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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Rühren Sie ihn nicht an! Ich bin Arzt!«
Die beiden Beamten traten sofort zurück und machten dem zu so rechter Zeit erschienenen Mediziner Platz. Dieser, ein etwas korpulenter, aber lebhafter, kleiner Herr mit einem freundlichen, runden Gesicht, untersuchte den Erstarrten und stellte sofort fest, daß man es mit keinem Toten zu tun hatte, denn das Herz arbeitete, wenn auch nicht besonders stark, und die atmende Brust hob und senkte sich ziemlich regelmäßig. Auch von Trunkenheit konnte keine Rede sein, denn von Alkoholgeruch war keine Spur zu bemerken. Und doch es war ein sonderbarer Zustand, in dem sich der Mann befand. Auch die Lage des Körpers war merkwürdig, irgendwie starr, fast stocksteif. Er saß nicht, sondern er lehnte vielmehr seitlich verrutscht an der Lehne der Bank, so daß es aussah, als ob man eine große Puppe hätte hinsetzen wollen.
Die schnell angestellten Wiederbelebungsversuche Dr. Bleis, dies war der Name des Arztes, blieben vorderhand ohne Resultat. So befahl er den anscheinend Erstarrten auf eine Bank im Wartesaal zu legen, um ihn dort noch einmal eingehend untersuchen zu können.
Es hatte sich noch ein zweiter Arzt gefunden, der sich bereit erklärte, seinem Kollegen beizustehen, und die beiden Herren folgten den Bahnbeamten, die den Besinnungslosen nach dem Wartesaal transportierten.
Dr. Blei öffnete die Kleidungsstücke des seltsamen Patienten, aber es zeigte sich keine Wunde am Körper, die auf eine Gewalttat hätte schließen lassen können. Am Hals waren keine Strangulationsmerkmale zu bemerken, Herz und Lunge funktionierten ziemlich normal, der Puls ein wenig vermindert – kurz, es war durchaus nichts Außergewöhnliches zu entdecken.
»Wissen Sie, Herr Kollege,« meinte Dr. Blei, »ich will ja keine feste Behauptung aufstellen, aber ich gewinne immer mehr den Eindruck, als wäre der Mann hypnotisiert worden. Meinen Sie nicht auch? Ich wüßte wenigstens nicht, um was es sich sonst handeln könnte. Diese seltsame Starrheit des Körpers trotz regelmäßiger Funktion der inneren Organe – ich kenne derartiges nur von meinen hypnotischen Experimenten her, wo ein solcher Zustand sehr leicht bei dem Hypnotisierten zu finden ist.«
Während sich zwischen den Herren ein kleiner Disput über Hypnose im allgemeinen und diesen Fall im speziellen entwickelte, lag das ›Streitobjekt‹ noch immer starr und steif auf der Bank. Der Herr war zirka dreißig Jahre alt, gut gekleidet und anscheinend den besseren Klassen angehörend. Er war schlank und mittelgroß, das blasse, ziemlich schmale Gesicht hatte einen intelligenten Ausdruck. Das Haar war schwarz und einfach gescheitelt. Der ganze Mann machte den Eindruck eines Bankbeamten etwa.
Dr. Blei setzte gerade ziemlich heftig, mit beiden Händen gestikulierend, irgend eine Theorie auseinander, als mit dem Körper des Bewußtlosen eine Veränderung vorzugehen schien. Die Starrheit der Glieder löste sich allmählich, das eine Bein und der Arm fielen schlaff an der Seite der Bank herunter. Das Bewußtsein des Fremden schien allmählich wiederzukehren. Dann öffnete er die Augen, erhob etwas müde den Oberkörper, aber ein traumähnlicher Zustand umfing ihn noch. Sein Blick war trübe, schien verschleiert, wie bei einem Menschen, der aus einem aus einem tiefen, schweren Schlaf erwacht. Mit hastender Unsicherheit versuchte er sich emporzurichten, stand endlich aufrecht und sah sich verwundert um, als ob ihn seine neue Umgebung überraschte ja verunsicherte. Seine Augen waren noch immer verschleiert und blickten fast furchtsam. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wie um unangenehme Bilder zu verscheuchen.
»Wo ist Heubner?« fragte er leise.
»Sie sind in Berlin, vor wenigen Minuten mit dem Amsterdamer Zuge hier angekommen,« versuchte der liebenswürdige Dr. Blei seinen Patienten beruhigend aufzuklären. Der aber schien ihn nicht zu verstehen, sondern blickte ihn ratlos an und fragte nur noch eindringlicher:
»Ja, aber wo ist Heubner? Und wo der Diamant?«
Dr. Blei faßte den seltsamen Fahrgast am Arm und rüttelte ihn ein wenig.
»Sie scheinen noch zu träumen, Herr! Sie sind soeben allein in Berlin angelangt. Sie haben fest geschlafen, erwachen Sie doch!«
Der Angeredete wich ängstlich zurück.
»Allein?« fragte er und begann sich zu besinnen. Dann schüttelte er den Kopf, wie wenn er das nicht glauben wollte. Er dachte nach, und allmählich schien es in ihm zu dämmern. Sein Gesicht bekam einen erschrockenen Ausdruck, und er fragte noch einmal fast verzweifeltem Tone:
»Allein? Allein? Aber das ist ja nicht möglich. – Das ist ja unmöglich!«
Er griff sich an den Kopf und sah fassungslos drein.
»Schrecklich! Oh Gott, das ist ja schrecklich!« stieß er plötzlich verzweifelt hervor, »ich muß zur Polizei, muß augenblicklich zu Polizei. Die Polizei muß augenblicklich benachrichtigt werden!«
Dr. Blei, der sofort ahnte, daß es sich um etwas Wichtiges, vielleicht sogar um ein Verbrechen, handeln könne, nahm den hoffnungslos Dreinschauenden am Arm und zog ihn mit sich fort.
»Kommen Sie, schnell, wir fahren mit einem Automobil zum Polizeipräsidium, dort können Sie Ihre Anzeige machen. Herr Kollege, wenn es zufällig Ihre Zeit erlaubt, wäre es mir sehr angenehm, wenn Sie so liebenswürdig wären, uns zu begleiten.«
Der nickte bejahend, und der Fremde entfernte sich nun, eskortiert von rundlichen Dr. Blei und von dem würdigen Dr. Weiler.
Ein Polizeikommissar Hoffmann vernahm auf dem Präsidium die drei Herren, deren Aussagen zu Protokoll gebracht wurden.
»Ich bin bestohlen worden, ich bin auf der Reise bestohlen worden,« begann der Fremde sehr aufgeregt zu erzählen, aber der Kommissar unterbrach ihn:
»Vor allen Dingen nicht so hastig, mein Herr. Sie sind es also, der eine Anzeige zu machen hat? Bitte, weisen sie sich zuerst einmal aus. Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Stahl, Franz Stahl,« stellte sich der Angeredete, der einem recht günstigen Eindruck machte, vor. Er hatte gute, gewandte Umgangsformen und schien nicht ungebildet zu sein. Deutsch sprach er fließend und fehlerfrei, nur mit etwas fremdländischem Akzent.
»Machen Sie uns bitte erst einmal nähere Angaben über Ihre Person.«
»Ich bin Angestellter der Diamantenschleiferei Blijdenstein & Co. in Amsterdam. – –«
»Nach mündlichen Aussagen können wir uns aber allein nicht richten,« warf Hoffmann ein. »Ihre Angaben mögen ja richtig sein, aber haben Sie nicht irgendein Papier, einen Pass oder irgend ein andere Legitimation, um sich auszuweisen? Sie müssen doch etwas derartiges besitzen.«
Stahl griff in die Brusttasche seines Jacketts und zog eine Brieftasche heraus, um ihr das gewünschte Papier zu entnehmen. Aber er suchte vergebens darin. Er drehte jeden Zettel um, ohne das Gesuchte zu entdecken, und je mehr er suchte, umso erschrockener wurde sein Gesichtsausdruck.
»Nicht da,« stieß er endlich hervor. »Mein Paß ist gestohlen und ebenso alle anderen wichtigen Papiere. Der Auftrag meines Chefs an die Bank – –«
Hoffmann sah Stahl prüfend an, als ob er das nicht recht glaubte und empfahl ihm, alle Taschen noch einmal genau zu durchsuchen. Aber es war alles vergebens, und die vermißten Dokumente fanden sich zu Stahls größter Verzweiflung nicht.
»Dann machen Sie also Ihre Angaben erst einmal so, wir werden uns schon überzeugen, ob sie richtig sind,« meinte der Kommissar, worauf Stahl zu Protokoll gab, in Amsterdam wohnhaft, ebendort geboren und zweiunddreißig Jahre alt zu sein, seit zwei Jahren im Dienste der bereits genannten Firma zu stehen, in deren Auftrag er nach Berlin gekommen sei.
»So, nun erzählen Sie uns sachgemäß und genau, um was es sich handelt,« sagte endlich der Kommissar, nachdem all die Punkte zur Person erledigt waren.
»Mein Kollege Heubner, H – e – u – b – n – e – r,« buchstabierte er, »und ich bekamen von unseren Chefs den Auftrag, einen