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den Auftrag nicht übernommen!«

      »Der Diamant ist Ihnen auf der Reise gestohlen resp. geraubt worden? Nicht wahr?«

      Stahl nickte.

      »Und wo ist denn Ihr Kollege Heubner?«

      »Ich weiß es nicht – ich bin allein hier angekommen.«

      »Und wo ist er dann ausgestiegen?«

      »Das weiß ich auch nicht.«

      »Also schön,« sagte der Kommissar ruhig und ließ seine prüfenden Augen auf Stahl ruhen, »Sie bestreiten, in irgend einer Weise mit dem Diebstahl in Verbindung zu stehen, Mitwisser zu sein, oder sonst über ihn orientiert zu sein?«

      Stahl beteuerte seine Unschuld.

      »Ja. Ich weiß nichts, absolut nichts,« antwortete er, der dem Weinen bei diesen Anschuldigungen nahe war.

      »Nun erzählen Sie uns den Verlauf der Eisenbahnfahrt.«

      »Wir stiegen gestern abend 6.45 Uhr in den Schnellzug, der nach Berlin direkt durchfährt. Mit uns im Kupee befand sich nur noch eine junge Dame, die bald nach uns, kurz vor der Abfahrt des Zuges, in das Abteil einstieg. Ich kannte sie nicht, und Heubner anscheinend auch nicht. Anfangs sprachen wir nicht miteinander, nach und nach jedoch entwickelte sich ein Gespräch, wie das auf einer langen Fahrt eben so ist, und wir unterhielten uns sogar recht angenehm. Aber nur über gleichgültige Dinge; über Reisen, über Berlin zum Beispiel. Von unserer Mission sprachen wir natürlich nicht.«

      »Stellten Sie sich der Dame vor? Sagten Sie ihr vielleicht, wo Sie angestellt wären? Machten Sie Andeutungen irgendwelcher Art, daß Sie in einer wichtigen Angelegenheit nach Berlin führen, daß Sie einen großen Wertgegenstand mit sich führten?«

      »Nein. Wir hatten strenge Vorgaben, nichts derartiges irgendwie verlauten zu lassen. Vorgestellt haben wir uns natürlich, aber wo wir angestellt wären, davon sprachen wir nicht.«

      »Haben Sie vielleicht beobachtet, daß Heubner der Dame irgendwie Zeichen machte oder umgekehrt?«

      »Nein. Sie schienen einander nicht zu kennen.«

      »Dann erzählen Sie also weiter.«

      »Hinter Hannover bekam Heubner starke Kopfschmerzen, weshalb die Dame ihm ihr Riechfläschchen anbot. Es half und Heubner wurde es bald wieder besser und er legte sich hin, um ein wenig zu schlafen. Ich unterhielt mich mit der Dame derweil weiter. Aber dann wurde auch ich immer müder und müder, ich wollte mich aufrechterhalten, doch meine Augenlider wurden so schwer, als ob sie von Blei wären. Ich fühlte deutlich, ich müsse einschlafen. Da wollte ich noch Heubner wecken. Dazu war ich aber nicht mehr imstande. Ich wollte die Hand nach ihm ausstrecken, doch es war mir nicht möglich, sie zu erheben. Es war mir, als ob sie starr geworden wäre.«

      »Das klingt ja sehr seltsam,« sagte der Kommissar, »ganz unwahrscheinlich klingt das.«

      Dr. Blei wollte etwas einwerfen, aber Hoffmann wehrte mit der Hand ab.

      »Was meinen Sie denn, was da vorgegangen ist?«

      »Die beiden Herren da, die Ärzte sind, sagten mir, daß ich wahrscheinlich hypnotisiert worden bin.«

      »Vermutlich doch von der Dame, obgleich das durchaus nicht so wahrscheinlich ist. Und Sie sagen, Heubner schlief während diese Hypnose geschah. Ist Ihrem Kollegen etwas derartiges zuzutrauen?«

      Stahl zögerte mit der Antwort, so daß der Kommissar fortfuhr.

      »Eigentlich doch nicht, denn es wäre schwer verständlich, wenn Ihr Chef einen solchen Auftrag nicht nur ganz vertrauenswürdigen Angestellten übertragen hätte, oder …? – Beschreiben Sie doch einmal möglichst genau das Äußere der Dame, die mit Ihnen gefahren ist.«

      »Sie war mittelgroß, schlank und sehr elegant. Sie hatte einen brünetten Teint, tiefdunkles, fast blauschwarzes Haar. Ihr Gesicht war ziemlich scharf und energisch geschnitten, der Mund mit auffallend guten Zähnen versehen. Die Augen waren, wenn ich mich recht erinnere, hellgrau. Ich schätze sie auf zirka vierundzwanzig Jahre.«

      »Worin trugen Sie denn den Diamanten mit sich?«

      »In einem kleinen eisernen Kästchen mit zwei Schlössern, deren Schlüssel Heubner und ich besaßen. Es befand sich in meiner schwarzen Lederhandtasche, die auch verschwunden ist.«

      »Wo hatten Sie Ihren Schlüssel?«

      »In meinem Portemonnaie, das gleichfalls fort ist. Es war nur ein wenig Silbergeld darin.«

      »Nun erzählen Sie uns mal etwas von Ihrem Kollege Heubner. Wie alt er ist, ob er schon lange im Geschäft mit Ihnen zusammenarbeitet. Beschreiben Sie sein Äußeres genau.«

      »Heubner ist etwas größer als ich, zirka 1,75, schlank. Er ist zwei Jahren jünger als ich, dreißig Jahre also. Er trug einen dunklen Reiseanzug, schwarze Stiefel und einen runden, steifen Hut. Er hat braunes, ein wenig gewelltes Haar, einen Scheitel und ein kleines Schnurrbärtchen. Im Geschäft ist er seit seinem sechzehnten Lebensjahr, also seit vierzehn Jahren. Die Chefs haben sehr großes Vertrauen zu ihm.«

      »Wissen Sie vielleicht, ob er zu irgend jemanden vorher über Ihre geplante Reise sprach? Wann erfuhren Sie denn überhaupt, daß Sie und Heubner den Auftrag bekämen?«

      »Ungefähr vor einer Woche. Ob Heubner zu jemandem gesprochen hat, weiß ich natürlich nicht.«

      »Haben Sie vielleicht Verdacht, Herr Stahl, wer der Täter sonst eventuell sein könnte? Oder wissen Sie, wer möglicherweise die Dame sein könnte. Hatte Heubner in Amsterdam eine Geliebte?«

      »Ich wüßte nicht, und ich habe auch keine Ahnung, wer die Dame war. Sie sah mir am ehesten nach einer Schauspielerin aus. Ja, sie war geschminkt.«

      »Sprachen Sie mit ihr deutsch oder holländisch?«

      »Holländisch.«

      »Nun sagen Sie mir noch, welchen Auftrag hatten Sie in Betreff des Diamanten hier in Berlin?«

      »Ein Herr Doktor Wendland, der hier in Berlin wohnte, gab den Stein, der weit über eine Million Mark wert sein soll, zu uns zum Schleifen, was nach seinen eigenen genauen Angaben geschehen sollte. Vor zirka einem Monat ist, wie wir erfuhren, Doktor Wendland hier gestorben, und der Stein sollte bis zur Entscheidung der Erbschaftsstreitigkeiten im Safe der Deutschen Bank in Berlin aufbewahrt werden, wohin Heubner und ich ihn bringen sollten.«

      »Erinnern Sie sich noch, wann und wo ungefähr Heubner und Sie eingeschlafen sind?«

      »Es muß meiner Meinung nach gegen Ende der Fahrt gewesen sein, wir waren schon hinter Stendal.«

      »Zwischen Stendal und Berlin hielt der Zug nicht mehr. Folglich kann weder die Dame noch Heubner vorher ausgestiegen sein, sie müssen also in Berlin sein. Sie gaben aber vorhin an, Sie wären allein am Schlesischen Bahnhof im Kupee aufgefunden worden. Wie ist das möglich?«

      »Das weiß ich nicht. Aber vielleicht sind sie beide früher in Berlin ausgestiegen. Der Zug hält ja auch auf anderen Berliner Bahnhöfen. Ich sollte mit Heubner ursprünglich auch am Bahnhof Friedrichstraße aussteigen.«

      Er lehnte sich erschöpft zurück und stützte den Kopf in die Hände. Der Kommissar wandte sich jetzt an die beiden Herren, die bisher ohne ein Wort zu sprechen dem Verhör beigewohnt hatten, was besonders dem lebhaften, kleinen Dr. Blei schwergefallen war.

      »Was haben die Herren mit der Angelegenheit zu tun?« fragte Hoffmann.

      Dr. Blei und Dr. Weiler stellten sich vor und wiesen sich aus. Dann nahm Dr. Blei das Wort und erzählte, in welchem Zustand er Stahl gefunden, welche Beobachtungen er gemacht habe und sprach zuletzt die Ansicht, die bei ihm zur festen Überzeugung geworden war, aus, daß Stahl während der Fahrt hypnotisiert worden sei und vom Hypnotiseur dabei in kataleptische Starre versetzt wurde, während welcher man den Diebstahl dann ausführte.

      Der Kommissar erhob sich.

      »Ich danke Ihnen, meine Herren, vorderhand für Ihre Auskunft. Wir

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