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herein,« sagte Hoffmann. Er hatte seine Ruhe bereits wiedergefunden und sah nun gespannt dem Kommenden entgegen.

      Dekker trat ein, sehr elegant, den Stock mit silberner Krücke lose am Arm hängend, mit einem dunkeln, einfachen, aber vornehmen geschnittenen Paletot, auf dem Kopf den frisch gebügelten, glänzenden Zylinder.

      »Ich glaube, das Vergnügen mit Herrn Kriminalkommissar Hoffmann zu haben.«

      ›Daß das gar so ein großes Vergnügen sein wird, bezweifle ich,‹ dachte Hoffmann bei sich.

      »Mein Name ist Dekker,« sagte da der Eingetretene, ehe Hoffmann noch etwas bemerken konnte.

      Dekker stellte seinen Zylinder auf einen Stuhl und zog einen Handschuh aus.

      »Ich erfuhr nämlich,« fuhr er mit größter Seelenruhe, fast mit etwas Sarkasmus in der Stimme fort, »daß ich steckbrieflich verfolgt werde und möchte Ihnen den Aufwand gern das etwas erleichtern. Ich komme mich erkundigen, was gegen mich vorliegt.«

      Im ersten Augenblick war Hoffmann von dieser Art zu reden, perplex. War das Unverschämtheit? Er faßte sich aber schnell und antwortete im selben Ton:

      »Ach, eine Kleinigkeit – nur ein schwerer Diebstahl in der Eisenbahn.«

      »So? – Und wie wollen Sie mir das eventuell beweisen?« fragte er und sah Hoffmann durchdringend an.

      »Ich habe Ihnen eigentlich nicht Antwort zu stehen,« erwiderte der, »aber da Sie so liebenswürdig waren, mich persönlich aufzusuchen, will ich mich erkenntlich zeigen.«

      Dekker verneigte sich leicht.

      »Also, Herr Dekker, machen wir uns nichts gegenseitig vor. Sie wissen ganz genau, daß Sie schwer verdächtig sind, den Diamanten, der aus der Erbschaft Ihres Verwandten stammt und der von zwei Angestellten einer Amsterdamer Firma hierher befördert werden sollte, auf der Bahn gestohlen zu haben. Die Diebstahlsaffäre haben Sie ja vom anderen Erben sowohl als vom Rechtsanwalt des Verstorbenen bereits gehört.«

      »Nun ja – aber ich sehe noch immer nicht ein, warum ich den Stein gestohlen haben muß?«

      »Sie sind im selben Zuge gefahren – Sie haben ein außerordentlich starkes Interesse an der Sache, Sie bewiesen das in einer Äußerung Ihrer Amsterdamer Wirtin gegenüber, der Sie sagten: ›Die Erbschaft muß ich haben, koste es, was es wolle‹, Sie waren mit dem einen Angestellten bekannt und wußten vermutlich von dem Transport, ferner, dessen Kollege ist durch Hypnose unschädlich gemacht worden. Wir wissen, daß Sie sich mit Hypnose viel und erfolgreich beschäftigten. Ferner Ihr Benehmen hier in Berlin gab uns keinen Grund, Sie für unschuldig zu halten – –«

      »Ach, Sie meinen, daß ich damals etwas zu früh am Potsdamer Platz ausgestiegen bin – ich bitte um Verzeihung, es war unmöglich von mir, aber da ich damals steckbrieflich nicht verfolgt wurde, sah ich nicht ein, warum ich mich von Ihnen fortwährend beobachteten lassen sollte. Ich fühle mich dazu nicht verpflichtet.«

      Er lächelte zufrieden, indem er dies sagte, so daß Hoffmann sich ärgerte.

      »Und die anderen Punkte?«

      »Ich muß gestehen, daß sie mir schuld zu geben scheinen. Ich fuhr übrigens nicht allein nach Berlin, die begleitenden Personen müßten festgestellt werden können. Dann – hat man nötig, etwas zu stehlen, was man erben kann? Jedoch davon abgesehen, wenn ich den einen Angestellten unschädlich machte, mußte ich es mit dem anderen doch auch tun. Der ist aber, wie Sie wissen, schon vor Hannover aus dem Zug verschwunden.«

      »Sie sind gut orientiert,« sagte Hoffmann trocken.

      »Ja, ich interessiere mich seit einigen Tagen für den Fall – um Ihnen die richtige Antwort geben zu können.«

      »Das werden Sie vor dem Richter notwendiger haben. Und wozu haben Sie zwei Wohnungen in Amsterdam, wenn ich fragen darf?«

      »Verzeihen Sie, Herr Kommissar, das sind Privatangelegenheiten, über die ich jede Auskunft verweigere.«

      »Also, dann ist es Ihnen wohl jetzt genehm,« sagte Hoffmann mit liebenswürdigster aber doch triumphierender Miene, »daß wir abbrechen. Da ich ja doch nicht zu entscheiden und zu beurteilen habe, so muß ich unsere so angenehme Unterhaltung leider jetzt beenden.«

      »Aber das bedaure ich wirklich unendlich, Herr Kommissar,« sagte Dekker höhnisch und griff nach dem Zylinder.

      Hoffmann stand auf und sprach mit erhobener Stimme:

      »Charles Dekker, im Namen des Gesetzes erkläre ich Sie für verhaftet.«

      »Ich stehe mit Vergnügen zu Ihren Diensten, Herr Kommissar,« war Dekkers Antwort und er zog sich den zweiten Handschuh an.

      * * *

      Dekker, der bereits einige Male von Amtsrichter Becker vernommen worden war, verteidigte sich äußerst geschickt und kaltblütig. Es sprachen viele Dinge gegen ihn, aber er fand auch immer wieder in der Beweisführung eine Lücke, durch die er sich hindurchschlängelte.

      Jedenfalls fand man nichts bei ihm. Seine Sachen wurden von der Polizei beschlagnahmt, und durch Hoffmann in einer Weise visitiert, die nichts an Gründlichkeit zu wünschen übrig ließ. Dennoch fand sich nichts Verdächtiges, nichts, was auf den Diebstahl Bezug haben konnte.

      »Ich dachte mir’s ja, daß wir mit dem Burschen zu tun haben werden – dem ist so leicht nicht beizukommen,« brummte Hoffmann, als nach Erledigung all diese Vorbereitungen er wieder die Akten durchsah. Das Beweismaterial gegen Dekker war jetzt endlich zusammengetragen, es war doch eine hübsche Menge, die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage gegen Dekker bereits erhoben, und sogar der Tag der ersten Verhandlung war bereits festgesetzt.

      Hoffmann rieb sich die Hände – es war ihm, als ob er bis jetzt fortwährenden gehetzt worden wäre und nun endlich Ruhe fände. Er dehnte sich behaglich in seinem Sessel aus – ein Erfolg war doch ein wohliges Gefühl! Er griff nach der Zigarrentasche. Er hatte jetzt keine Störungen zu befürchten und wollte sich mit dem guten Kraut gewissermaßen selber belohnen.

      Doch er kam nicht so weit. Wie er die Zigarre gerade im Mund hatte, stürmte sein Kollege und Freund, der Kommissar Wiemer, herein. Er war ziemlich erregt, schien eine angenehme Neuigkeit mitzubringen.

      »Du, Mensch,« rief er, »weißt du, wen wir haben? Erinnerst du dich an den schweren Jungen, der beim Bankier Kronberg eingebrochen war? Sie haben ihn in Bremen gefaßt, den Esel! Und weißt du, wenn wir noch haben, deinen Burschen auch!«

      Hoffmann fiel die Zigarre aus dem Mund.

      »Bist du wahnsinnig?« fragte er teilnehmend.

      »Hier lies,« sagte sein stürmischer Kollege und drückte ihm etwas in die Hand.

      Hoffmann sah es durch. Es war eine Mitteilung der Bremer Polizeibehörden, daß der des Einbruchs bei dem Bankier Kronberg verdächtige Mechaniker Otto Worzinski im Hafen verhaftet worden war, kurz bevor er sich auf einem Amerikadampfer einschiffen konnte. Das gestohlene Geld war fast vollzählig vorhanden. In seinem Besitz fand man ferner die Einbruchswerkzeuge und unter seinen Papieren noch drei Pässe auf die Namen: Lucie Trömel, Franz Stahl und Ernst Heubner.

      »Nun?« triumphierte Wiemer.

      Hoffmann setzte sich wieder hin und stierte das Blatt an. War das Spuk? Am liebsten hätte er sich in den Finger gebissen, um festzustellen, ob er wache.

      »Und morgen ist der Kerl hier, dann werden wir das Weitere erfahren,« sagte noch Hoffmanns Kollege und ging zur Tür. »Also auf Wiedersehen! Das war ein guter Tag!«

      Hoffmann saß noch wie betäubt von der Nachricht da. Dann fing er an, darüber nachzudenken, wie das zugehen konnte. Auf einmal fiel ihm einen, daß zwischen den drei Pässen der eine auf einen weiblichen Namen lautete. Er ging in das Zimmer eines Kollegen und notierte sich diesen Namen. Es war doch sonderlich – die Pässe der beiden Angestellten und der einer Dame. Wenn es diejenige war, die man suchte! Mit einem Male schien es ihm so selbstverständlich, daß dies die Gesuchte sein müsse. Dann war sie doch wahrscheinlich aus Amsterdam.

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