uns durch die Felder schlagen.«
Von Panik erfasst rannte sie noch schneller, eng gefolgt von Nicholas.
In der Halbdunkelheit vor ihnen konnte Nicholas Reihen nach oben stehender Marmortafeln erkennen, die auf den grasbewachsenen Hügelchen wie verrottete Zähne aussahen. »Ist das ein Friedhof?«
»Ja. Wir müssen ihn durchqueren, um zum Bahnhof zu gelangen. Von dort aus können wir den Schienen folgen, um von der Stadt wegzukommen. Das ist der schnellste Weg.«
Während sie in Richtung des schartigen Feldes der Leichen flohen, kamen ihre Verfolger näher. Nicholas wusste, dass sie ihr Gepäck langsamer machte, aber er konnte unmöglich ohne seine Sachen reisen.
Ivan und Josef waren kräftige Burschen vom Land und holten schnell auf. Dann stolperte Isabella, fiel hin und zog ihn hinab in das Gras.
Ein paar Augenblicke später wurde das flüchtende Paar von seinen Verfolgern eingeholt.
Der Zug
Thomas und Miranda hatten gesehen, wie die Fackeln der heranrückenden Armee im Wald flackerten, und waren von Panik ergriffen worden.
Miranda rang die Hände und ging auf dem Bahnsteig auf und ab. In England nahm sie das Heft in die Hand, egal, in welcher Situation sie sich befand. Hier war das unmöglich. Sie hatte sich noch nie so machtlos gefühlt. »Wir haben nicht die richtigen Papiere«, jammerte sie. »Sie werden sehen, dass wir Engländer sind.«
»Wir müssen zu Gott beten«, meinte Thomas.
»Ist das deine einzige Antwort? Es ist zu spät zum Beten«.
»Das ist Gotteslästerung, Miranda. Wir sind alle Kinder Gottes. Die Kriegskonventionen verlangen, dass man uns gefangen nimmt, uns aber nichts tut. Uns wird kein Leid zugefügt werden.«
»Und das ist es dann, oder? Jämmerliches Aufgeben? Betteln um Milde?« Miranda baute sich vor ihrem Gatten auf. »Ich verstehe nicht, wie du so etwas sagen kannst, wo du doch genau weißt, dass die Mittelmächte den Verhaltenskodex der Alliierten nicht befolgen. Die Zeitungen sind trotz der Zensur voll mit nichts Anderem.« Der Pazifismus ihres Ehemanns machte sie zunehmend wütend. Die Welt versank mit rasender Geschwindigkeit in einer glühend heißen Grube, und alles, was sie zu hören bekam, war der feuchte Nieselregen der Beschwichtigung. Warum setzten die Schwachen ihre Hoffnungen immer auf das Mitleid?
Aber Thomas hörte ihr nicht länger zu. Sie hatte dieses Verhalten schon so oft beobachten müssen: Er verschloss einfach die Ohren vor dem, was ihm nicht gefiel. Mit jedem Tag ihrer Ehe verlor sie an Gottesfürchtigkeit. Wenn Gott wirklich durch die Menschen sprechen wollte, dann war sie sicher, dass er keinesfalls Thomas als sein Sprachrohr wählen würde.
Etwas ließ sie aufhorchen. Die Schienen fingen an zu summen, zuerst leise, dann etwas lauter.
»Da kommt etwas«, sagte sie.
***
Isabella versuchte sich aus Ivans Griff zu lösen. Nicholas wehrte sich gegen seine Angreifer und verpasste dem ersten Mann, der ihn berührte, eine rechte Gerade auf die Nase nach den Queensberry-Regeln, nur um im Gegenzug einen kräftigen Tritt verpasst zu bekommen.
Nun näherte