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auch möglich, daß die von Herrn Stahl gemachten Angaben falsch sind?«

      Die beiden Ärzte sahen sich einen Augenblick erstaunt an. Diese eigentlich ganz einfache gegensätzliche Folgerung hatten sie nicht erwartet.

      »Nun, Herr Dr. Weiler,« wandte sich der Richter an diesen, »Sie hüllen sich gänzlich in Schweigen. Haben Sie nicht wenigstens einen kleinen Widerspruch bei der Hand?«

      »Nein – ich muß mich ersteinmal mit den Ausführungen meines Herrn Kollegen durchaus einverstanden erklären. Und was Ihren letzten Einwurf, Herr Amtsrichter, betrifft, so haben Sie sich ja bereits von der teilweisen Richtigkeit der Aussagen des Herrn Stahl überzeugt, und inwieweit eine unbewußte Verdrehung der Tatsachen, hervorgerufen durch hypnotischen Einfluß, im Gedächtnis Herrn Stahls stattgefunden hat – das festzustellen sind wir natürlich außerstande,« ließ sich Dr. Weiler auf die Aufforderung des Richters vernehmen.

      »Wie lange mag Herr Stahl schon hypnotisiert gewesen sein, als Sie hinzukamen?«

      »Als ich Herrn Stahl erblickte, vielleicht eine halbe Stunde. Aber man kann das nicht mit Bestimmtheit behaupten. Vielleicht hat seine Hypnose nur fünfzehn Minuten, vielleicht aber auch eine Dreiviertelstunde gewährt. – Eventuell auch noch länger.«

      »Jedenfalls meinen Sie also, daß es nicht vielmehr und nicht viel weniger gewesen sein dürfte?! Ich danke Ihnen für Ihre Auskunft. Wenn es Ihre Zeit erlaubt, wäre es mir angenehm, Sie noch etwas hierbehalten zu dürfen, während ich Herrn Stahl vernehme. Es kann sich noch diese oder jene Frage ergeben, bei der ich um Ihre Meinung bitten möchte.«

      Er klingelte und befahl dem eintretenden Diener, Stahl, der bereits im Vorzimmer wartete, hereinzuführen.

      »Mein Name ist Stahl,« stellte sich dieser mit einer leichten Verbeugung vor. »Ich habe eine Vorladung für heute erhalten in Sachen des Diebstahles, der im Schnellzug Amsterdam-Berlin an mir begangen wurde.«

      »Sehr richtig,« erwiderte der Untersuchungsrichter nach einem grüßenden Neigen des Kopfes.

      »Sie gaben im ersten Protokoll an, hypnotisiert worden zu sein, nachdem Ihr Kollege Heubner eingeschlafen war. Erinnern Sie sich – denken Sie einmal genau nach – wo es gewesen ist, als Heubner einschlief.«

      »Ich weiß es nicht genau! Aber es kann meiner Meinung nach nicht mehr weit vor Berlin gewesen sein, wir hatten Stendal schon hinter uns.«

      »So? Aber Herr Dr. Blei sagte mir soeben, daß Ihre Aussagen vielleicht Folgen der Suggestion und damit unzutreffend wären?«

      Stahl zuckte mit den Achseln und wich dem fast starren Blick des Untersuchungsrichters aus.

      »Kannte die Dame, mit der Sie gefahren sind, auch Berlin? Sie sprachen doch mit ihr darüber.«

      »Ich nicht. Heubner erzählte ihr davon und gab ihr mehrere Ratschläge. Sie teilte uns mit, zum ersten Mal nach Berlin zu reisen, um dort Verwandte zu besuchen.«

      »Erinnern Sie sich an den Namen der Dame?«

      »Nein. Ich habe ihn nicht verstanden, als sie sich vorstellte.«

      »Sie geben an, hypnotisiert worden zu sein. – Dr. Blei erklärte mir soeben, daß das so ohne weiteres gar nicht geht und im allgemeinen nicht beim ersten Mal gelingt, daß man es sogar bis zu Dutzenden Malen wiederholend versuchen muß. Sie bleiben dennoch bei ihrer Behauptung?«

      »Ja, denn ich bin schon oft hypnotisierte worden. Es ist bei mir nicht schwer. Ich bin voriges Jahr in Amsterdam von einem Nervenleiden durch Hypnose geheilt worden. Da wurde ich sehr oft hypnotisiert.«

      Er nannte den Namen des Arztes, der zu Protokoll gebracht wurde.

      »Können Sie sich entsinnen, was die Dame zu Ihnen kurz vorher oder während Sie schliefen, sagte? Sie hat Ihnen doch wahrscheinlich irgend etwas suggeriert! Wissen Sie vielleicht was?«

      Stahl zuckte nur wieder mit den Achseln. Er konnte sich auf nichts besinnen, so sehr er auch sein Gehirn anzustrengen schien.

      »Wußte Heubner, daß Sie schon öfters hypnotisiert worden waren und sich dazu eigneten?«

      »Ja. Wir waren ja täglich im Geschäft beisammen, und da erzählte ich natürlich auch davon, als ich damals behandelt wurde.«

      »Hat Sie Heubner vielleicht einmal hypnotisiert?«

      »Ja, einmal, aber nur zum Ulk im Geschäft in der Mittagspause. Es waren auch noch andere Angestellte dabei.«

      »Gelang denn das Experiment?«

      »Ja. Ich zeigte ihm, wie er es machen soll, so wie ich es von meinem Arzt gesehen hatte.«

      »Da Sie so genau mit Hypnose Bescheid wissen, müßte es Ihnen doch bekannt sein, daß man niemanden gegen seinen Willen hypnotisieren kann. Oder waren Sie vielleicht – einverstanden?«

      »Nein – wie konnte ich damit einverstanden sein?«

      »Haben Sie denn gefühlt oder gewußt, daß Sie hypnotisiert werden?«

      »Nein, ich hatte nur so ein Gefühl der Wehrlosigkeit.«

      »Herr Stahl, ich will durchaus nicht Ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel stellen,« sagte nach einigen Sekunden des Schweigens Amtsrichter Becker, während welcher Zeit er Stahl fortwährend ansah, »aber wir Juristen sind stets mißtrauisch. Und daher stelle ich eine Frage, die aber keine Verdächtigung sein soll. Spielen Sie bei diesem Diebstahl nur die Rolle des Bestohlenen?«

      »Wie meinen Sie das, Herr Amtsrichter?« brauste Stahl auf, aber der feste Blick Beckers hielt ihn in den Schranken, so daß er unsicher wurde und zur Seite blickte. So blieb es einige Augenblicke.

      Dann Beckers harte Frage:

      »Sie benehmen sich ja wie der Schuldige.«

      Stahl schreckte bei dem Ton der Stimme zusammen und sah Becker fast verständnislos an. Der streckte den markanten, scharfgeschnittenen Kopf vor und seine stahlharten blauen Augen bohrten sich schier in die Augen des blaß werdenden Stahl.

      Da geschah plötzlich etwas ganz Merkwürdiges. Stahls Blick wurde auf einmal wie verschleiert, starrte geistesabwesend den Richter an, dann schlossen sich seine Augen, der Körper dehnte sich ein wenig, der zum Sprechen geöffnete Mund blieb halb offen, die erhobene Hand steif in ihrer augenblicklichen Lage stehen.

      Die beiden Ärzte, die den Vorgang beobachtet hatten, sprangen zu gleicher Zeit von ihren Stühlen auf und eilten zu Stahl. Sein Körper war starr wie damals, als Dr. Blei ihn im Bahnkupee vorfand.

      Becker war vor Überraschung über diese unerwartete Wendung aufgesprungen und in seinem Gesicht prägte sich eine Mischung von Schrecken und großem Staunen aus. Auf diese Wirkung seiner Worte und seines Blickes war er nicht vorbereitet gewesen.

      »Ja; was ist denn mit dem Mann plötzlich los, um Gottes willen,« fragte er fast ängstlich, die beiden Ärzte forschend anblickend.

      Dr. Blei schaute von seinem Patienten auf:

      »Er wollte anscheinend nur den Wahrheitsbeweis für seine Aussagen antreten,« sagte er mit einem Anflug von Ironie um den Mund, »er ist durch Ihren starren Blick, Herr Amtsrichter, hypnotisiert worden.«

      3. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Kriminalkommissar Hoffmann war nicht müßig gewesen, trotzdem er vorderhand keinen greifbaren Erfolg hatte. Die Steckbriefe zeitigten weiter keinen Effekt, als daß eine ganze Menge Leute festgenommen wurden, die mit der Sache nichts zu tun hatten, und die man, nachdem sie bewiesen, daß sie nicht mit den gesuchten Personen nicht identisch wären, auf freien Fuß setzte.

      Hoffmann hatte Befehl gegeben, alles, was an der Bahnstrecke Stendal-Berlin gefunden wurde, unverzüglich der Polizei in Berlin zu melden, aber das war ein ziemlich hoffnungsloser Schritt, von dem sich Hoffmann selbst wenig oder gar nichts

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