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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Hier mußte man anknüpfen, das fühlte Hoffmann jetzt deutlich, das war eine Spur, die verfolgt werden mußte. Wo sollte man die Frau aber suchen? Jedenfalls mußte in Berlin genau recherchiert werden, denn nach Berlin war sie doch wahrscheinlich gekommen und vielleicht hielt sie sich auch noch hier auf.
Lehner wurde mit den entsprechenden Anweisungen beauftragt, in Berlin Nachforschungen zu veranstalten. Ein Signalement, das sich Hoffmann telegrafisch sofort erbeten hatte, erleichterte ihre Nachforschungen ein wenig.
Das Verfahren gegen Dekker wurde natürlich eingestellt. Einstweilen wenigstens. Seine Unschuld war durch die Ergreifung Worzinskis zwar nicht direkt bewiesen, aber es sah doch im Augenblick so aus, als ob nur Worzinski, der nach Berlin transportiert worden war, der Täter sein könnte.
Hoffmann war ja, ohne es sich innerlich zu gestehen, wenig erfreut über die neu geschaffene Lage.
»Jetzt wird er allerdings uns noch mehr Arbeit machen und wird noch vorsichtiger sein,« sagte er vor sich hin und packte die Akten zusammen, um zur Vernehmung Worzinskis nach dem Gericht zu fahren. Merkwürdigerweise leugnete nämlich dieser, in irgendeiner Beziehung zum Diamantendiebstahl zu stehen. Den Einbruch wies man ihm leicht nach, und er machte auch nicht den geringsten Versuch, zu leugnen, aber von dem Diebstahl wollte er nichts wissen.
Nun sollte ein letzter Versuch gemacht werden, ihm ein Geständnis zu entlocken. Man hatte unterdessen auch Lucie Trömel, deren Paß man bei ihm gefunden hatte, in Berlin ermittelt. Durch einen Zufall war man in Amsterdam auf ihre Spur gekommen, sie war wohl einer Freundin gegenüber zu offenherzig gewesen. Hier in Berlin war sie zwar nicht so leicht zu finden gewesen, weil sie sich unter falschem Namen angemeldet hatte. Dennoch gelang es, und sie wurde in ihrem Zimmer vormittags vom Hoffmann verhaftet. Man sagte ihr ihre Teilhaberschaft auf den Kopf zu, aber sie stritt alles ab, weinte und behauptete, überhaupt nicht zu wissen, worum es sich handelte. Ihre Habseligkeiten, die selbstverständlich mit Beschlag belegt wurden, durchsuchte man. Was allerdings nichts ergab. Man hatte nicht die Spur eines Anhaltspunktes, aber dennoch schien es fast außer Frage zu stehen, daß sie diejenige war, die mit Heubner und Stahl zusammen im Zug gefahren war. Es sprachen eine ganze Reihe Dinge gegen sie. Ein merkwürdiges Zusammentreffen war es auch, daß sie in demselben Geschäft angestellt gewesen war, aus dem das gefundene Kleid stammte. Es wurde erklärlich, wieso der Herr es dann so ohne weiteres kaufen konnte, wenn sie es vorher schon – was ohne aufzufallen bewerkstelligt werden konnte – anprobierte und es ihm irgendwie bezeichnete. Für diese Mutmaßungen sprach auch, daß ihr das Kleid gut paßte. Außerdem stimmte die Länge ihres Aufenthalts in Berlin mit der seit dem Diebstahl verflossenen Zeit überein, wenn auch zwei Tage Differenz da waren, da sie später eingezogen war. Aber konnte sie nicht so lange im Hotel gewohnt haben? Trotz all dieser Beweise leugnete sie alles glatt ab – desgleichen Worzinski.
Man wollte sie deshalb konfrontieren, in der Erwartung, daß man dadurch dem Ziel näher kam. Das war sorgfältig vorbereitet, damit keiner von der Ergreifung des anderen erfuhr, damit sich keiner von beiden auf die zu gebende Antworten vorbereiten konnte.
Worzinski stellte noch immer jede Schuld in Abrede. Amtsrichter Becker redete ihm im Guten und im Bösen zu, doch zu gestehen, Hoffmann sprach auf ihn ein – vergeblich. Auf die Frage, woher er denn die Pässe habe, erklärte er, sie mit einer Brieftasche gestohlen zu haben. Als er sich vor einigen Wochen, kurz vor dem Einbruch, in Geldkalamitäten befand, so gab er an, hatte er auf der Eisenbahn bei einem Ausflug zwischen Berlin und Potsdam einem Herrn die Brieftasche entwendet, in der sich die drei Pässe befunden hätten.
»Aha,« sagte Amtsrichter Becker zu dem finster dreinschauenden, unsympathischen Burschen, »der unbekannte Herr, der ›große Unbekannte‹, die Idee je ist nicht mehr ganz neue, mein Lieber, aber wir werden Ihnen jemanden zeigen, der Ihnen nicht so ganz unbekannt sein dürfte.«
Er gab ein Zeichen, Worzinski stand unterdessen gleichgültig da. Er war schlank, aber sehnig und kräftig, mit rohem, gemeinem Gesichtsausdruck – alle gestanden sich, daß man diesem es zutrauen konnte, daß er Heubner aus dem Eisenbahnzug hinausgestoßen habe.
Lucie Trömel wurde jetzt hereingeführt. Sie weinte und zitterte am ganzen Körper. Der Einbrecher stand mit kalter, unberührter Miene da und betrachtete sie ruhig. Sie getraute sich kaum aufzublicken. Hoffmann und Becker beobachteten genau die beiden. An Worzinskis Gesicht war nicht die Spur einer Veränderung zu entdecken, und sie schien sogar ruhiger zu werden, als sie endlich aufsah und Worzinski erblickte. Das war merkwürdig.
»Kennen Sie sich gegenseitig?« fragte Becker.
Worzinski zuckte mit den Achseln und lachte bloß.
Sie verneinte weinend. Man war durch nichts im Stande, ihr das Eingeständnis dieser Bekanntschaft abzuzwingen. Entweder sie kannte ihn wirklich nicht, oder dieser Kerl mußte eine unheimliche Gewalt über sie haben. Auch aus ihm war nichts herauszubekommen.
Die Staatsanwaltschaft hatte gegen Worzinski bereits die Anklage wegen des Diebstahles erhoben, und er sollte sich schon in der allernächsten Zeit vor dem Richter wegen beider Vergehen verantworten. Der Hauptverhandlung mußte es auch überlassen bleiben, die beiden zu einem Geständnis zu bringen, vorderhand waren ihre Bemühungen nutzlos – das sahen der Amtsrichter sowohl als Hoffmann ein.
»Die Geschichte ist etwas komplizierter geworden, als wir anfangs erwarteten,« sagte Amtsrichter Becker nachdenklich zu Hoffmann, als sie sich verabschiedeten.
»Und ich glaube, daß selbst hier noch nicht die Lösung des Rätsels ist,« erwiderte Hoffmann.
»Na, na – nur nicht zu pessimistisch. Wissen Sie, Herr Kommissar, nur eins ist mir ziemlich unverständlich. Wir scheinen den Täter zu haben, Personen, die mit dem Diebstahl in engster Verbindung stehen, wir finden alle möglichen Leute, nur daß bei all den Leuten keine Spur von Diamanten ist.«
* * *
Der erste Teil der Verhandlung gegen Worzinski war vorüber. Sie hatten nicht lange gedauert, da die Beweisführung einfach war und der Täter in jeder Beziehung geständig.
Für den zweiten Teil waren eine ganze Menge Zeugen geladen worden, da die Sachlage hier keine so einfache war. Auf die Aussage Heubners hatte man verzichtet vorderhand. Stahl und Dr. Blei hatte man nebst einem weiteren ärztlichen Sachverständigen gleichfalls geladen. Lucie Trömer stand nicht auf der Zeugenliste – sie hatte ihren Platz neben Worzinski, da gegen sie die Anklage wegen Beihilfe zum Diebstahl von der Staatsanwaltschaft erhoben worden war.
Worzinski saß mit der gleichgültigsten Miene von der Welt auf der Anklagebank. Er sprach und antwortete mit einer Ruhe und Sicherheit, daß man ihm sofort anmerkte, die Situation habe für ihn nicht den Reiz der Neuheit, während Lucie Trömel kaum vom Erdboden aufblickte.
Die Verhandlung begann. Nachdem der Vorsitzende beide ermahnt hatte, die Wahrheit zu sagen und zu bekennen, und diese Aufforderung keinen anderen Erfolg hatte als ein lautes Leugnen von Worzinski und ein verneinendes Kopfschütteln von Seiten des heftig weinenden Mädchens, erfolgte die Beweisaufnahme.
Zeuge auf Zeuge wurde aufgerufen und mit jedem wurde Worzinskis Miene triumphierender. Es ergab sich wirklich nichts, daß gegen ihn sprach. Fast konnte er sogar sein Alibi ziemlich einwandfrei nachweisen.
Dekker wurde vernommen. Er benahm sich mit vollkommener Ruhe, die Luft des Untersuchungsgefängnisses, die er bis jetzt genossen, schien ihn wenig angegriffen zu haben. Auch er konnte nichts besonderes aussagen und er versuchte auch nicht im geringsten, einen Verdacht auf den Angeklagten zu lenken.
»Herr Stahl,« rief der Gerichtsdiener in den Korridor hinaus.
Der Aufgerufene erschien, bleich und eingefallen – die Krankheit mußte ihn arg mitgenommen haben. Seine Stimme klang leise und gepreßt, und er sah sich ein wenig ängstlich im Zuschauerraum um. Zuerst wurde er mit Worzinski konfrontiert, der ihm höhnisch betrachtete.