ТОП просматриваемых книг сайта:
Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Endlich bekam sie Gesellschaft. Ein junger Bursche von zirka fünfundzwanzig Jahren, der eben erst in das Lokal gekommen war und sich forschend umgesehen hatte, ging auf den Tisch Dekkers zu und setzte sich zu dem Mädchen, das er begrüßte und dessen ›Bekannter‹ er anscheinend war. Er musterte Dekker mit frechen Blicken, doch dieser beachtete ihn überhaupt nicht.
Der Galan schien eifersüchtig zu sein und nahm vermutlich an, daß der Fremde ihm vorher schon Konkurrenz gemacht und mit seiner Flamme hierhergekommen sei. Dabei stieg wohl die Empfindung in ihm auf, daß er äußerlich diesem Nebenbuhler gegenüber stark im Nachteil war. Das hätte vielleicht den Burschen nicht so sehr verdrossen, wenn er nicht deutlich gefühlt hätte, daß auch dem Mädchen dieser Unterschied bewußt war, daß ihre Augen von einem zum andern wanderten und daß er bei diesen Vergleichen nichts gewann. Ja, sie schienen ihren Gefühlen ziemlich unverhohlen Ausdruck zu verleihen, was bald zu einem immer heftiger werdenden Wortwechsel führte. Dekker saß mit unbeweglichem, kaltem Gesicht dabei.
Dann folgte eine Szene, die sich mit sehr großer Schnelligkeit abspielte.
Das junge ›Dame‹ fügte sich wohl nicht gleich den Wünschen ihres Liebhabers, was den ohnehin Aufgeregten nur noch mehr reizte. Er überschüttete sie mit einer Flut von Schimpfworten und als sie ihm trotzig antwortete, erhob er die Hand und ein roher Faustschlag traf das Gesicht des Mädchens. Sie schrie auf, und er erhob schon wieder die geballte Faust. Da stand Dekker auf, griff nach dem Handgelenk des Burschen, der einen Augenblick perplex war, dann aber mit der anderen Hand in die Tasche fuhr und im Nu ein offenes Messer gegen seinen Gegner zuckte – aber er stieß nicht zu.
Hoffmann war aufgesprungen, doch das war eigentlich überflüssig. Dekker hielt noch immer das Handgelenk des jungen Menschen umschlossen. Sein Gesicht schien erstarrt und seine merkwürdig tiefen, dunklen Augen hefteten sich fest in die seines Gegenüber, ihn mit den Blicken festhaltend – – faszinierend – – bändigend. Der war wie willenlos unter diesen festen, stahlharten Augen, sank auf seinen Stuhl zurück und starrte dabei immer Dekker an, der ihn nicht losließ, weder mit der Hand noch mit den Augen.
Es war ganz seltsam. Das Mädchen stand dabei, ohne einen Laut von sich zu geben. Einige Gäste hatten sich lärmend erhoben, der Gatte der ›schönen Emma‹, ein Hüne von Gestalt, nährte sich bereits, um Frieden zu stiften. Aber Dekker ließ seinen Gegner plötzlich los, griff seinen Hut vom Nagel, warf ein Geldstück dem herbeigeeilten Kellner auf den Tisch und schob sich auf den Ausgang zu. Sein Gesicht war noch immer unverändert von eisiger Entschlossenheit, und niemand wagte, ihn am Gehen zu hindern.
Unterdes hatte auch Hoffmann gezahlt und war bereit, Dekker zu folgen. Dabei mußte er an jenem Tisch vorbei, an dem die Szene, die eigentlich nur einen Zeitraum von einigen Sekunden gewährt, sich abgespielt hatte. Als er dort zwischen Tischen, Stühlen und Menschen hindurchdrängte und in das Gesicht des jungen Menschen blickte, war es ihm halb unheimlich und halb wie ein Triumph. Der Gegner Dekkers saß auf dem Stuhl, das Gesicht nach vorn gerichtet, die Augen geschlossen, wie schlafend.
Hoffmann eilte vorbei und hinaus aus dem Lokal, um Dekker nicht zu verlieren, der unterdes gemächlich die Straße entlang schritt. Lehnert folgte ihm auf der anderen Seite in einiger Entfernung. Hoffmann gab ihm ein Zeichen, und der Kriminalbeamte näherte sich seinem Vorgesetzten.
»Gehen Sie sofort zurück in die Kneipe, Lehnert,« sagte dieser, »und erkundigen Sie sich, was sich eben dort abgespielt hat, merken Sie sich die Personen, die zugegen waren und suchen Sie auszukundschaften, ob Dekker dort bekannt ist, wenn ja, mit wem und was er wollte?«
Schnell begab sich Lehnert zurück, um den ihm erteilten Auftrag auszuführen, während Hoffmann Dekker im Auge behielt. Der aber hatte wohl von dem heutigen Abenteuer genug, denn er winkte eine Droschke heran und fuhr nach Haus, Hoffmann mit einem anderen Wagen hinterdrein. Als er endlich einsah, daß die Mission für heute beendigt war, drehte er sich um und wandte sich seiner Wohnung zu.
Kriminalkommissar Hoffmann war andern Tags schon früh auf dem Posten.
Und schon meldete sich Lehnert.
»Nun?«
Hoffmann sah gespannt auf.
»Eigentlich nichts, was einen bestimmten Anhaltspunkt böte, Herr Kommissar. Es kennt niemand Dekker im Lokal. Er war das erste Mal dort und man wußte auch nicht, wen er hätte erwarten können.«
Hoffmann schüttelte unwillig den Kopf.
»Es ist ja rein zum Verrücktwerden. Kann man denn zum Donnerwetter gar nichts Vernünftiges mehr herausbekommen?! Was war denn das mit dem Streit für eine Sache?«
»Der junge Bursche, den ich mir übrigens gemerkt habe, war eifersüchtig geworden, weiter nichts. Nur das eine war merkwürdig, daß er schlief – ich weiß ja nicht, wie das kam, bin nicht dabei gewesen. Aber als ich eintrat, schlief er noch und man hatte Mühe ihn zu wecken. Dann war er noch immer in einem so – – so taumelnden – – so traumatischen Zustand. Er war eigentlich auch, nachdem er schon wach war, doch nicht recht wach.«
»Und was denken Sie, Lehnert, wieso das gekommen ist?«
»Ja, ich weiß ja nicht recht, weil ich, wie ich schon sagte, den Vorgang nicht beobachtet habe, aber mir ist gleich Herr Stahl eingefallen, als man mir die Geschichte erzählte; und ich dachte – daß so wie Herr Stahl auch der Mann in der Kneipe hypnotisiert worden sein kann.«
Beide versanken in Stillschweigen. Wieder schossen alle bekannten Ereignisse Hoffmann blitzschnell durch den Kopf. Und schon setzte er seinen Scharfsinn daran, einen wahrscheinlichen Zusammenhang herzustellen.
Es war ja zweifellos; auch Dekker war verdächtig. Es sprach so vieles gegen ihn, seine Fahrt im selben Zug, in dem der Diebstahl begangen wurde, die Tatsache, daß er ein besonderes Interesse an der Erbschaft hatte, die zu erhalten für ihn nicht allzu viel Aussicht bot, endlich die Szene gestern, wo er den jungen Menschen hypnotisierte, eigentlich im Nu, im Handumdrehen. Das war alles so seltsam und ein so merkwürdiges Zusammentreffen.
»Wenn wir wenigstens schon genügend Beweise hätten, daß Dekker am Diebstahl beteiligt war, dann könnten wir den wenigstens verhaften, aber ich fürchte, wenn wir es zu früh tun, bekommen wir überhaupt nichts heraus. Passen Sie genau auf, Lehnert, wer ins Haus bei Dekker hineingeht, ob er Besuch empfängt usw. und wenn er ausgeht, photographieren Sie ihn. Machen Sie mehrere Aufnahmen! Man weiß nicht, ob man die Bilder nicht gebrauchen wird.«
Hoffmann blieb mit seinen Gedanken allein zurück. Er war nahezu verzweifelt, die eigene Unsicherheit irritierte ihn – einen Augenblick war er fest überzeugt, in Dekker den Täter gefunden zu haben, im nächsten Moment verwarf er wieder diese Kombination.
Man brachte ihm einen Brief – die längst erwartete Auskunft über Dekker. Wie gierig öffnete er das Kuvert, nach dem er den Stempel der Amsterdamer Polizeidirektion darauf entdeckt hatte. Vielleicht – –
Die Amsterdamer Behörde hatte eigentlich recht wenig ermittelt. Dekker war einundvierzig Jahre alt, deutscher Abkunft, aber in Holland geboren. Er war erst seit drei Jahren in Amsterdam seßhaft, wo er zwei möblierte Zimmer als Aftermieter bewohnte. Über seinen Vorlieben war so gut wie nichts bekannt. Vorstrafen hatte er keine, und während seines Amsterdamer Aufenthalts hatte er sich nie etwas zu schulden kommen lassen. Er stammte aus guter Familie, seine Eltern waren tot. Näheres über seine Geschäfte und sein Tun und Lassen wußte man nicht. Er besaß etwas Vermögen und hatte keine regelmäßige Beschäftigung, war jedoch als Kaufmann gemeldet.
Soweit der Bericht. Eigentlich ergab er die Nachricht nichts Greifbares. Mißmutig hatte sich Hoffmann erhoben, denn er hatte sich in den Gedanken verbissen, daß er über Dekker etwas Nachteiliges erfahren müsse. Er hatte eine instinktive Aversion gegen diesen