Скачать книгу

von dem du mir gestern erzählt hast, in engster Verbindung mit dem Diebstahl steht. Da würde ich an deiner Stelle vor allen Dingen trachten, mich seiner zu versichern.«

      Hoffmann schwieg eine Weile und trank bedächtig sein Glas aus.

      »So leicht kann er mir nicht entwischen. Er wird fortwährend beobachtet,« erklärte Hoffmann sein Handeln, »und ich will nur noch etwas Material sammeln, um ganz sicher zu gehen. Das Netz zieht sich schon zusammen, und ich glaube, daß er mir nicht entgehen kann. Ich werde die Akten über meine Nachforschungen und Beobachtungen der Staatsanwaltschaft einreichen, ohne deren Haftbefehl ich ja ohnedies nicht gegen ihn vorgehen kann.«

      * * *

      Die Agenten Hoffmanns in Amsterdam hatten ein umfangreiches Material über Dekker zusammengetragen.

      Er war eine ziemlich dunkle Existenz. Sein Charakter wurde als recht verschlossen und schweigsam geschildert, jedoch trat er weder grob noch roh, sondern stets gemessen und höflich auf, benahm sich unauffällig, man konnte fast sagen, vornehmen, war zurückhalten, in jeder Beziehung reserviert, was ihn nicht gerade beliebt machte. Doch etwas wirklich Schlimmes konnte ihm niemand nachsagen.

      In seiner Lebensweise war er außerordentlich peinlich und ordentlich. Zuhause ließ er nie etwas umherliegen, jeder Brief, jeder Zettel wurde sorgfältigst verschlossen, so daß neugierige Augen keine Befriedigung finden konnten. Auch seinen anstehenden Zahlungen kam er pünktlich nach.

      Er hielt sich viel zu Hause auf und dann las er in seiner Bibliothek, die recht beträchtlich war. Doch kam es auch oft genug vor, daß er lange ausblieb, zuweilen die ganze Nacht. Ja, häufig genug kam er erst anderen Mittags oder Abends, eventuell sogar erst nach einigen Tagen wieder heim. Seine Bankverhältnisse schienen recht günstig. Er besaß etwas Vermögen und verdiente auch recht gut. Womit? Er machte, je nach Gelegenheit die verschiedenartigsten Geschäfte, bei deren Auswahl die Rentabilität für ihn ausschlaggebender zu sein pflegte als die Sauberkeit. Er hatte kein gutes Renommee bei den Kaufleuten.

      Vor seiner Abreise nach Berlin hatte er das Fahrtziel seiner Wirtin angegeben und auch den Grund seiner Reise. Dabei sollte er geäußert haben: ›Die Erbschaft muß ich haben, koste es, was es wolle.‹

      »Etwas Gefängnis wird wohl kein zu teurer Preis dafür sein,« sagte Hoffmann gewissermaßen als Kommentar zu diesen Worte, nachdem er den Bericht gelesen hatte.

      Auch diese Nachrichten waren nicht der Art, wie sie sich Hoffmann gewünscht hatte. Die Auskunft über Dekker war ja nicht gerade günstig, aber eben auch nicht wirklich belastend.

      Aber dennoch – jetzt mußte bald der entscheidende Schlag geführt werden. Nach seinen bisherigen Erfolgen würde die Staatsanwaltschaft wohl einen Haftbefehl gegen Dekker erlassen.

      ›Es ist vielleicht noch ein bißchen früh dazu,‹ dachte sich Hoffmann, aber er machte dennoch die Akten für die Staatsanwaltschaft fertig mit den Angaben all seiner Kombinationen über die mutmaßlichen Täter.

      Dann nahm er zur Abwechslung wieder einige kleine Veränderungen an seiner Person vor – die bereits in Tätigkeit gewesene blonde Künstlerperücke wurde hervorgeholt und sorgfältig auf das kurzgeschorene Haupthaar platziert. Ein niedriger Kragen mit einer kühngeschwungenen schwarzen Krawatte, die so groß war, daß man sich hätte in sie einwickeln können, wurden der Wahrscheinlichkeit zuliebe umgebunden und der regenschirmgroße Künstlerhut, unter dem bequem einige Kinder hätten spielen können, krönte das geschmackvolle Ganze. Über sich selbst belustigt, machte sich Hoffmann auf den Weg, um Frau Schmidt, der Wirtin Dekkers, einen kleinen Besuch abzustatten.

      Als der Kommissar in die Kantstraße und in die Nähe des zu besuchenden Hauses kam, blickte er sich erst forschend um. Er spähte nach Lehnert, dem noch immer die Beobachtung Dekkers oblag. Aber der war nirgends zu entdecken. Vermutlich war Dekker ausgegangen, und Lehnert ihm auf den Fersen.

      Hoffmann betrat das Haus und stieg die beiden Etagen empor. Dann zog er an der sauber geputzten Klingel, und die Witwe Schmidt öffnete kurz darauf.

      Sie erkannte ihn sofort wieder und war über den Besuch sehr erfreut.

      »Ach, das ist aber schön, daß Sie Wort halten,« empfing sie ihn, »ich dachte schon, Sie kämen gar nicht mehr wieder.«

      »Bei einer so liebenswürdigen Wirtin,« sagte er galant, »würde ich mir sicher das Vergnügen wieder gemacht haben, selbst wenn ich gar keine Aussicht auf das Zimmer hätte.«

      Galanterie hat noch nie eine Frau unangenehm berührt.

      »Sie sind sehr liebenswürdig,« sagte sie ein klein wenig geziert und nötigte ihn, einzutreten.

      »Ja, es ist wirklich sehr schade, liebe Frau Schmidt, daß das Zimmer nicht frei ist, ich wäre wirklich gerne schon eingezogen.«

      »Soll ich ihm kündigen?« fragte sie schnell, »ich würde es ja nicht gern tun, da er meinte, er bliebe nur noch ein paar Tage, und er hat doch für den ganzen Monat im voraus bezahlt, obgleich er nur tageweise gemietet hat. Ich könnte ihn jeden Tag raussetzen, aber nur ist man doch auch nicht gern so –«

      »Aber um Gottes willen, Frau Schmidt,« sagte Hoffmann eifrig, »deshalb werden Sie ihm doch nicht kündigen. Die paar Tage kann ich doch noch warten.«

      »Na, übermorgen wollt‹ er ja schon reisen. Dann können Sie tags darauf einziehen.«

      »Ja, ja,« antwortete Hoffmann etwas zerstreut, »das wäre ganz gut. Also in zwei Tagen zieht der Herr schon aus?«

      »So sagte er wenigstens – ich freue mich eigentlich schon, daß er abfährt, er ist gar nicht so nett –«

      »Kann ich vielleicht mal die Räumlichkeit sehen?«

      Das Zimmer hatte Flureingang, und Hoffmann öffnete die Korridortür. Frau Schmidt schloß auf, um es ihrem zukünftigen Mieter zu zeigen. Gerade in diesem Augenblick kam Dekker nach Hause.

      »Ach, verzeihen Sie, Herr Dekker,« entschuldigte sich die Witwe, »ich wollte nur dem Herrn das Zimmer zeigen, er will es nach Ihnen mieten –«

      »Es wäre mir unangenehm, zu stören,« ließ sich Hoffmann vernehmen, aber Dekker sagte mit einer leicht einladenden Handbewegung:

      »Bitte, Sie stören gar nicht.«

      Hoffmann zog sich nach einer oberflächlichen Besichtigung des Zimmers zurück. Er grüßte mit leichtem Verneigen, was Dekker erwiderte. Im Vorbeigehen begegneten sich ihre Augen, und Hoffmann schien es, als ob ein höhnischer Zug über das Gesicht seines Gegenübers huschte.

      Schnell verabschiedete er sich von Frau Schmidt, die ihn mit schwerem Herzen davonziehen sah. Sie fühlte instinktiv, daß er wohl kaum das Zimmer mieten würde.

      Der Pseudokünstler jedoch eilte die Treppe hinunter. Er war über dieses Zusammentreffen eben wenig erfreut. Ihm schien, als ob Dekker ihn so sonderbar angesehen hatte. Sollte er ihn etwa erkannt haben? –

      6. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Hinter Kommissar Hoffmann lag eine unruhige Nacht. Er hatte allerhand böse Träume gehabt, bald verfolgte er in wilder Jagd Dekker, bald wieder befand er sich auf der Flucht vor ihm, einmal kämpfte er mit ihm, und ein anderes Mal stand er diesen kalten Augen gegenüber und konnte sich nicht fortrühren. Er wollte rufen und konnte nicht. Immer wieder sah er das höhnische Lachen und mußte in dieses grinsende Gesicht stieren. Dann erwachte er.

      Er rieb sich die Augen und sprang auf. Eine unerklärliche Unruhe erfaßte ihn und mit größter Geschwindigkeit trieb es ihn an, sich anzukleiden und davonzueilen, um nachzusehen, ob Lehnert auf seinem Posten stand und Dekker überhaupt noch da war.

      Es war ein kühler, etwas trüber Morgen. Der Nebel legte graue, blasse Schleier um die Häuser als Hoffmann seinem Ziel in der Kantstraße nahe kam, um sich von der Grundlosigkeit seiner Befürchtungen zu überzeugen.

      Der

Скачать книгу