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denn gestanden haben? Wir sind doch nicht zusammen gefahren! Ich habe sie vor der Reise mindestens drei Wochen lang nicht gesehen. Ich bin doch nicht total irrsinnig!«

      Hoffmann schwieg einen Augenblick. Die sichere Art, in der Heubner antwortete, machte ihn ein wenig unsicher. Er stellte noch alle möglichen Kreuzfragen, aber sie prallten ergebnislos an Heubner ab. Er war zu keinem Geständnis zu bewegen.

      »Wenn ich etwas gestohlen habe,« sagte endlich Heubner, »dann muß ich es doch auch haben. Sehen Sie doch bitte meine Kleider durch, sie hängen dort im Spind. Ich glaube der Schlüssel steckt. Auch meine Papiere müssen sich dort befinden.«

      Hoffmann unterzog die Kleider einer eingehenden Visitation. Aber seltsamerweise fand sich nicht nur der Diamant nicht, sondern auch sämtliche Papiere Heubners fehlten.

      »Dann sind Sie mir auf der Bahn vom Dieb gleichfalls gestohlen worden,« erklärte er.

      Auch die gefundenen Gegenstände wurden Heubner vorgewiesen. Er erkannte den Hut und das Kleid als der Dame gehörig, den Tresor bezeichnete er nach einigem Besinnen auch als den richtigen.

      »Und warum sollte ich den Tresor erbrochen haben, wenn ich die Schlüssel besaß? Mein Schlüssel fehlt, wie Sie sehen.«

      Darauf konnte der Kommissar schwer etwas erwidern, weil es ihm selbst unverständlich war. Aber er gedachte jetzt seinen Hauptcoup auszuführen.

      »Wir wissen genau, welche Rolle Sie bei dem Diebstahl gespielt haben, und wir haben auch bereits den, der Sie vermutlich dazu anstiftete. Auch Herr Dekker ist bereits festgenommen!«

      »Herr Dekker? Herr Dekker? Was hat denn der auf einmal damit zu tun?«

      Hoffmanns Mühe war völlig vergeblich. Er kam und kam nicht vorwärts trotz geschicktester Fragestellung. Heubner kam nicht in Verlegenheit. So blieb dem Kommissar nichts anderes übrig, als Heubner für verhaftet zu erklären und ihm die Eröffnung zu machen, daß er, sobald er transportfähig wäre, nach Berlin geschafft werden würde.

      Im höchsten Grade unzufrieden mit dem Resultat dieses Verhörs, verließ er das Krankenzimmer und ging in das Speisezimmer zurück, wo ihn Wohlenberg bereits erwartete. Auf dessen Gesicht lag Spannung, und er machte eine fragende Gebärde.

      »Er ist von einer unglaublichen Hartnäckigkeit, leugnet einfach alles,« sagte Hoffmann.

      Über Wohlenbergs Gesicht huschte etwas wie Freude, was aber Hoffmann nicht bemerkte.

      Er fuhr eifrig fort:

      »Das ist doch lächerlich, daß während jemand schläft, die Tür des Kupees von allein aufspringt und zwar ganz von selbst und der Betreffende dann hinausstürzt. Ich glaube, so ein Fall ist in der Geschichte der deutschen Eisenbahn noch nicht dagewesen.«

      Er erzählte dem Arzt, was er erfahren hatte.

      »Könnte nicht irgendein Verbrechen vorliegen?« fragte dieser.

      »Sie meinen, daß man ihn hinausgestürzt hätte?«

      Ihr Gespräch wurde hier jedoch unterbrochen, da die drei Bauern, die sie an den Fundort führen sollten, gemeldet wurden.

      Man brach auf. Wohlenberg ließ es sich nicht nehmen, Hoffmann zu begleiten. Die Stelle war bald gefunden, desgleichen bemerkte Hoffmann, nachdem er den Bach ein Stück landeinwärts verfolgt hatte, den See, von dem Heubner gesprochen hatte. Es war eine Art Sumpf, durch den der Bach hindurchfloß. Die Böschung der Eisenbahn war hier fast haushoch, wie Heubner ganz richtig angegeben hatte. An dieser Stelle hinauszuspringen, wäre Wahnsinn, denn wenn hier jemand in den Sumpf stürzte, und das war in der Dunkelheit allzu wahrscheinlich, so war er unrettbar verloren.

      Hoffmann schüttelte den Kopf. Es wurde ihm immer unerklärlicher. Auch mußte er sich sagen, daß Heubner durchaus nicht den Eindruck eines Verbrechers machte. Im Gegenteil. Es lag eine gewisse Offenheit in seinem Wesen, und Hoffmann gestand sich, daß Heubner sogar einen selten sympathischen Eindruck machte. So kehrte er zweifelnd mit Wohlenberg zurück.

      Der Kommissar versuchte noch einmal sein Glück bei Heubner. Er redete gütig und streng, sprach in allen Tonarten. – Es war vergeblich, Heubner blieb bei seinen Behauptungen.

      Als Hoffmann sich zum Aufbruch rüstete, hatte er so wenig erfahren, als ob er die Reise gar nicht gemacht hätte. Wohlenberg brachte ihn selbst in seinem Wagen zur Bahn. Else war nicht zugegen, als der Wagen abfuhr, und ihr Vater mußte sie entschuldigen. Er hatte sie nicht gesucht, wußte er doch, warum sie nicht erschienen war.

      So saßen die beiden Männer schweigend nebeneinander, keiner hatte Lust zu einer Unterhaltung. Daß Heubner von nun an als Gefangener zu betrachten sei und sofort, sobald er transportfähig wurde, nach Berlin geschafft werden müsse, hatte Hoffmann schon seinem Gastgeber mitgeteilt, es war also nichts weiter zu sagen.

      Nach herzlichem Dank fuhr er, unzufrieden mit sich selbst, mißmutig und müde, wieder zurück nach Berlin. Und Wohlenberg ließ Pferde gehen, wie sie wollten. Die Zügel ruhten lose in seiner Hand, und er achtete auf nichts, sondern sah nur starr und verschlossen vor sich hin. So dauerte es ziemlich lange, ehe er wieder heimkehrte. Else war auch jetzt nicht zu erblicken, und ihr Vater, der den Seelenschmerz seines Kindes erriet, rief sie nicht. Er trat in sein Arbeitszimmer und schloß sich ein.

      9. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Der Kommissar saß wieder in seinem Arbeitszimmer, ließ sich Bericht erstatten, las in den Akten – es war alles wie sonst, nur bei ihm herrschte eine gewisse Nervosität, die ihn quälte, ihn verdrießlich machte.

      Das war also das Fazit seiner Reise. Nichts greifbares, nichts und wieder nichts! Aber Hoffmann hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß er das Rätsel lösen müsse, koste es was auch immer. Er hatte sich in diesen Gedanken festgebissen, und je mehr Mißerfolge er hatte, umso hartnäckiger wurde er. »Die reine Komödie!« knirschte er zwischen den Zähnen, »Wenn man nur diesen Dekker fände.«

      Die nächsten Tage vergingen ergebnislos. Aus N. war ein kurz gehaltenes Schreiben Wohlenbergs eingetroffen, in dem dieser mitteilte, daß der Zustand Heubners sich durch die Aufregungen der Vernehmung erheblich verschlimmert hätten, und daß man das Ärgste befürchten müsse. Der Patient befände sich seit Tagen ohne Besinnung, hieß es in seinem Brief, und jede Stunde könne eventuell der Tod eintreten. Sollte der Kranke jedoch diese Krisis überwinden, so wäre an einen Transport nach Berlin einstweilen nicht zu denken. Gleichzeitig erklärte Wohlenberg, daß er für die Zeit vom Heubners Aufenthalt in seinem Hause die Garantie für diesen übernehme, da bei dem körperlichen Zustand Heubners von einer Flucht keine Rede sein könne.

      Hoffmann las den Brief, und er bedauerte beinahe Heubner. Er hatte nicht die Empfindung, als sei dieser ein Verbrecher. Und wenn er der Dieb war, konnte er nur ein willenloses Werkzeuge in den Händen Dekkers gewesen sein.

      Dekker und immer wieder Dekker! Er beschäftigte sich heute fortwährend mit dessen eigentümlicher Persönlichkeit. Immer wieder kam er auf ihn zurück, jede Gedankenreihe endete bei ihm. Gerade heute, er wußte selbst nicht wieso und weshalb.

      »Nun, Kollege, wollen wir nach deiner Erholungsreise nicht wieder einmal zusammen essen und einer Flasche den Hals zu deiner Begrüßung brechen, nachdem wir niemand anderen finden können, dem wir den Hals brechen dürfen?!«

      Hoffmanns Kollege war mit diesen Worten eingetreten. Aber ehe ihm noch der Angeredete antworten konnte, überbrachte man ihm eine Karte – ein Herr wünschte ihn zu sprechen. Hoffmann las die schmale, vornehme Visitenkarte, und sein Gesicht nahm einen wenig geistreichen Ausdruck an.

      »Zieh mal erst dein Gesicht zurecht, so kannst du niemanden empfangen.«

      Hoffmann antwortete dem Kollegen nicht, sondern reichte ihm nur die Karte, die der andere las.

      »Glückspilz,« sagte er dann, gleichfalls erstaunt. »Dir kommen die Verbrecher nur so ins Haus gelaufen. Dekker – empfange ihn nur schnell,

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