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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Und was hast du auf den Wisch geantwortet?“
„Nichts!“ erwiderte Heinz Adrian achselzuckend.
„Daß war das beste. Das Schreiben wird auch nichts weiter zu bedeuten haben.“ –
Gegen ein Uhr morgens beschloß die Tafelrunde noch ein Nachtcafé aufzusuchen, um dort den Schlußtrunk in Gestalt eines Glases Schlummerpunsch einzunehmen. Nur Viktor Benter, der am Vormittag sehr anstrengende Recherchen in einer Einbruchssache vorhatte, schloß sich den übrigen nicht an, sondern wanderte allein seinem Junggesellenheim zu. –
Unablässig beschäftigten sich seine Gedanken mit der mysteriösen Briefaffäre.
Zunächst kannte er ja die Vorgeschichte dieser Verlobung ganz genau. Heinz Adrian war durch den Tod seines Vaters Besitzer einer der größten Farbenfabriken Deutschlands geworden, einer Fabrik, die nur eine gefährliche Konkurrentin besaß: Die Vollmerschen Farbwerke. – Bald war es dem alten Vollmer durch sehr geschickte Politik geglückt, den jungen Adrian für die Idee zu gewinnen, beide Fabriken zu einem einzigen Unternehmen umzugestalten. Und als Bindemittel für die bisherigen Konkurrenzfirmen sollte Vollmers einzige Tochter Edith herhalten, um die Heinz Adrian sich dann auch wirklich zu bewerben begann, ohne jedoch ein tieferes Interesse für das ebenso reich begabte wie schöne Mädchen zu hegen. Daraus machte er auch ihm gegenüber nie ein Hehl.
Und nun dieser fraglos völlig ernst gemeinte Drohbrief, so kurz vor der Vermählung –!
* * *
In derselben Nacht fand der Schutzmann Heinrichs, als er auf seinem Patrouillengange gegen halb drei Uhr morgens die Wilhelmsstraße passierte, auf dem Bürgersteige vor dem Hause Nr. 16 mitten in einer großen Blutlache den Fabrikbesitzer Adrian liegen, der auf derselben Straßenseite die eleganten Hochparterreräume eines villenartigen, neuen Gebäudes bewohnte. Gleich darauf schrillte die Signalpfeife des Beamten durch die stille Nacht, und bald tauchte aus einer Seitenstraße ein zweiter Schutzmann auf, der eiligen Schrittes auf seinen Kollegen zusteuerte. Nach kurzer Beratung blieb der hinzugekommene Beamte bei dem Toten zurück, während Heinrichs im Laufschritt nach der nahen Wohnung des Kriminalkommissars Benter eilte. – – –
Drei Tage später saß der Komponist Guido Erhardi, der bei Heinz Adrians Abschiedsfeier durch den Vortrag vieler witziger Couplets wahre Beifallsstürme entfesselt hatte, mittags im seiner Stammkneipe und studierte eifrig die Morgenzeitung. Plötzlich wurde er von einem Herrn, der soeben das Lokal betreten hatte, mit einem vertraulichen „Grüß Gott, Erhardi“ angesprochen. Fast erschrocken fuhr sein von einer langen Künstlermähne umwalltes Haupt hinter der Zeitung hervor.
„Benter – endlich habe ich Sie, endlich!“ rief er und streckte dem anderen die Hand zum Gruße hin. „Setzen Sie sich zu mir, Mann! Sie sendet mir der Himmel! Und verlangen Sie, was Sie wollen – Sie müssen mir aber Näheres über Adrians furchtbares Ende erzählen.“
Und der Kommissar begann seinem Bekannten zu erzählen, was Heinz Adrian ihm an jenem Abschiedsabend über den Drohbrief berichtet hatte.
„Als ich dann durch den Schutzmann Heinrichs an den Tatort gerufen wurde,“ fuhr er fort, „war mein erster Gedanke, daß hier nur ein Mord aus Eifersucht vorliegen könne. Damit Sie aber dem Verlaufe dieser wirklich nicht ganz alltäglichen Kriminalaffäre besser folgen können, will ich Ihnen genau mitteilen, was ich damals an der Mordstelle vorfand und weiter an wichtigen Momenten feststellte. Unser armer Heinz lag also etwa zweieinhalb Meter von dem linken Parterrefenster des Hauses Nr. 16 entfernt auf dem Bürgersteig in einer großen Blutlache auf dem Rücken und zwar mit dem Körper parallel zu der Hauswand. Nachdem ich gesehen, daß das Leben tatsächlich entflohen war, schickte ich einen der Schutzleute sofort nach der Revierwache, um die Staatsanwaltschaft und den Gerichtsarzt benachrichtigen zu lassen. Sodann machte ich mich daran, die in dem frischgefallenen Schnee deutlich ausgeprägten Fußspuren zu untersuchen – eine Arbeit, die mir keine große Schwierigkeit bereitete, weil es sich überhaupt nur um eine Fährte handelte, die für uns in Betracht kam. Es war die Heinz Adrians. Sie endete vor dem Hause Nr. 16.
Inzwischen war mein Vorgesetzter, der Polizeirat Renkel, in einem Automobil angekommen, und bald nach ihm traf der Gerichtsarzt ein. Man schritt zur Untersuchung der Leiche. Die Brust des Toten wies drei Stichwunden auf, die Adrian im Stehen direkt von vorn erhalten haben mußte und von denen eine das Herz durchbohrt hatte.
Der Arzt gab seinen Spruch dahin ab, daß die Wunden von einem langen Messer herrührten, das mit furchtbarer Gewalt gebraucht worden war, weil sowohl der seidengefütterte Paletot als auch der schwarze Überrock, die Weste und die Unterkleider durchstochen waren. –
Wann konnte nun der Mord – die Möglichkeit eines Selbstmordes schalteten wir von vornherein aus, weil wir keinerlei Waffe neben dem Toten gefunden hatten – geschehen sein?
Bis zwei Uhr hatte es geschneit, wie der Schutzmann Heinrichs bekundete, und kurz vor halb drei Uhr hatte derselbe Beamte dann die Leiche entdeckt. Also mußte, da die Fußtapfen von keinem Flöckchen frischen Schnees verweht, sondern außerordentlich scharf in den Neuschnee abgedrückt waren, unser Heinz notwendig in der erwähnten Zeitspanne den Tod gefunden haben. Und diese Berechnung stimmte auch, wie Sie selbst am besten wissen werden, sehr genau. Heinz hatte ja mit Ihnen und den anderen Herren das Kaisercafé Punkt dreiviertel zwei Uhr verlassen und beim Abschied geäußert, zu Fuß nach Hause zu gehen.
Wie konnte nun unser Freund ermordet worden sein, da er doch, wie ja das Vorhandensein der Spuren nur seiner Schritte bewies, ganz allein gegangen war? – Die Sache wurde immer rätselhafter. –
Am andern Morgen um acht Uhr brachte mich bereits der Schnellzug gemäß meiner Vereinbarung mit dem Polizeirat nach Dresden, wo ich meine Nachforschungen nach dem geheimnisvollen Absender des Drohbriefes sogleich beginnen sollte. –
In Dresden angekommen, begab ich mich sofort zu dem Vorsteher der Kriminalabteilung der dortigen Polizei, teilte ihm das Nötige mit und erhielt auch einige Beamte zugewiesen, die mir bei den geplanten Recherchen helfen sollten. Und wir waren auch wirklich insofern vom Glück begünstigt, als wir von einem früheren Diener des Fabrikbesitzers Vollmer erfuhren, daß Edith Vollmer vor einem Jahre mit ihrem Vater einen sehr ernsthaften Zwist gehabt hatte, weil das junge Mädchen durchaus einen Schriftsteller, der schon häufig für große Zeitungsunternehmen als Kriegsberichterstatter tätig gewesen war, heiraten wollte, eine Verbindung, die dem alten Vollmer offenbar nicht zugesagt hatte, da, wie wir gleichfalls feststellten, dieser Herr Viktor Kollins nach seiner ganzen Lebensführung eigentlich nur ein Abenteurer und Glücksritter genannt werden konnte. In das Vollmersche Haus zog erst wieder Frieden ein, als Edith einige Monate später dem Drängen ihres Vaters nachgab und sich mit Heinz Adrian verlobte. Leider gelang es uns nicht, den jetzigen Aufenthalt dieses Viktor Kollins herauszubekommen. Er hatte damals nach dem Scheitern seines Heiratsplanes Dresden verlassen und war angeblich nach Afrika gegangen. Nachdem ich mit einem Dresdener Kollegen, den ich von früher her kannte, noch verabredet hatte, Edith Vollmer unauffällig beobachten zu lassen – ich wollte nämlich sehen, ob zwischen ihr und jenem Kollins noch irgend welche Beziehungen bestanden – kehrte ich mit dem Nachtzuge zurück, schlief mich erst einmal gehörig aus und ging dann am nächsten Vormittag auf unser Einwohnermeldeamt. Dort erhielt ich auf meine Frage nach einem gewissen Viktor Kollins den Bescheid, auf den ich niemals gerechnet hatte – niemals! Denn ein Viktor Kollins, Schriftsteller, war seit zwei Monaten für Wilhelmstraße Nr. 16, parterre, angemeldet! – Ich machte mich sofort in Begleitung von zwei Beamten in Zivil nach der Wilhelmsstraße auf. Meine Leute mußten dann vor dem Hause Wache halten. Kollins war wirklich daheim. Als ich ihm meinen Amtstitel nannte, zuckte er zwar leicht zusammen, bot mir aber doch liebenswürdig einen Stuhl an.
„Womit kann ich dienen, Herr Kommissar?“
„Vorgestern nacht ist vor Ihrem Fenster ein Herr ermordet worden, Herr