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verschwunden, der dann ohne Übereilung das Geldspind und das Vorstandszimmer wieder verschloß, die Riegel von den Türen der Bibliothek zurückschob und durch den Kamin seinen Rückweg antrat, ohne irgend eine Spur seiner Tätigkeit zu hinablassen. Ungesehen gelangte er auf die Straße zurück und verschwand in der Richtung nach dem Karussel Platz, während die ersten Schimmer des anbrechenden Morgens über dem Häusermeer der Millionenstadt aufzuckten. –

      * * *

      Graf d’Auberville kehrte gerade von einem Ausflug nach der kleinen, idyllisch gelegenen Seineinsel Marante zurück und fuhr in gemäßigtem Tempo in seinem ›Mercedes‹ die Champs Elysees entlang, als er von dem Vikomte de Tisserant, der auf einem zierlich gebauten Apfelschimmel den Reitweg heruntertrabte, mehrmals angerufen und durch heftiges Winken zum Halten veranlaßt wurde.

      Der Graf, der seinen Wagen selbst führte, lenkte vorsichtig an die begrenzende Baumreihe heran und stellte dann den Motor ab.

      »Endlich finde ich dich – endlich,« begann der Vikomte, ohne sich Zeit zu lassen, den Freund zu begrüßen. »Ich habe dich überall gesucht. Daß du auch gerade heute ausfahren mußtest – gerade heute, wo ich dich so nötig brauchte!«

      »Der schöne Nachmittag lockte mich, und die frische Luft und der Kaffee in dem reizenden Schweizerhäuschen auf Marante haben mir nach der gestrigen schweren Sitzung sehr gut getan. – Aber, was hast du nur, Leon,« fuhr d’Auberville ganz erschreckt fort, als er jetzt erst daß verstörte Gesicht des Freundes bemerkte.

      Da beugte sich Tisserant ganz tief über den Hals seines Pferdes herab und flüsterte d’Auberville leise einige Worte zu, die der Chauffeur nicht hören sollte. Der Graf fuhr zusammen und schaute den Vikomte zweifelnd an, als ob er gar nicht begreifen konnte, was ihm da soeben erzählt wurde.

      »Unmöglich,« brachte der schließlich immer noch ungläubig hervor. »Elbendorf sollte – –?! Das fasse ich nicht!«

      Aber ein warnender Blick Tisserants ließ ihm seine weiteren Bedenken verschweigen.

      »In einer Viertelstunde bei mir!« rief der Vikomte ihm noch zu, der diese Unterredung auf offener Straße schnell abzubrechen wünschte, und sprengte dann in gestrecktem Galopp davon, während der ›Mercedes‹ sich ebenfalls wieder nach dem TuilerienGarten zu in Bewegung setzte.

      Als d’Auberville nach kurzer Zeit, wie verabredet, den Freund aufsuchte, fand er dort einen ihm fremden Herrn vor, der ihm als Kriminalinspektor Restant vorgestellt wurde. Wenn der Graf bisher noch gehofft hatte, daß die peinliche Angelegenheit eine friedliche Lösung finden würde, so gab er diese Hoffnung in demselben Augenblick auf, als der Vikomte ihm den Amtstitel des Fremden nannte. –

      d’Auberville hatte noch nie etwas mit den Sicherheitsbehörden zu tun gehabt und betrachtete daher jetzt mit unverhohlenem Interesse das Gesicht des Kriminalbeamten, der sich ihm gegenüber in einem der Sessel niedergelassen hatte. Aber Restants kleine, schmächtige Figur und sein schmales Gesicht mit den wasserblauen Augen und dem ungepflegten dünnen Schnurrbart boten so gar nichts Anziehendes. Außerdem ließ ihm auch Tisserant keine Zeit, den Inspektor noch weiter zu mustern. Denn nachdem er die nach dem Salon führende Tür des Arbeitszimmers vorsichtig ins Schloß gedrückt hatte, sagte er mit einer Stimme, die vor Erregung leise vibrierte:

      »d’Auberville, ich deutete dir bereits an, mit welch unerhörtem Raffinement wir bestohlen worden sind. Es ist kein Zweifel mehr: Wir haben gestern nicht den Grafen Viktor Elbendorf, sondern einen ganz abgefeimten Hochstapler in den Klub aufgenommen, und ich bin es, der ihm Gelegenheit gegeben hat, unseren Kassenschrank bis auf den letzten Centime zu berauben.«

      »Aber das ist ja ganz undenkbar,« rief der Graf erschreckt. »Dieser junge Mensch mit den vollendeten Manieren eines reichen verwöhnten Aristokraten soll ein gemeiner Dieb sein? – Und wie hat er es nur fertig gebracht, diesen Schrank, den wir für so sicher hielten, aufzubrechen? – Ich begreife das alles nicht!«

      »Mag der Herr Inspektor dir die notwendigen Erklärungen geben,« meinte Tisserant verstört. »Sie werden wahrscheinlich übersichtlicher ausfallen, als wenn ich dir Bericht erstatte. Denn mein Kopf schwirrt mir noch von all den Aufregungen der letzten Stunden, und selbst der kurze Spazierritt hat mir nicht viel Ablenkung gebracht. – Wenn Sie also so liebenswürdig sein wollen, Herr Restant,« wandte er sich an das semmelblonde Männchen, das bisher anscheinend teilnahmslos durch das Fenster auf die gegenüberliegende Seitenfront des Börsengebäudes geschaut hatte. »Ich nehme auch an, daß Sie inzwischen bereits irgendwelche Nachrichten aus Berlin erhalten haben, die den Fall wenigstens etwas aufklären. Graf d’Auberville hat, wie ich Ihnen bereits sagte, gerade als Schatzmeister unseres Klubs das lebhafteste Interesse an dieser mysteriösen Geschichte.«

      Der Kriminalinspektor verbeugte sich zustimmend gegen Tisserant und begann dann mit langsamer, nachdenklicher Stimme:

      »Nachdem Sie mich heute nachmittag gegen ein Uhr auf meinem Büro aufgesucht und mir den Diebstahl gemeldet hatten, ist von mir zunächst, wie immer in solchen Fällen, die genaue Überwachung der Pariser Bahnhöfe und eine Nachfrage in sämtlichen Hotels und Pensionen angeordnet worden. Außerdem habe ich auch telegraphisch den Hafenstädten und unseren Grenzstationen das Signalement des Täters zukommen lassen. In dieser Hinsicht ist also alles getan, um den Flüchtling abzufangen. Meine zweite Aufgabe bestand darin, Erkundigungen in Berlin einzuziehen, ob dort vielleicht über den jetzigen Aufenthalt des wirklichen Grafen Elbendorf etwas bekannt war. Denn nachdem Sie mir die Empfehlungsbriefe über den Grafen vorgelegt hatten, war ich sicher, daß der kurländische Edelmann tatsächlich existiert und daß nur ein Hochstapler hier seine Rolle mit ebensoviel Gewandtheit wie Frechheit gespielt hat. Da der letzte, an Sie gerichtete Brief des Grafen Elbendorf aus dem Hotel Bristol in Berlin abgeschickt war, so ließ ich mich zunächst mit dem Berliner Polizeipräsidium durch Vermittlung der Straßburger telephonisch verbinden und erfuhr so, daß Graf Viktor Elbendorf sich noch in der Klinik des Professors Friedmann in Berlin einer schweren Halsentzündung wegen in Behandlung befindet. Auf meine Bitte wurde einer der Berliner Beamten zu dem Kranken geschickt, der zum Glück schon vernehmungsfähig war. Graf Elbendorf hat dann angegeben, daß er im DZug CydtkuhnenBerlin allerdings die Bekanntschaft eines Herrn gemacht habe, der sich Baron von Wrangel nannte, mit den Pariser Verhältnissen sehr vertraut zu sein schien und dem er daher ohne Argwohn mitteilte, daß er sich längere Zeit in Frankreich aufzuhalten gedenke und bereits als Mitglied für den NobiliteKlub gemeldet und empfohlen sei. Der Baron hat sich dem Grafen dann in Berlin angeschlossen, ihn auch während seiner Erkrankung einmal in der Klinik aufgesucht, ist dann aber plötzlich ausgeblieben. Jedenfalls traut der Kurländer aber diesem Herrn, den er als einen überaus liebenswürdigen und gebildeten Gesellschafter schätzen gelernt hat, ein derartiges Verbrechen niemals zu. Das hob er nochmals besonders hervor. –

      Leider stimmt aber schon die oberflächliche Personalbeschreibung, wie ich sie nach Berlin berichten konnte, recht genau mit der dieses Herrn von Wrangel überein, und für mich besteht kein Zweifel mehr, daß der Baron und unser Gauner ein und dieselbe Person sind. Und mit dieser Feststellung, meine Herren, verliert unser Fall auch ein gut Teil des Unerlärlichen. Der Betrüger hat eben dem etwas sehr vertrauensseligen Grafen alles für ihn Wissenswerte ausgefragt, – zuerst wahrscheinlich nur in der Absicht, sich mit dessen Hilfe in Ihre Kreise Eingang zu verschaffen und dann im Trüben zu fischen. Als Elbendorf bald darauf erkrankte, da erst mag ihm wohl eine andere Idee gekommen sein, – eben die, hier selbst als Viktor Elbendorf aufzutreten, der ja von niemandem, nicht einmal von den Herren der russischen Gesandtschaft persönlich gekannt wurde. Und da er wußte, daß der kurländische Edelmann durch seine Krankheit längere Zeit in Berlin gefesselt war, brauchte er eine Entdeckung kaum zu fürchten, die ihm ja auch nur durch einen weiteren Brief Elbendorfs ein Sie, Herr Vikomte, gedroht hätte. Und diese Gefahr suchte er dadurch nach Möglichkeit abzuschwächen, daß er Sie gleich nach seiner Ankunft in Paris sehr geschickt bewog, ihn als Gast in Ihre Wohnung aufzunehmen. Zweifellos würde er auch Mittel und Wege gefunden haben, Ihre Korrespondenz zu überwachen, und wäre dann bei den ersten ihm ungünstigen Anzeichen schleunigst von dem Schauplatz seiner Tätigkeit verschwunden. Außerdem bin ich fest davon überzeugt, daß der Pseudograf hier gar nicht lange den Viktor Elbendorf spielen wollte, sondern es ursprünglich wohl nur auf Ihre Privatkasse, Herr Vikomte, abgesehen

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