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jetzt der Haftbefehl eintrat. Hoffmann hätte am liebsten alles um sich her in Stücke geschlagen, so kochte es in ihm vor Wut. Er wischte sich die heiße Stirn, auf der einige Schweißtropfen von der Eile und Aufregung perlten, und ließ sich erschöpft in einen Stuhl fallen.

      Aber jetzt war nicht viel Zeit zum Überlegen und Reflektieren, jetzt hieß es, sich zusammennehmen. Es war eigentlich noch ein Glück, daß man sofort Dekkers Flucht entdeckt hatte, er konnte bei rechtzeitiger Verfolgung gar nicht weit kommen. Man durfte nur keine Minute verlieren. Auch der geringste Vorsprung kann zuweilen eine Flucht glücken lassen.

      Der Telegraph trat wieder in seine Wirksamkeit, das Telephon surrte und summte, und bald war auf allen Fernbahnhöfen Berlins die Polizei benachrichtigt, des gleichen die Polizeiorgane der Grenz- und Hafenstädte. Dekkers Bild leistete jetzt gute Dienste und mußte die Festnahme des Flüchtlings wesentlich erleichtern.

      Das alles wurde schnell und exakt erledigt. Und jetzt ging’s nach der Kantstraße, obgleich sich Hoffmann nicht allzuviel davon versprach.

      Also hin zu Frau Schmidt! Hoffmann mußte schon im vornhinein lächeln, wenn er an das erstaunte Gesicht dachte, daß die rundliche Zimmervermieterin machen würde, wenn sie ihn erkannte.

      Er klingelte, als er oben angekommen war und zog sein Gesicht in ernste Falten. Er hörte trippelnde kleine Schritte sich der Türe nähern, und gleich darauf ging die Tür auf.

      »Kann ich Frau Schmidt sprechen?« fragte er.

      »Das bin ich selbst, womit kann ich dienen?«

      Im Halbdunkel des Flurs erkannte sie ihn noch nicht. Er nannte seinen Namen und wies sich als Kriminalkommissar aus, worauf sie ihn etwas ängstlich bat, näherzutreten.

      »Um Gottes willen, was bringen Sie?« fragte sie erschrocken.

      »Beruhigen Sie sich nur, Frau Schmidt, Sie sollen ja nicht eingesperrt werden,« sagte Hoffmann, der beinahe Mitleid mit ihr hatte, »ich komme wegen Ihres Mieters, die Polizei sucht ihn.«

      »Ach, du meine Güte,« kreischte Frau Schmidt beinahe auf, »da hat man in seinem anständigen Haus einen Verbrecher, vielleicht gar einen Mörder zu wohnen gehabt.«

      »Na, na, so schlimm ist’s nicht, liebe Frau,« meinte Hoffmann lächelnd.

      Dieses ›liebe Frau‹ machte sie nun stutzig. So hatte schon jemand zu ihr gesagt, und die Witwe Schmidt bekam ziemlich starkes Herzklopfen, obwohl ihr der Arzt das verboten hatte. Sie sah Hoffmann jetzt genauer ins Gesicht und schien mit einem Manne eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und jemandem ihr bekanntes zu finden. Jetzt kam ihr auch die Stimme bekannt vor. Sie sah ihm forschend noch einmal in die Augen und wurde ganz verwirrt.

      »Ach, verzeihen Sie,« stotterte sie, »ich – – ich – – Sie – – – ent – entschuldigen Sie, aber –«

      Hoffmann konnte sich kaum das Lachen verbeißen, wie sie ihn so unendlich komisch anblickte.

      »Na ja,« sagte er endlich gutmütig, »wir kennen uns ja bereits, Frau Schmidt. Bloß die Aufmachung ist eine andere.«

      »Oh, Gott – meine Ahnung!« stöhnte die dicke, kleine Frau auf.

      »Wo ist denn Herr Dekker?«

      Sie hielt die Augen noch immer niedergeschlagen, antwortete dann mit leiser Stimme:

      »Er ist nicht mehr da, er ist heut früh fortgefahren.«

      »Sagte er Ihnen, wohin er führe, vielleicht auch mit welchem Zug?«

      »Nein, das sagte er alles nicht.«

      »Und dann packte er seine Sachen – –?«

      »Nein, die waren schon gepackt.«

      »Aber, das ist doch sehr merkwürdig, wenn er nicht schon gestern oder früher die Absicht gehabt hat, heute zu reisen. Ist Ihnen denn das nicht gleich aufgefallen?«

      Sie sah ihn hilflos an.

      »Nein, denn ich dachte doch an nichts Schlimmes. Mir sagte er es jedenfalls erst heute morgen.«

      »Also da hat er wohl bezahlt?«

      Sie nickte.

      »Und wo sind seine Sachen?«

      »Er sagte, er müsse noch einige Gänge in der Stadt besorgen, könnte aber dann nicht mehr zurückkommen. Er wollte eine Dienstmann schicken, der seine Sachen abholen und nach dem Bahnhof bringen sollte.«

      »Kam der Dienstmann?«

      »Ja, um zwölf Uhr.«

      »Haben sie ihn vielleicht gefragt, zu welchem Bahnhof er das Gepäck bringen sollte?«

      »Ja, aber er antwortete, er solle es nicht sagen.«

      »Ist Ihnen denn das auch noch nicht aufgefallen?«

      »Das schon, aber ich glaubte eben, dem Herrn hätte es nicht mehr bei mir gefallen, und er wäre anderswohin gezogen.«

      »Haben Sie sich die Nummer des Dienstmannes gemerkt. Wohl nicht?«

      Die Witwe Schmidt schüttelte verneinend den Kopf.

      Hoffmann stand einen Augenblick noch überlegend da und sann nach, wie man Dekkers wieder habhaft werden könnte. Es wollte ihm aber absolut nichts Besonderes einfallen. Er mußte nun schon wohl oder übel erfolglos abziehen, und er war ziemlich niedergedrückt, als er die Treppen wieder hinabstieg. – So etwas hätte ihm eigentlich nicht passieren dürfen, sagte er sich. Und wütend murrte er:

      »Jetzt sind wir mit Teufels Hilfe alle los. Jetzt wissen wir weder wo Decker, noch wo Heubner und das verd… Weibsbild ist.«

      7. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Natürlich – kaum war Becker spurlos verschwunden, als sich auch das Belastungsmaterial gegen ihn wieder häufte. Hoffmann war zwar auch so der unerschütterlichen Meinung, daß der Leiter des ganzen Diebstahls Dekker sein, während Heubner nur ein Werkzeug in seiner Hand war, aber andererseits hatte Hoffmann das Bewußtsein, daß Dekker sich, im Falle er ergriffen würde, sehr geschickt zu verteidigen verstünde – man konnte also gar nicht genug Beweismaterial in den Händen haben, und es war ihm daher jede Neuigkeit dieser Richtung willkommen.

      Eine solche Neuigkeit war die Nachricht seiner Agenten in Amsterdam, die ihm mitteilten, daß Dekker in Amsterdam zwei Wohnungen besäße. Sie hatten das, wie sie versicherten, aus völlig glaubwürdiger Quelle durch einen Zufall erfahren, nur wäre es ihnen bis dahin nicht möglich gewesen, die Adresse dieser zweiten Wohnung zu ermitteln.

      Hoffmann gab sofort telegraphische Order, alles aufzubieten um dieses zweite Quartier Dekkers zu ermitteln.

      Eine andere Nachricht aus Amsterdam war den Plänen des Kommissars weniger günstig. Die Bilder Dekkers und Heubners, die er der Konfektionsfirma, aus deren Geschäft das an der Bahnstrecke bei Spandau gefundene Kleid stammte, eingesandt hatte, kamen zurück. Die Verkäuferin, von der das Kleid seinerzeit, wie sie angab, von einem einzelnen Herren gekauft worden war, sollte angeben, ob sie in keiner der auf dem Photographien wiedergegebenen Personen den Käufer erkenne.

      Der eine – mit dem Dekker gemeint war –, so lautete die Antwort, sei sicher nicht mit dem Gesuchten identisch, da er der Dame persönlich bekannt sei und diese genau wisse, daß Dekker nichts bei ihr erstanden habe. Auch von dem Bild Heubners glaubte sie jedoch mit Sicherheit behaupten zu können, daß es keine Ähnlichkeit mit dem Herrn besitze, der das Kleid erworben habe. Den betreffenden zu beschreiben, so schloß das Schreiben, sei zwar der Verkäuferin unmöglich, doch sei sie fest überzeugt, ihn mit Leichtigkeit wiederzuerkennen, wenn sie ihm begegnen oder sein Bild hier vorgelegt würde.

      Hoffmann stand fast ratlos da. Als er diese Angelegenheit übertragen bekommen hatte, war er verdrießlich gewesen. Der Fall war ihm nicht interessant genug. Und jetzt? –

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