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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Schwer atmend lehnte er jetzt in dem bequemen Korbstuhl, während seine junge Frau, die neben ihm saß, ihn wie schützend umfangen hielt.
»Unmöglich, Heinz – unmöglich!« stöhnte er auf. »Du mußt dich irren! Denn das – – das wäre ja gar nicht auszudenken – der einzige Bruder – derartige Absichten –«
»Und doch ist es so!« fuhr Hagen traurig fort. »Wir, die wir stets aufrechten Hauptes in dem Bewußtsein unserer untadeligen Gesinnung durch das Leben gegangen sind, ahnen nicht, welche Abgründe sich in der Seele eines Menschen auftun können, der einmal erst von dem geraden Wege abgewichen ist. Vom Spieler zum Mörder ist nur ein kurzer Schritt, das lehrt uns die Kriminalstatistik aller Länder. Und so war’s auch mit Axel. Ein Zufall spielte ihm den Giftring in die Hände, und schon erstand in ihm der ungeheuerliche Plan, diesen Zufall für seine Zwecke auszunutzen.
Er schickte dir den Ring als Hochzeitsgeschenk, bat dich, denselben zum Andenken zu tragen, schrieb kaltblütig diese Worte nieder, die in Wahrheit dein Todesurteil werden sollten! Daß es nicht geschah, hat eine höhere Macht verhindert. Gerade ich, einer der wenigen, die das Geheimnis des Wappenringes kannten, mußte ihn zu Gesicht bekommen, mußte sofort den eigentlichen Zweck dieses Geschenkes durchschauen. Und schnell entschlossen ließ ich ihn in meiner Westentasche verschwinden, erfand ebenso glücklich die Ausrede, daß er in den Weiher gefallen sei. Du glaubtest an dieses Märchen, ahntest den wahren Sachverhalt nicht. Doch deine Gemahlin hatte mich beobachtet.
Und damals, gnädigste Gräfin, als Sie so erzürnt auf der Terasse in Waldburg vor mir standen, da fehlte nicht viel, und ich hätte mein Geheimnis preisgegeben. Das ich schwieg und ruhig Ihre Verachtung weitertrug, geschah aus denselben Gründen, die mich schon vorher dazu bestimmt hatten, den Ring heimlich an mich zu nehmen. Denn sage selbst, Arthur – wäre dir nicht jeder Frohsinn, jede freudige Erwartung für deinen Hochzeitstag genommen worden, wenn ich dir damals sofort in der Bibliothek meinen Verdacht mitgeteilt, dir auch bewiesen hätte, daß das Gift in dem Ringe noch seine volle Wirksamkeit besaß? –
Der Gedanke, von einem Menschen, der deinen Namen trägt und dem du nur Gutes getan hast, mit so schnödem Undank behandelt zu sein, wärest du so bald nicht losgeworden. Er hätte die erste Zeit deines Eheglücks mit dunklen Schatten verdüstert, hätte dir sicherlich die jetzt reine, selige Erinnerung an deinen Vermählungstag getrübt. Und das durfte ich als dein Freund nicht zulassen. Ich habe es verhindert, nahm mir jedoch zugleich vor, dich später in alles einzuweihen, einmal um dir über deinen Stiefbruder die Augen zu öffnen und dann auch, um mich von dem Verdacht zu reinigen, daß ich den Ring – stehlen wollte. –
Gnädigste Gräfin, Sie brauchen mich nicht so unter Tränen um Verzeihung bittend anzusehen. Ich habe Ihnen diesen Verdacht auch nicht einen Augenblick verargt. Wie sollten Sie auch die Motive meines Handels begreifen, da der Wappenring für Sie nichts anderes war, als eine wertvolle Antiquität? Sie konnten sich aus Ihrer Beobachtung nur eine Meinung bilden, eben die, bei der ich am schlechtesten wegkam. –
Doch ich muß zu Ende kommen, will mich kurz fassen, um endlich dieses unerquickliche Thema zu erledigen. Nach deiner Hochzeit, Arthur, reiste ich sofort nach Rom, um dieser mysteriösen Ringgeschichte auf die Spur zu kommen. Ich wollte versuchten, festzustellen, wo Axel den BorgiaRing aufgestöbert hatte, wollte nebenbei auch zusehen, ob ich nicht herausbringen könnte, in wessen Händen das gefährliche Schmuckstück sich die letzten Jahrhunderte über befunden hatte. Das wäre jedenfalls eine wertvolle Bereicherung für mein Werk über die Familie Borgia gewesen. Ich sage: wäre! Denn diese meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Dafür erfuhr ich aber von jenem Händler in Rom, dessen Adresse ich unten auf dem Boden der Truhe gefunden hatte und den ich natürlich zuerst aufsuchte, so mancherlei, was mir nur zu sehr bewies, wie so begründet mein Verdacht gegen den Axel gewesen war. Der Händler wollte zunächst nicht recht mit der Sprache herausrücken, leugnete sogar, jemals eine Truhe, wie ich sie ihm beschrieb, besessen zu haben. Ich merkte sofort, daß der Mann, der auffällig ängstlich und verschüchtert war, mich belügen wollte. Und um mich nicht lange mit dem aalglatten Italiener aufzuhalten, wandte ich ein Mittel an, das seine Wirkung nicht verfehlte. Ich zeigte dem Antiquitätenhändler einfach den Ring und beobachtete dabei sein Mienenspiel. Der Erfolg war überraschend: er erbleichte, begann zu zittern. Das genügte mir. Er kannte also den Ring, und nun brauchte ich auch nicht länger zu bitten. Freiwillig erzählte er mir, daß Axel den Ring von ihm gekauft und ihm später dann auch das Geheimnis desselben abgepreßt habe.«
Hierauf berichtete der Professor dem entsetzt aufhorchenden Ehepaar, auf welche unheimliche Art der reiche Amerikaner und Lady Warngate in Ernesto Bragenzas Laden den Tod gefunden hatten.
»Axel wußte demnach,« fuhr er sodann fort, »daß das Gift des Wappenringes durch die inzwischen verflossene Zeit nichts von seiner verderblichen Wirkung verloren hatte, wußte es und schickte dir, Arthur, trotzdem das furchtbare Mordinstrument mit der heuchlerischen Bitte, es zum Andenken an ihn zu tragen, wollte dich also beseitigen, beseitigen auf die heimtückischste Weise, die je das verbrecherische Hirn eines Menschen ersann. Nun, das Schicksal hat ihn inzwischen ereilt. Er hat sich selbst gerichtet, nachdem er wahrscheinlich vergeblich von Tag zu Tag auf die Nachricht deines Todes gewartet und damit auf die Reichtümer gehofft hatte, die ihm die Fortsetzung seines Spielerdaseins ermöglichen sollten.
Nach alledem, Arthur, mußt du Axels Namen aus deinem Gedächtnis auslöschen, als ob er nie gelebt hätte. Ich tue es gewiß. Nie wieder wird der entartete jüngste Kaisenberg von mir erwähnt werden.«
Auf falscher Fährte
1. Kapitel
»Alles aussteigen! Schlesischer Bahnhof! Alles aussteigen!« riefen die Schaffner und rissen die Kupeetüren auf, als der Schnellzug Amsterdam–Berlin zischend und fauchend in der mächtigen Halle zum Stillstand kam.
Die Gepäckträger rannten entlang der Wagenreihe, Rufe ertönten, die Reisenden drängten zum Ausgang.
»Aussteigen! Steigen Sie aus, Herr! Wir sind im Schlesischen Bahnhof! Endstation!« rief ein Bahnbeamter in eines der leeren Kupees zweiter Klasse hinein, in dem ein Mann saß. Doch der Angerufene rührte sich nicht.
Als der Schaffner ihm an die Schulter griff und ihn wachzurütteln versuchte, verlor er das Gleichgewicht und drohte vom Sitz zu fallen wie eine Figur, die man angestoßen hat und die dadurch ins Schwanken gerät. Der Bahnbeamte rief einen Kollegen:
»Du, Karl, schnell, komm mal her, aber mach ein bißchen fix. Ich glaube, hier ist ein Toter im Abteil!«
Der Angerufene eilte so schnell als möglich herbei,