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Türteil geräuschlos zurückbewegte und gleichzeitig der Boden des Kamins versank, so daß man, wenn auch in gebückter Haltung, die jetzt sichtbare Wendeltreppe erreichen konnte. Nachdem Tisserant noch schnell ein Licht angezündet hatte, ging er voraus. Nach vielleicht zwanzig Stufen hörte die Treppe auf, und soviel sich Elbendorf auch bei dem ungewissen Kerzenschein nach einer verborgenen Tür umsah, – er erblickte nichts als die gleichmäßig aneinander gefügten Mauersteine der Wände und den mit achteckigen Fliesen ausgelegten Boden des engen Schachtes. Doch der Vikomte hob schon ohne Anstrengung das unteren Ende der Treppe, die sich wie eine Schiebeleiter nach oben übereinanderlegte, und damit zugleich eine der Fliesen in die Höhe, wodurch die Fortsetzung der Treppe sichtbar wurde, die er darauf wortlos hinabstieg. Eine dumpfe, feuchte Grabesluft erfüllte das weite Gemach, in dem die beiden jetzt standen. Das flackernde Licht ließ lange, gespenstische Schatten über die verschossenen, geschweiften Möbel und verschimmelten Tapeten dieses Raumes hinlaufen, an den sich noch zwei ebenso eingerichtete Zimmer anreihten.

      »Wir befinden uns hier,« sagte Tisserant erklärend, »drei Meter unter dem hinteren Teil des Parkes. Über diesem Gemach stehen zum Beispiel die beiden alten Kastanienbäume, von denen unser Gartenpavillon beschattet ist. – Doch das wichtigste dieses sinnreich angelegten Verstecks sind die beiden weiteren Ausgänge von denen der eine in den Pavillion, der andere in die Grabgewölbe der nahen Kirche St. Merry einmündet. Sehen Sie, Graf, hier diese Rosette an dem Wandspiegel braucht man nur zu drehen, und er läßt sich wie eine Tür nach außen öffnen.«

      Mit leisem Knirschen funktionierte der Mechanismus. Der Vikomte hielt den Leuchter in die Höhe, so daß Elbendorf den Anfang des gemauerten Ganges und eine in der Ausbuchtung stehende eiserne Leiter übersehen konnte.

      »Dieser Gang,« fuhr Tisserant hastig fort, als ob ihm daran läge, diese Räume möglichst schnell zu verlassen, »endet unter einem Sarkophag, der einst die Gebeine des Großvaters des Begründers unseres Klubs enthielt, jenes Grafen Hugo d’Auvergne, mit dessen Namen die glänzende Periode der Geschichte meines Vaterlandes verknüpft ist. Der Boden dieses aus kararischem Mamor gefertigten Sarges, dessen Deckel leider als eine der besten Arbeiten des berühmten Bildhauers Babtiste Pigalle den Sammlungen des Louvre einverleibt ist, läßt sich in derselben Weise wie dieser Spiegel zurückschieben. Auch dort finden sich ähnliche Rosetten, und ebenso gelangt man von jener Leiter aus durch eine Promenade nach den Gewölben der Kirche, die der verdorbenen Luft wegen – der Gang ist seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden – nicht einmal ganz ungefährlich sein dürfte, Aber die können wir uns wohl schenken. – –

      Mir fällt schon dieser Modergeruch recht unangenehm auf die Nerven,« fügte Tisserant leicht zusammenschauernd hinzu und ließ den Wandspiegel wieder vor die Maueröffnung gleiten.

      Der junge Kurländer starrte gedankenvoll vor sich hin und schien die letzten Worte ganz überhört zu haben. Und ebenso nachdenklich folgte er dann seinem Begleiter zurück in die Bibliothek.

      6. Kapitel

       Ein blamierter Klub

       Inhaltsverzeichnis

      Gegen drei Uhr morgens verließen der Vikomte und sein Gast so ziemlich als letzte den Klub, bestiegen einen Wagen und fuhren dem in der Rue Berger gelegenen Junggesellenheim Tisserants zu. –

      Der Vikomte hatte dem Wein, ganz besonders aber zum Schluß der von Elbendorf angesetzten Bowle recht stark zugesprochen und war kaum mehr fähig, auf die Fragen des Kurländers zu antworten. Während das Gefährt, eine gewöhnliche, mit zwei Pferden bespannte Taxameterdroschke in mäßiger Schnelle über den Asphalt des Boulevards de Sebastopol dahinrollte, meinte Elbendorf, indem er die Worte seinem schon halb schlummernden Begleiter fast in die Ohren schrie:

      »Sagen Sie, Herr Vikomte, wird das Klubhaus eigentlich nachts noch durch einen besonderen Wächter gesichert? – Es wäre doch möglich, daß man einen Einbruch versuchte!«

      Tisserant schüttelte nur leisem lallend den Kopf. Endlich bekam der eine Antwort heraus:

      »Wächter? – Wozu wohl, lieber – Elbendorf? Zwecklos – zwecklos! Die Dienerschaft schläft ja im Souterrain!«

      Ein Lächeln der Befriedigung huschte über des Kurländers Gesicht, das jetzt bei dem flackernden Laternenschein seinen weichen, jugendlichen Ausdruck vollkommen verloren hatte. Ein anderer war’s, der mit dem halbtrunkenen Präsidenten des vornehmsten Pariser Klubs heimfuhr und dabei mit fest zusammengekniffen Lippen und kaum merklichem Mienenspiel zunächst in Gedanken sein gefährliches Werk vollendete. Einer, der jetzt um Jahre gealtert schien, wenn es bisweilen in seinen vorher so harmlosen Augen aufflammte wie dämonische Energie und die über den etwas vorstehenden Backenknochen so fest gestraffte Haut von einem rücksichtslosen, vor nichts zurückschreckendem Wollen sprach. Der aber, der neben ihm saß, fühlte nicht die spöttisch überlegenen Blicke, mit denen er gemustert wurde, ahnte nicht, daß sich noch in dieser Nacht Ereignisse abspielen sollten, die ihn nachher zwangen, sein Amt als Vorsitzender der feudalsten Vereinigung der französischen Hauptstadt niederzulegen.

      Während der Vikomte unter der seidenen Steppdecke im tiefsten Schlaf lag, jagte ein Wagen in schnellster Gangart durch die Rue Berger, bog in den Boulevard de Sebastopol ein und machte unweit des Hauses des NobiliteKlubs halt. Ein Herr sprang heraus, bezahlte den Kutscher und wartete, bis das Gefährt wieder verschwunden war. Nachdem er sich dann forschend umgeschaut hatte, ging er ganz unbefangen bis zu der Pforte des hohen eisernen Zaunes, der den Park des Klubs gegen die Straße hin abschloß, öffnete sie und schritt die Pappelallee entlang auf das Gebäude zu. Kaum hatte ihn aber die hier unter den Bäumen lagernde Dunkelheit aufgenommen, als er stehen blieb, sich mit verschränkten Armen an einen der dicken Stämme lehnte und wohl fünf Minuten in dieser Stellung verharrte, wobei nur seine Augen immer wieder prüfend über die Fenster des hohen Kuppelbaues und auch über die nahe Straße hinglitten, wo jetzt eine Kolonne der Straßenreinigung gerade bei der Arbeit war. Doch das Haus lag wie ausgestorben da, und auch auf dem Boulevard zeigte sich nichts Verdächtiges. –

      Dann kam wieder Leben in die Gestalt. Ein Schatten huschte blitzschnell von Baum zu Baum, von Gebüsch zu Gebüsch, bis er den im hinteren Teil des Gartens gelegenen Pavillion erreicht hatte, dessen achteckiger, mit farbigem Schiefer bekleideter Bau sich zwischen zwei uralten Kastanienbäumen erhob. Nur wenige Sekunden dauerte es, bis die Tür sich dem geschickt gehandhabten Dietrich öffnete und der Fremde in dem Gartenhause verschwand. Dann flammte in dem dunklen Raum ein weißer Lichtstreifen auf, lief wie suchend über den mit einem Teppich belegten Boden hin und erlosch sofort wieder. Als der Lichtstrahl abermals aufblitzte, kniete der geheimnisvolle Eindringling auf der Erde, hatte den Teppich zusammengerollt und prüfte mit tastenden Fingern die rosettenförmigen Messingknöpfe, mit denen die großen achteckigen Fliesen des Fußbodens verschraubt waren. Bald war der eine gefunden, der dem Druck nachgab und sich drehen ließ, worauf die mittelste der Platten nach unten umklappte und eine schmale eiserne Leiter sichtbar wurde, die in den geheimnisvollen Gang hinabführte. –

      Nichts regte sich in den mit so verschwenderischem Luxus ausgestatteten Räumen des moscheeähnlichen Gebäudes. Doch plötzlich schien aus dem großen Kamin in der Bibliothek ein leises Schnurren und Schleifen wie von aneinandergeriebenem Metall herauszudringen. Und dann entstieg diesem Kamin lautlos die Gestalt eines schlanken Mannes, der jetzt, nachdem er leise die beiden Türen des Zimmers verriegelt hatte, mit dem Schlüssel die dritte in das Vorstandszimmer führende aufschloß. Und dieser Schlüssel war an einem Ringe zusammen mit mehreren anderen befestigt, unter denen sich auch der zu dem mächtigen Panzerschrank des NobiliteKlubs befand. Als der Unbekannte darauf geräuschlos die schwere Tür des Geldspindes aufzog und den leuchtenden Kegel seiner elektrischen Taschenlampe auf die darin liegenden Gegenstände fallen ließ, traf der von dem polierten Stahl zurückgeworfene helle Schimmer sein Gesicht, in dem jeder Muskel vor Erregung gespannt schien. Ein bleiches Antlitz war’s, das sich jetzt tief in den Schrank hineinbeugte. Und niemand hätte in diesem einfach gekleideten Manne mit der ungeschickten Brille vor den flimmernden Augen den eleganten Grafen Elbendorf wiedererkannt, der noch vor wenigen Stunden hier in demselben Raume den Grafen d’Auberville mit so nachlässiger

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