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      * * *

      Das junge Paar weilte gerade auf der Hochzeitsreise in Venedig – als Graf Arthur Kaisenberg vom deutschen Konsulat in Nizza die Nachricht erhielt, daß sich sein Stiefbruder Axel dort erschossen habe, um sich seiner drohenden Verhaftung zu entziehen. Die amtliche Mitteilung war erst auf verschiedenen Umwegen in des Majoratsherrn Hände gelangt, und inzwischen mußten die Überreste des jüngsten Kaisenberg längst in der Ecke irgendeines Friedhofs bestattet worden sein. –

      Graf Arthur war von dieser Kunde völlig niedergeschmettert. Erst langsam begriff er, daß Axel, von dem er seit jenem Briefe zu seiner Hochzeit nichts mehr gehört hatte, ihn in der schändlichsten Weise in dem anscheinend so tiefempfundenen Schreiben aus Verona belogen haben mußte. Vergebens bot die junge Frau ihre ganze Zärtlichkeit auf, um ihn zu trösten. Der Majoratsherr vermochte den demütigenden Gedanken, daß ein Kaisenberg zum Verbrecher herabgesunken war, nicht so schnell zu überwinden. –

      Während die beiden Gatten noch traurig und in bedrücktem Schweigen auf dem Balkon ihres Hauses saßen, wurde Graf Arthur von dem Kellner eine Karte überreicht, bei deren Anblick über des Majoratsherrn verstörtes Gesicht ein heller Freudenschimmer flog.

      »Denk dir, Marga, wer sich hier eben anmeldet!« sagte er froh erstaunt. »Heinz Hagen ist’s, mein alter Heinz. Wir werden ihn doch annehmen, nicht wahr?« setzte er schnell hinzu, als er bemerkte, daß sich ihre Stirn ärgerlich zusammenzog. Die junge Frau bedeutete dem Kellner, erst in dem Salon auf Antwort zu warten, bevor sie sehr ernst erwiderte:

      »Es tut mir leid, Arthur, daß ich der schmerzlichen Nachricht über Axels Ende noch eine neue Enttäuschung hinzufügen muß. Der Professor ist jedoch deiner Freundschaft nicht wert. Damals, als ihm angeblich der Wappenring der Borgia aus dem Fenster des Bibliothekzimmers in den Weiher fiel, stand ich so hinter ihm, daß ich sein Profil in dem weit offenen Fensterflügel wie in einem Spiegel ganz deutlich sehen und alles beobachten konnte, was er tat. Und da habe ich leider bemerkt, daß er den Ring mit einer hastigen Bewegung in die Westentasche steckte, bevor er sich mit so gut geheuchelter Verlegenheit uns wieder zuwandte. Hagen ist eben einer jener leidenschaftlichen Sammler von Altertümern, die gegebenen Falles selbst vor einem Diebstahl nicht zurückschrecken.

      Nun wirst du dir auch mein verändertes Benehmen ihm gegenüber erklären können. Und wenn ich bisher geschwiegen habe, so geschah es nur aus Rücksicht auf dein leicht empfindliches Herz. Ich wollte uns eben die Seligkeit der Hochzeit und der Flitterwochen nicht trüben. Hiernach wirst du selbst es wohl für am richtigsten halten, wenn wir auf Hagens Besuch unter irgendeinem Vorwand verzichten. Denn daß meine Augen sich damals in dem Bibliothekzimmer auf Schloß Waldburg getäuscht haben, ist – –«

      » – ausgeschlossen, vollkommen ausgeschlossen!« vollendete plötzlich eine tiefe Männerstimme. Zwischen den Portieren der Balkontür stand der Professor, und um seinen Mund spielte ein leises Lächeln. Mit tiefer Verbeugung näherte er sich dann der Gräfin und streckte ihr freimütig die Hand hin.

      »Gnädigste Gräfin, schlagen Sie ein! Es ist wirklich nicht die Hand eines Diebes, in die Sie Ihre zarten Finger legen sollen. Gewiß – Sie haben damals richtig gesehen – ich verbarg den Ring in meiner Westentasche. Aber ich hatte meine bestimmten Gründe dazu, sehr schwerwiegende Gründe, die mich und mein Verhalten rechtfertigen werden. Verzeihen Sie auch mein formloses Eindringen hier. Doch ich ahnte, daß Sie mich nicht vorlassen würden, da ich Ihre Worte auf der Terasse von Waldburg mir sehr gut zu deuten wußte. Und ich war es meiner alten Freundschaft mit Arthur schuldig, endlich einen Vorfall aufzuklären, der in ihm berechtigte Zweifel über meine Ehrenhaftigkeit hätte hervorrufen können.«

      Das alles klang so ungekünstelt wahr und herzlich, daß Marga Kaisenberg ihm jetzt ebenfalls ihre schmale Hand hinreichte und leicht verwirrt den alten Bekannten mit einigen freundlichen Worten begrüßte. Am erfreutesten über diese glückliche Wendung war jedoch Graf Arthur, der in seinem Innern auch nicht einen Augenblick an dem Freunde irre geworden war und sofort irgendein Mißverständnis vermutet hatte. Und um dem Professor sofort zu beweisen, daß er noch das frühere Vertrauen in ihn setze, erzählte er ihm, nachdem sie kaum wieder Platz genommen hatte, das wenige, was er von seines Stiefbruders Tod wußte.

      »Ich habe schon immer gefürchtet,« meinte Hagen dann ernst, »daß es mit Axel ein trauriges Ende nehmen würde. Aber glaube mir, Arthur, er ist es nicht wert, auch nur einen Gedanken des Bedauerns seinem verfehlten Leben zu widmen. Denn das, was ich deiner Frau und dir jetzt berichten will, hängt leider ebenfalls nur zu sehr mit deines Stiefbruders Person zusammen, liefert einen weiteren Beweis, daß er ein gänzlich verderbter Charakter war.« –

      Er wandte sich zu Frau v. Kaisenberg. »Ich will noch einige Bemerkungen vorausschicken, damit Ihr das Weitere in seiner ganzen Tragweite verstehen könnt. – Wie Sie vielleicht wissen, habe ich mich hauptsächlich mit dem Studium des fünfzehnten Jahrhunderts der Geschichte Italiens beschäftigt, jener Epoche, in der trotz der politischen Zersplitterung auf der Apeninnenhalbinsel Gewerbe und Kunstfleiß sich entfalteten und mitten unter den Wirren und Kämpfen sich die Kultur der Renaissance zu herrlicher Blüte geistigen Lebens und Schaffens entwickelte, in der aber auch die gegenseitige Eifersucht der Machthaber, Geldgier und Herrschsucht Charaktere bildeten, die mit Gift und Dolch ihren Zielen nachstrebten, Charaktere wie z.B. Cesare Borgia, Herzog von Valencia, der unter anderen Freveltaten auch seinen eigenen Bruder und seinen Schwager, den Gatten der ebenso berüchtigten Lucretia Borgia, ermordete und für seine Zwecke die teuflischst ersonnenen Mittel und Instrumente benutzte. In meinem umfangreichen Werk über die Familie Borgia finden Sie nun auch einen Ring erwähnt, den Cesare Borgia nach den Aufzeichnungen des Abtes Feriora, des besten Kenners jenes Abschnittes italienischen Kulturlebens, bei einem Goldschmied in Rom nach eigenen Angaben fertigen ließ und der mit einem Mechanismus versehen war, durch den der Träger des Ringes unfehlbar vergiftet wurde.

      Welche Schandtaten mit Hilfe dieses von dem Abte Feriora genau beschriebenen tückischen Mordwerkzeugs begannen sind, hat die Geschichtsforschung nicht mehr nachweisen können. Der Ring, welcher das in einen Topas eingeschnittene Wappen der Familie Borgia zeigte, blieb dann mehrere Jahrhunderte lang verschwunden. Ich selbst sollte ihn zum erstenmal an jenem Tage sehen, als wir auf Schloß Waldburg die Hochzeitsgeschenke auspackten, erkannte ihn aber nach Ferioras Beschreibung sofort an der eigenartigen Form und Fassung der Steine wieder. Ich hätte jedoch wohl kaum irgendeinen Argwohn gehegt, wenn mich nicht schon vorher verschiedene auffällige Umstände stutzig gemacht haben würden. Zunächst enthielt nämlich Axels für meinen Geschmack viel zu gekünstelter und auf bloßes Stimmungsmachen berechneter Brief eine bewußte Lüge. Denn von Geheimrat Willmers hatte ich erfahren, daß Dein Stiefbruder, lieber Arthur, in Monte Carlo wie ein Unnsinniger gespielt und stets verloren hatte. Und damals schrieb er Dir doch mit größter Aufrichtigkeit, daß er keine Karte angerührt habe. Weiter wollte er dann die Truhe und den Ring in Verona gekauft haben, was aber garnicht zu dem kleinen Firmenschildchen stimmte, das ich am Boden der Truhe aufgeklebt fand und das von Axel sicherlich übersehen worden war. Dieses trug nicht die Adresse eines Veronesers, sondern die eines Antiquitätenhändlers aus Rom. Durch diese Beobachtungen war bereits ein unbestimmtes Mißtrauen in mir rege geworden. Als ich dann am Fenster des Bibliothekzimmers stand und sah, daß ich tatsächlich den berüchtigten Giftring der Borgia in der Hand hielt, reihte sich blitzschnell in meinem Hirn eine lange Kette von Kombinationen aneinander. Du hattest mir erzählt, daß Axel die Nachricht von deiner bevorstehenden Heirat mit auffallendem Gleichmut entgegennahm, trotzdem für ihn dadurch jede Hoffnung auf den einstigen Erwerb des Majorats erlosch, zu der er durch deine anfänglich so schwere Erkrankung einigermaßen berechtigt war. Diese Gelassenheit wollte mir nie ganz echt erscheinen, besonders da ich seine Charakterveranlagung genau kannte, jedenfalls genauer als du selbst, der von niemandem so leicht etwas Schlechtes annehmen mag. Hieran erinnerte ich mich plötzlich, und notwendig sprangen meine Gedanken dann zu jenen Unwahrheiten über, die deines Stiefbruders Brief mir offenbart hatte. Jetzt glaubte ich an seine angebliche Besserung, seine reuevolle Einkehr nicht weiter. Und dem gewissenlosen Lügner, dem, der sein Ehrenwort, nicht mehr zu spielen, so leichtsinnig brach, besonders aber dem federgewandten Heuchler, der dein Mitleid durch tönende Phrasen wecken wollte, durfte ich auch eine noch größere Schurkerei zutrauen – eben den Versuch, dich durch den Giftring noch vor der Hochzeit

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