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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Stahl sah Worzinski an und verneint; dieser lächelte frech und wandte sich an seinen Verteidiger, mit dem er leise etwas sprach.
»Und erkennen Sie die Angeklagte als die Dame, mit der Sie gefahren sind, und die Sie hypnotisiert haben soll?« fuhr der Vorsitzende fort.
Stahl zuckte wie erschrocken zusammen, als er nach der Anklagebank sah, aber dort saß auf einmal niemand mehr, denn die Angeklagte war lautlos ohnmächtig geworden und von ihrem Sitz zu Boden geglitten. Man bemühte sich, sie ins Leben zurückzurufen.
»Ich bitte für meinen Klienten um Gehör,« sagte während dem der Verteidiger Worzinskis, »er hat eine kurze Erklärung abzugeben, die für die Verhandlung von entscheidender Bedeutung sein dürfte.«
Worzinski sah Stahl zynisch an.
»Ich erkläre,« sagte er, »daß der Zeuge der Herr ist, dem ich in der Bahn die Brieftasche gestohlen habe, wo die drei Pässe drin lagen.«
Alle Augen richteten sich nach dem Ort, wo Stahl stand. Er war leichenblaß geworden und hielt sich an der Stuhllehne fest, um nicht umzufallen. Ein heftiges Zitterte überlief seinen ganzen Körper während er weiter starr vor sich hin starrte.
»Zeigen Sie ihm nur die Brieftasche, er wird sie schon erkennen,« grinste Worzinski.
Durch Hoffmann ging es wie ein elektrischer Schlag. Stahl – –?
»Herr Zeuge,« fragte der Vorsitze, »erkennen Sie diese Brieftasche als die Ihrige? Beruht die Erklärung des Angeklagten auf Wahrheit?«
Stahl sah vor sich nieder.
»Ich kann wohl Ihr Schweigen als eine Bejahung annehmen. – Und erkennen Sie auch die Angeklagte als Ihre Reisegefährtin?« fuhr der Vorsitzende fort und fixierte Stahl scharf. Lucie Trömel war unterdes wieder zur Besinnung gekommen. Stahl blickte kurz zu ihr auf, antwortete aber noch immer nicht.
»Sehen Sie die Angeklagte genau an. Und antworten sie!«
Wie mechanisch hob der Gefragte nun den Kopf.
»Ja,« kam es leise von seinen Lippen.
»Wollen Sie uns vielleicht dann erklären, in welchem Zusammenhang Sie und die Angeklagte Lucie Trömel stehen und welche Rolle Sie im Diebstahl spielen?«
Die scharfe, schneidende Stimme machte Stahl beben. Er sagte erst gar nichts, aber sein Wille war vollständig gebrochen, das sah man ihm an. Er fühlte – jetzt war das Spiel verloren.
Erst sprach er nur abgerissen, stoßweise – alles kam gequält aus seinem Mund und erst nach und nach wurde seine Sprechweise fließender, rascher, als wenn er sich erleichtert fühlte.
Im Publikum machte sich eine lebhafte Bewegung kund. Auf diese Wendung war doch niemand gefaßt gewesen, und man lauschte begierig dem Fortgang der Anklage.
Stahl legte ein umfassendes Geständnis ab. Er hatte den Diamanten gestohlen, er hatte Heubner aus dem Zug gestoßen, in der Hoffnung, daß er im See, der an der Böschung des Bahndammes sich hinzog, ertrinken würde, da er ohnedies betäubt war. Lucie Trömel war seine Geliebte, mit der er, wenn über dem Diebstahl genügend Zeit vergangen war, ins Ausland gehen wollte, um dort den Stein zu verkaufen. Er war auch derjenige gewesen, der das Kleid gekauft hatte, nachdem es ihm von seiner Geliebten bezeichnet worden war.
Als sie sich Berlin näherten, ließ er sich von ihr hypnotisieren, was ja bei seiner Natur ein leichtes war. Sie war dann in ein anderes, leeres Kupee gegangen, hatte die gefundenen Gegenstände zum Fenster hinausgeworfen und war in Berlin ruhig ausgestiegen. Wie der Tresor erbrochen worden war, wußte er nicht, sie hatte ihm jedenfalls ganz hinausgeschleudert. Hier in Berlin hatten sie sich dann nicht gesehen, um nicht Aufsehen zu erregen. Aber er war in Berlin geblieben und hatte selbst den Diebstahl angezeigt, um so jeden Verdacht von sich abzulenken.
Er gestand auch das Versteck des Diamanten, den er in seinen Anzug eingenäht hatte.
Die Zuhörer waren dem Gang der Verhandlung in atemloser Stille gefolgt. Lucie Trömel hatte erst Weinkrämpfe bekommen und fiel dann wieder in Ohnmacht, so daß man sie hinaustragen mußte und nicht weiter vernehmen konnte. Aber der Gerichtshof wußte jetzt auch so genug.
Worzinski wurde von dieser Anklage natürlich freigesprochen, und Stahl mußte den Weg nach dem Untersuchungsgefängnis antreten.
Hoffmann faßte sich an den Kopf, als er den Gerichtssaal verließ. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß der an der richtigen Stelle saß, was er nach dem Gehörten zu bezweifeln geneigt war, begab er sich zum Telegraphenamt. Er fühlte, daß er nun eine Pflicht habe, zwei Menschen so schnell als möglich glücklich zu machen.
* * *
Durch den Garten Dr. Wohlenbergs auf dem sauberen, kiesbestreutem Weg gingen langsam zwei Menschen, Heubner und Else, er auf ihren Arm gestützt, in der anderen Hand den starken Stock ihres Vaters.
»Habe ich dir nicht gesagt,« lächelte sie, »daß es ein wunderschöner Tag sein müsse, an dem du gesund wirst und aufstehen kannst. Oh, das war schon lange zwischen dem lieben Gott und mir ausgemacht. Ja, ja, du glaubst es wohl nicht?«
»Ich glaube dir alles, auch daß du mit dem lieben Gott in dauerndem Verkehr stehst.«
Das grüngestrichene Tor knarrte, und der Briefträger kam auf die Beiden zu.
»Ein Telegramm an Sie, Fräulein.«
Sie riß es ihm aus der Hand, er drehte sich um und ging weiter ins Haus.
Sie sah den Umschlag neugierig an, drehte ihn hin und her, öffnete ihn aber nicht.
»Das lesen wir zusammen in der kleinen Laube, ja? Ich bin so sehr neugierig und weiß gar nicht, ob ich’s solange aushalte – aber vielleicht, komm nur.«
Es war Hoffmanns Telegramm.
Eine halbe Stunde später überraschte Dr. Wohlenberg die beiden in der Laube. Er kam wohl in einem etwas ungelegenen Moment, denn die beiden fuhren bei seinem Anblick erschrocken auseinander. Aber Else lehnte sich dann so schmeichelnd an ihn, umschlang so stürmisch seinen Hals, daß er nicht viel Widerstand leisten konnte.
Bald darauf ging ein Telegramm an Hoffmann ab – mit der Verlobungsanzeige, auf die dieser natürlich sofort antwortete.
Er ging mit seinem Freund und Kollegen zu Tisch, um endlich in einem gemütlichen Weinrestaurant zu landen, wo er auf das Wohl des jungen Paares ein Glas leerte. Die beiden Freunde stießen an.
»Na, dein dummes Gesicht bei der Aussage Stahls möchte ich gesehen haben,« neckte ihn Wiemer »und was ist denn mit Dekker, hinter dem du fortwährend her warst? Gar nichts, was?«
»Ich bin nur froh,« lachte Hoffmann, »daß der Kerl nicht stiehlt; – den hätten wir sicher nicht gekriegt.«
Spuren im Neuschnee
Die allgemeine Fröhlichkeit bei der Abschiedsfeier, die Heinz Adrian für seine Freunde aus Anlaß seiner bevorstehenden Hochzeit veranstaltete, hatte so ziemlich den Höhepunkt erreicht, als der Gastgeber, dessen merkwürdig ernste Stimmung bereits mehrfach aufgefallen war, seinen alten Schulkameraden, den Kriminalkommissar Viktor Benter, unauffällig in eine Ecke zog.
„Lieber Viktor, verzeih, wenn ich dich für einen Augenblick mit einer Angelegenheit belästige, die mich schon den ganzen Abend beschäftigt. Ich habe nämlich gestern mittag einen seltsamen Brief durch die Post zugeschickt bekommen. Hier ist er!“
Der Kriminalkommissar prüfte mit einem schnellen Blick den Umschlag. Die Adresse war mit der Maschine geschrieben. Dann überflog er das darin enthaltene Schreiben, welches keinerlei Unterschrift aufwies. Es lautete:
„Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, so geben Sie den Gedanken an eine Heirat mit Edith Vollmer