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im Auge behaltend.

      Als er dicht vor ihm stand fragte er:

      »Etwas Neues, Lehnert?«

      Der Bericht des Geheimpolizisten war sehr kurz, da absolut nichts Bemerkenswertes geschehen war. Und jetzt – Lehnert zeigte nach dem Fenster Dekkers – schien er noch zu schlafen. Die Jalousie des Fensters war heruntergelassen.

      Die heutige Überwachung Dekkers wollte Hoffmann selbst übernehmen. Er hatte das bestimmte Vorgefühl, daß der heutige Tag etwas interessantes werden würde.

      Hoffmann mußte ziemlich lange vergeblich auf und ab gehen. Die Jalousie zwei Etagen hoch, die er immer wieder unauffällig betrachtete, blieb hartnäckig unten – der Bewohner des Zimmers lag diesmal besonders lange im Bett. Hoffmann begann schon zu fürchten, daß Dekker ihnen ein Schnippchen geschlagen hatte und trotz der Aufsicht Lehnerts vom Schauplatz unbeobachtet und damit ungehindert verschwunden war.

      »Na, Gott sei Dank,« entrang es sich leise Hoffmanns Lippen als gegen halb elf Uhr das Tor des so ängstlich beobachteten Hauses sich öffnete und die hohe Gestalt Dekkers heraustrat. Er sah sich einige Mal um und schien in die Richtung nach dem Bahnhof ›Zoologischer Garten‹ gehen zu wollen. Hoffmann, der auf der anderen Seite der Straße und zirka fünfzig bis fünfundsiebzig Schritte weit hinter Dekker sich befand, schlug langsam schlendern, den Rockkragen hochgeschlagen und die beiden Hände in den Taschen seines Mantels vergraben, dieselbe Richtung ein. So gingen sie vielleicht hundert Meter, dann drehte sich Dekker plötzlich um, kam zurück, über die Straße hinweg auf Hoffmann zu, der natürlich ruhig die eingeschlagenen Richtung beibehielt. Dekker schritt ganz dicht an ihm vorüber und Hoffmann dünkte es, als hätte ihn Dekker spöttisch angesehen. Aber er wußte es selbst nicht genau.

      Als er sich umdrehte, um nachzusehen, wohin Dekker ging, sah er diesen auf einen Droschkenhalteplatz zueilen und in einen Kraftwagen springen. Hoffmann rief eine zufällig vorüberfahren leere Droschke an und befahl dem Kutscher, der von Dekker benutzten zu folgen.

      Es ging im langsamen Trott nach dem Tiergarten, wo sich der Verfolgte gemütlich spazieren fahren ließ. Endlich ließ er den Wagen vor einem der Eingänge des Zoologischen Gartens halten, bezahlte, löste sich ein Billett und ging hinein. Hoffmann tat dasselbe.

      Hoffmann hielt sich jetzt in gehöriger Entfernung. Es war größte Vorsicht geboten. Er war sich nicht sicher, ob Dekker bemerkt hatte, daß er ihn verfolgte. Fast schien es so. Die Szene vorhin hatte Hoffmann unruhig gemacht und er hütete sich wohl, auch nur durch die geringste Auffälligkeit Dekkers Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

      Durch einen der anderen Ausgänge verließ dieser ruhig, wie er gekommen war, den Garten und fuhr in die innere Stadt, wo er in einigen Geschäften kleinere Einkäufe besorgte. Überall hin folgte ihm Hoffmann.

      An einem Halteplatz der Automobildroschken stieg Dekker in einen dieser Wagen. Hoffmann konnte natürlich nicht so nahe herankommen, um hören zu können, was Dekker sprach und jetzt hätte er ihn sogar sehr leicht gänzlich aus den Augen verlieren können, den Dekker stieg schnell ein, und das Automobil setzte sich auch schon in Bewegung. Bis Hoffmann den Halteplatz erreicht und einen Wagen bestieg hätte, um die Verfolgung aufzunehmen, konnte, ja mußte Dekkers Wagen sich schon seinen Blicken entzogen haben und in dem Gewirr und dichten Gedränge der Droschken, Omnibusse und Automobile in der lebhaft bewegten Friedrichstraße verschwunden sein.

      Glücklicherweise erhaschte der Kommissar ein vorüberfahrendes, Benzin duftendes Vehikel, in das er schnell hineinsprang und dem Wagenführer Auftrag gab, sich hinter dem Automobil J.A. 780 zu halten und es ja nicht zu verlieren. Das verfolgte Automobil fuhr ziemlich rasch. Geschickt lenkte es zwischen den zahlreichen Hindernissen der Friedrichstraße hindurch und bog dann in die ebenso belebte Leipziger Straße ein. An der Kreuzung dieser beiden Straßen, wo sich so leicht der Verkehr staut, wurden die beiden Wagen etwas getrennt, derjenige Dekkers bekam einen kleinen Vorsprung, der aber nicht groß genug war, um ihn den scharf ausschauenden Augen Hoffmanns zu entziehen. Mit großer Geschicklichkeit lavierten beide zwischen all den elektrischen Bahnen, hastenden Menschen, allen möglichen Fuhrwerken, die die Straße überfluteten hindurch. Dekkers Chauffeur schien sehr gewandt zu sein, er fuhr mit überraschender Geschwindigkeit auf den Potsdamer Platz. Hoffmann immer hinterdrein. Wieder wurden sie getrennt. Und wieder vergrößerte sich um ein weniges der Abstand. Da – für einen Augenblick verschwand das verfolgte Automobil, tauchte im Chaos unter. Hoffmann beugte sich weit vor – Dort – dort – er hatte es glücklich wieder entdeckt und gab dem Lenker einen Wink. Sie hatten den Potsdamer Platz erreicht. Ein unübersehbares Gedränge herrsche hier. Das Gefährt Dekkers wurde wieder von einem Dutzend anderer umringt und war für einen Augenblick wie verschlungen. Dann löste es sich wieder aus dem Knäuel und fuhr schnell in die Bellevuestraße hinein. Hoffmann bemerkte das Schild J.A. 780, einen Wink und sein Wagen flog hinterdrein. Plötzlich drehte sich der Chauffeur der verfolgten Taxameterdroschke um, sah in seinen Wagen hinein, bremste dann zu langsamer Fahrt ab. Im Nu hatte ihn Hoffmann erreicht und war auch schon mit ihm in gleicher Front. Ein höhnisches Lächeln spielte um den Mund des Kommissars, aber es verschwand sofort. Das Automobil, das Dekker benutzt hatte, war leer.

      Hoffmann faßte sich an den Kopf. Auch sein Chauffeur drehte sich um und sah ihn verständnislos an.

      Hoffmann rief den anderen Wagenlenker an, der sich umwandte.

      »Fuhren Sie nicht eben einen Herrn mit schwarzem Bart, steifem, schwarzem Zylinder und dunklem, langen Mantel?«

      Der Gefragte blickte ihn mißtrauisch an.

      »Ja,«antwortete er zögernd.

      »Wir verfolgen den Herrn,« fuhr Hoffmann fort und zeigte seine Erkennungsmarke vor, die ihn als Beamten der Kriminalpolizei legitimierte.

      »Sagen Sie, wo ist der Herr ausgestiegen.«

      »Das weiß ich nicht.«

      »Mann, das müssen Sie doch wissen,« stieß Hoffmann aufgeregt hervor, »Halten Sie mich nicht unnötig auf. Wo ist der Herr ausgestiegen?«

      »Ich weiß es wirklich nicht, Herr Kriminalkommissar,« antwortete jetzt der Chauffeur so treuherzig, daß Hoffmann anfing, ihm Glauben zu schenken, »er muß auf dem Potsdamer Platz schon hinausgesprungen sein, ich habe mich selber gewundert, wie ich mich umgedreht habe und niemand mehr im Wagen sah.«

      »Wohin hatte Ihnen der Herr zu fahren befohlen?«

      »Als er in der Friedrichstraße einstieg, gab er mir ein Zehnmarkstück und befahl mir, so schnell als möglich nach dem Potsdamer Platz zu fahren. Sollte es mehr ausmachen, würd er’s noch bezahlen, meinte er. Am Potsdamer Platz zeigte er auf ein Automobil vor uns und sagte, ich solle ganz fix hinterdrein sein, deshalb bog ich ja nach der Bellevue Straße ein. Als ich’s denn erreicht hatte und mich umdrehte, war niemand mehr da und ich habe gleich gebremst.«

      Es schien durchaus glaubwürdig zu sein, was der Chauffeur sagte. Er hatte ja auch absolut keinen Grund, zu lügen.

      Was war zu machen? Hoffmann überlegte einen Augenblick. Er telephonierte ans Polizeipräsidium und beorderte Lehnert sofort an den Potsdamer Bahnhof.

      Sodann fuhr er selbst dorthin; er hoffte, Dekker vielleicht da finden zu können. Nach einigen Minuten war auch Lehnert zur Stelle, den er nach kurzer Besprechung zum Anhalter Bahnhof schickte, um dort Recherchen anzustellen.

      Beide Bahnhöfe wurden eingehend in allen Winkeln abgesucht – vergeblich. Dekker war und blieb spurlos verschwunden. Die Bahnpolizei wurde genau instruiert und mit Photographien Dekkers, die Lehnert und Hoffmann aufgenommen hatten, versehen.

      »Wissen Sie, Lehnert,« sagte Hoffmann zu diesem, mit dem er, nachdem sie dies alles erledigt hatten, wieder zusammentraf, »der Dekker ist ja zu allem im Stande, vielleicht geht er am Ende gar wieder seelenruhig nach Haus. Seine Sachen müssen ja noch dort sein, er wollte ja erst morgen fahren. Eilen Sie also nach der Kantstraße, ich komme sehr bald nach.«

      Sie trennten sich. Lehnert fuhr nach dem Westen, Hoffmann nach dem Zentrum der Stadt, zum Polizeipräsidium.

      Als er dort in ziemlich aufgeregtem Zustand eintrat, harrte seiner bereits

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