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Fach vorhanden sein mußte.

      Und nach einigem Suchen fanden wir es auch. Es war sehr geschickt an der Rückwand verborgen und ließ sich nur durch das Hochschieben einer kleinen, ganz unauffälligen Holzleiste öffnen. Zu unserer Überraschung bemerkten wir darin zwischen einem Haufen gänzlich zerfressener Pergamentblätter ein kleines Holzkästchen, dasselbe Holzkästchen, das sich jetzt in Ihrem Besitz befindet. Und in diesem Kästchen lag ein Ring, derselbe Ring, den Sie heute von meiner Frau kauften.

      Der Amerikaner – er hieß Sounderton, ich werde den Namen nie vergessen – schien sofort die wertvolle Eigenart und das Alter des Ringes erkannt zu haben, trat an das Fenster und besichtigte ihn mit Kennermiene, offenbar schon entschlossen, ihn zu erwerben. Ich stand neben ihm, und ahnungslos ließ ich es geschehen, daß er ihn über den Ringfinger seiner linken Hand streifte, was nicht ganz leicht gehen wollte, da Sounderton ziemlich dicke Gelenke hatte. Mit einemmal zuckte er leicht wie unter einer plötzlichen Schmerzempfindung zusammen und führte schnell die Linke an die Augen, indem er den Ring forschend hin und her drehte. Dann zog er ihn jedoch ruhig wieder ab und reichte ihn mir hin. ›Ich möchte beides kaufen, den Schreibtisch und diesen Wappenring. Nennen Sie mir den Preis,‹ sagte er dabei in seiner kurzen Art und ging dann der Mitte des Ladens zu, als ob er sich das alte Möbelstück nochmals ansehen wollte. Kaum aber hatte er zwei Schritte vorwärts getan, da begann er zu taumeln und sank auch schon, ehe ich noch zuspringen und ihn auffangen konnte, zu Boden und schlug hart mit dem Kopf auf. Sie können sich unser Entsetzen denken, Herr Graf – ich hatte in meiner Ratlosigkeit und Angst schnell meine Frau herbeigerufen, als es uns trotz Anwendung aller nur möglichen Belebungsmittel nicht gelingen wollte, den anscheinend Ohnmächtigen wieder zum Bewußtsein zu bringen. Schließlich lief ich zum nächsten Arzt, aber dieser konnte nur den bereits eingetretenen Tod feststellen.

      Dann erschien die Polizei, es wurde das übliche Protokoll aufgenommen und darin als Todesursache ›Gehirnschlag‹ vermerkt, obwohl das Gesicht der Leiche auch nicht im geringsten außergewöhnlich gerötet oder verzerrt war. Niemand schöpfte also irgendeinen Verdacht, ich selbst am allerwenigsten. Auch für mich war der Amerikaner eines natürlichen Todes gestorben. Wie sollte ich auch auf die Vermutung kommen, daß es sich anders verhielt, daß – Doch ich will nicht vorgreifen.

      Der alte Schreibtisch aus dem Palazzo Orsani stand nun wieder in der Ecke meines Ladens, und auch das Kästchen mit dem Wappenring bewahrte ich weiter in seinem Geheimfach auf. Doch einen neuen Käufer fand ich für die Sachen nicht. So vergingen ungefähr acht Monate, und ich hatte den Tod Soundertons inzwischen fast vergessen, als an einem Nachmittag in diesem Frühjahr ein junger Engländer – Lord James Warngate, wie ich später erfuhr – mit seiner Gemahlin vor meinem Hause vorfuhr und mein Geschäft betrat.

      Die Herrschaften kauften wir auch bald ein elfenbeingeschnitztes Schachspiel ohne langes Handeln ab und besichtigten dann weiter die wertvollsten Stücke meiner Sammlung, die ich teilweise sogar vom Bodenraum heruntertrug. Während meine Frau dem Lord die große Wanduhr mit den beweglichen Figuren und dem Spielwerk erklärte und den Mechanismus in Gang setzte – Sie werden das dunkelgebeitzte Kunstwerk wohl an der Rückwand des Ladens bemerkt haben, Herr Graf – und ich vor seiner Gattin am Fenster einige echt venetianische Spitzen ausbreitete, fiel mir plötzlich der Wappenring ein, an den ich in meinem Eifer, möglichst viel Sachen loszuwerden, noch gar nicht gedacht hatte. Ich nahm ihn aus dem Geheimfach des alten Schreibtisches heraus und reichte ihn der Dame, die sofort ein lebhaftes Gefallen an ihm zu finden schien. Langsam streifte sie den linken Handschuh ab, und indem sie ganz nebenbei nach dem Preise fragte, schob sie den Ring wie spielend über den Finger. Ich forderte sechshundert Lire. Sie nickte nur und schaute sich fragend nach Lord Warngate um, der sich aber um unser Gespräch gar nicht gekümmert hatte und noch immer neben meiner Frau vor der alten Wanduhr stand, deren Spielwerk jetzt eben ein getragenes Kirchenlied begann.

      ›Sechshundert Lire – gut; James wird den Ring kaufen,‹ sagte sie nachlässig und wandte ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem Schmuckstück zu, das noch immer an ihrer Hand glänzte. ›Schade, daß die Gravierung des Wappens so verstaubt ist‹, sagte sie darauf bedauernd. Und schon zog sie ein feines Batisttüchlein hervor und begann den gelben Topas eifrig zu reiben.

      Ich sehe sie noch vor mir, die schlanke Engländerin mit dem zarten, vornehmen Gesichtchen, wie sie den Reif an ihrem Finger immer wieder anhauchte und den Wappenstein zu reinigen suchte, höre noch ihren leisen Aufschrei, sehe sie noch den Ring hastig vom Finger reißen und auf den Stuhl zwischen die kostbaren venezianischen Spitzen schleudern. Ja, ich werde die Einzelheiten dieser Szene wohl nie, nie vergessen! Und dann wies sie auf ihren Ringfinger hin, auf dessen durchsichtig weißer Haut jetzt zwei rote Pünktchen zu bemerken waren, Pünktchen so fein wie Nadelstiche. ›Ich habe mich an dem Ringe geritzt, er muß eine scharfe Kante haben‹, meinte sie verwirrt, als ob sie sich bei mir entschuldigen wollte, daß sie mit meinem Eigentum so unvorsichtig umgegangen war.

      Nur ich hörte diese Worte, ich ganz allein, Herr Graf – zum Glück! Der Klang ihrer weichen Stimme liegt mir noch heute im Ohr, als wäre alles erst gestern geschehen. Und dazu spielte im Hintergrund des Ladens die Wanduhr ihr trauriges Lied.

      Dann, Herr Graf, dann wiederholte sich genau derselbe Vorfall wie damals mit dem Amerikaner. Auch Lady Warngate machte noch einige Schritte zu ihrem Gatten hin, taumelte plötzlich, schrie noch einmal laut ›James!‹ und sank ihrem Manne bewußtlos in die Arme. Wir brachten die Ohnmächtige, die sich gar nicht erholen wollte, auf mein Anraten in den draußen wartenden Wagen, und der Lord fuhr in rasendem Tempo mit ihr zum nächsten Arzt. Ich sage: die Ohnmächtige! Und doch fürchtete ich, daß die Dame nicht mehr zu retten war, daß wir bereits einen Leichnam in das Gefährt getragen hatten, – ahnte es, da die Worte: ›Ich habe mich an dem Ringe geritzt‹ einen furchtbaren Verdacht in mir entstehen ließen, der durch die näheren Umstände dieses Ohnmachtsanfalls nur noch verstärkt wurde. Denn beide, sowohl Sounderton wie Lady Warngate, waren umgesunken, nachdem sie den Wappenring nur für wenige Minuten getragen hatten, und bei beiden hatte ich auch vorher dasselbe schmerzliche Zusammenzucken bemerkt.«

      Atemlos, weit vorgebeugt, war Axel Kaisenberg den Worten des Händlers gefolgt. Jetzt begriff er alles. Und die Gedanken, die jetzt blitzschnell sein Hirn durchkreuzten, waren auch für seine stählernen Nerven zu viel. Jetzt wußte er, welcher entsetzlichen Lebensgefahr er entronnen war. Mehrmals wechselte er die Farbe, stierte den Italiener aus weit aufgerissenen Augen an und preßte endlich heiser hervor:

      »Der Ring ist vergiftet?! – So antworten Sie doch!«

      Bragenza nickte scheu. Da erhob sich Axel fast taumelnd, ging zum Tische und stürzte mehrere Gläser von dem feurigen Wein hinunter. Aber beim Einschenken zitterte seine Hand derart, daß ein großer Teil auf die Decke floß. Dann ließ er sich wieder schwer auf den Diwan fallen.

      »Erzählen Sie weiter!« sagte er mühsam. »Ist Lady Warngate gestorben?«

      »Ja, Herr Graf, – meine Ahnung bestätigte sich leider. Die Dame ist nicht wieder zu sich gekommen. Ein Herzschlag, hat der Arzt gemeint, zu dem sie hingebracht worden war. Und alle Welt hat an diesen Herzschlag geglaubt, – alle Welt, nur ich nicht! Denn ich hatte inzwischen den Wappenring vorsichtig untersucht und dabei festgestellt, daß mein Verdacht richtig gewesen. Geben Sie mir den Ring, Herr Graf, und ich will Ihnen die teuflische Einrichtung zeigen, mit der man morden kann, ohne je eine Entdeckung fürchten zu müssen.«

      Als Axel ihm mit äußerster Vorsicht das gefährliche Instrument gezeigt hatte, fuhr Bragenza erklärend fort:

      »Sie sehen hier unter dem Wappenstein in dem Golde zwei feine Löcher, Herr Graf. Wenn ich nun auf den Topas, der für gewöhnlich durch eine kleine, unsichtbare Feder gegen die Fassung gepreßt wird, leicht drücke, so dringen aus dieser Öffnung zwei dünne Nadeln hervor, – da, gegen das Licht können Sie dieselben deutlich bemerken. Hört der auf den Stein ausgeübte Druck auf, so gleiten auch die Nadeln wieder zurück, die mit einem beinahe augenblicklich wirkenden Gifte umgeben sein müssen. –

      Das ist das furchtbare Geheimnis, Herr Graf! Und jeder, der den Ring überstreift und dann den Topas berührt oder mit ihm irgendwo anstößt, wird ahnungslos ein Opfer dieser unheimlichen Mordwaffe, indem sich die vergifteten Spitzen in seinen Finger bohren. Niemand

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