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die Weingärtner, Kenan und Johannes waren die, die zuletzt über die Nachrichten aus Tiberias erfuhren. Der Dorfrat hatte zugestimmt, das sie die Nachricht von Jeschua erfahren konnten, vermutlich, weil sie den Weg zu Simons Anwesen und zurück zum Dorf vermeiden wollten, dachte Jeschua für sich schmunzelnd. „Das wird ja immer mysteriöser,“ sagte Johannes. „In was für eine Geschichte sind wir da hineingeraten?“ Jeschua wollte seine Gedanken dazu vor dem Schlafengehen sortieren, doch er schlief darüber ein.

      Am Morgen besahen sie das Anwesen gründlich und sie befanden es den Umständen entsprechend in gutem Zustand. Alle Dinge waren an ihren Plätzen, die Arbeiten an den Fässern gingen voran, es waren ausreichend Essen und Getränke vorhanden, die Schlafplätze in den Gästezimmern waren bereitet, denn Jeschua rechnete damit, dass die Kommission aus Tiberias bei ihnen Quartier beziehen würde. Auch im Dorf stellten die Menschen etwas mehr Ordnung als an gewöhnlichen Wochentagen üblich her. Vielleicht nicht so viel Ordnung, wie vor dem Sabbat oder dem Versöhnungsfest. Denn das, so vermuteten sie, würde irgendwie verdächtig erscheinen. Unter den ungefähr einhundertfünfzig Bewohnern lebten nicht viele erwachsene Menschen im Dorf und von diesen waren es mehr Frauen als Männer, und nur die Männer würden von der Kommission befragt werden. Jeder Mann rechnete insgeheim damit, befragt zu werden. Einerseits fürchteten sie sich davor, andererseits hätte dies ihre Wichtigkeit betont. Von so hoch gestellten Persönlichkeiten angesprochen zu werden, war eine Ehre.

      ‚Wie stand es beim Prediger geschrieben?' Fragte sich Jeschua, der das Treiben beobachtete. ‚Eitelkeiten der Eitelkeiten, und alles ist Eitelkeit,‘ (Prediger - Kapitel 1) antwortete er sich selbst.

      Jeschua gestattete den Weingärtnern, zu ihren Familien zu gehen, doch sie wollten auf dem Anwesen bleiben. Johannes und Kenan beschlossen, sich im Hintergrund zu halten, und sie legten sogar ihre Waffen unter ihre Schlafplätze, denn sie wollten insbesondere die Römer nicht provozieren. Jeschua lobte das reinliche und hübsche Aussehen der Mägde und ihre Wangen röteten sich ein wenig, dann ging er früher als die vorherigen Tage zum Dorfplatz.

      Jeschua wusste aus den Schriften und von den Weisen, dass man zu Pferde größere Strecken schnell bewältigen konnte. Doch auch er war, wie die Dorfbewohner, überrascht, als die Untersuchungskommission bereits am späteren Vormittag in NaÏn eintraf. Immerhin betrug die Wegstrecke von Tiberias nach NaÏn ungefähr siebenundzwanzig römische Meilen und der Weg war zu weiten Teilen nicht gut ausgebaut, sodass man größere Abschnitte nicht galoppieren konnte. Aus seiner Kindheit kannte er den Lärm, den Militärpferde verursachten gut. Und als das Geräusch immer näher kam, traten Elias, Aviel und Jeschua vor Elias Haus, um die Ankömmlinge zu begrüßen. „Ich zähle sechs Pferde,“ sagte Jeschua unvermittelt und die anderen sahen ihn fragend an.

      „Als ich noch ein kleiner Junge war, war dies ein Spiel für meinen Bruder und mich, denn wir fürchteten die Soldaten sehr und wir schlossen die Augen, wenn wir die Pferde kommen hörten.“ Unbewusst nahm Jeschua von Aviel und Elias auf diese Weise etwas von ihrer Anspannung. Und tatsächlich, vier Reiter und zwei Packpferde mit mehreren Leinensäcken stürmten auf den Dorfplatz. Sie hatten den Pferden auf dem etwas besser ausgebauten Weg im Dorf die Sporen gegeben, damit sie noch beschäftigt waren, aber auch, weil sie es einfach so gewohnt waren damit ein Zeichen ihrer Macht zu demonstrieren. Dabei, dachte sich Jeschua, hätte in einem Kriegsfall schon das Erscheinen einer dieser Männer genügt, um das Dorf zu erobern. Und er wollte instinktiv den Kopf senken, doch aus einem für ihn unerklärlichen Grund sah er in die Augen der Männer: Er zählte drei römisch gekleidete und einen, der wie er gekleidet war, wenn auch für das Reiten gerüstet, und der Stoff war sichtbar kostbarer als seiner.

      „Friede sei mit Euch!“ Rief Aviel in den verklingenden Lärm. Der aufgewirbelte Staub der Straße wurde von zwei Windböen davongetragen. Elias erkannte den Rechtsgelehrten, mit dem er in Tiberias gesprochen hatte, die Römer kannte er nicht. Und der Rechtsgelehrte nickte Elias kurz zu, doch er sprach den Dorfältesten zuerst an, so wie es Sitte war. „Friede sei auch mit Euch, edler Dorfältester.“ Die Knechte von Elias traten aus dem Haus, Elias hatte es so mit ihnen vorbesprochen. „Kümmert Euch um die Pferde der edlen Herren!“ Rief er ihnen zu und die Knechte taten, wie ihnen aufgetragen war.

      Einer der Römer war bewaffnet, und dieser ging zu den Knechten des Elias, denn er sah an ihren etwas zögerlichen Bewegungen, dass sie im Umgang mit Militärpferden und insbesondere mit den Zügeln und Trensengebissen nicht vertraut waren. Freundlich und in ihrer Sprache wandte er sich an die Knechte, die ihm sichtlich dankbar waren. Aviel überließ Elias das Wort. „Kommt in mein Haus, edle Herren. Ihr müsst erschöpft sein. Mein Haus soll Euer Haus sein.“ Bevor Jeschua als letzter in das Haus des Elias ging, sah er sich noch einmal auf dem Dorfweg um, auf dem keine Menschenseele und auch kein Tier war. Doch er spürte die Anspannungen der Menschen hinter den Mauern.

      Die Mägde des Elias hatten ausreichende Vorbereitungen getroffen. Die Leute aus Tiberias fanden Plätze, sich zu waschen, und sie konnten einen Becher gekühltes und frisches Wasser zu sich zu nehmen. Und der Rechtsgelehrte stellte seine Begleiter namentlich vor, Elias tat es ihm gleich. Mit einem weiteren wortlosen Kopfnicken bedeutete der Rechtsgelehrte Elias, dass er das Gespräch zu beginnen hatte, denn Elias war der Hausherr.

      „Nun, Herr, Ihr habt mir in Tiberias mitgeteilt, dass die Umstände des Todes unseres Schriftgelehrten und das Verschwinden seiner Frau Gegenstand einer Untersuchungskommission sein sollen. Leider hatten wir wenig Zeit, über die Gründe für diesen doch ungewöhnlichen Schritt zu sprechen.“ Die Mägde reichten etwas Brot und Salz und frisches Wasser. „Ja, verzeih mir Elias, Dorfvorsteher von NaÏn. Viele Menschen bedürfen unseres Rates.“

      „Und doch nehmt Ihr den weiten Weg von Tiberias hierin auf Euch.“ „Ja, Elias, denn der unnatürliche Tod eines Schriftgelehrten ist ja auch kein alltägliches Ereignis.“ Als Schriftgelehrter hatte Jeschua die grundsätzliche Berechtigung zu sprechen, doch er fragte: „Aviel, Elias, darf ich sprechen?“ Und die beiden nickten. Und Jeschua sprach den Rechtsgelehrten an: „Wie Ihr seht, sind wir einfache Leute, die mit unserer Hände Arbeit das zum Leben Nötige hervorbringen. Wir zahlen unsere Steuern, obgleich sie sehr hoch sind und wir danken Euch für Eure Worte, obwohl wir sie nicht verstehen können.“

      Aviel und Elias hatten mit einem von für Jeschuas Reden typischen Gleichnis oder Bibelzitat gerechnet, die er zu Beginn gerne nutzte. Doch diesmal überraschte er sie. „Ja, Jeschua, Schriftgelehrter aus NaÏn,“ sagte Bezalel, „auch für uns ist dies ein Vorfall, den wir noch nicht verstehen. Und unser Fürst ist sehr besorgt über mögliche Beunruhigungen im Volk, wenn sich Gerüchte über Simons Tod unkontrolliert unter den Leuten verbreiten sollten. Wie Ihr vielleicht wisst, ist die Lage in Galiläa und im Reich der Römer angespannt genug.“ Dann wandte sich Bezalel an Elias: „Die Rechtsgelehrten prüfen noch die Angelegenheit mit Simons Besitz. Ich kann Dir noch nicht sagen, wann sie eine Entscheidung treffen werden.“ Elias nickte. „Nun,“ sagte Jeschua. „Wie können wir Euch dienen?“ Und Bezalels Blick wandte sich an den obersten der Römer unter ihnen, der Claudius hieß, und auch er sprach Aramäisch.

      „Ihr Männer von NaÏn. Wir danken für Eure Gastlichkeit und ich stimme Bezalel zu. Auch der Kaiser wünscht Ruhe und Frieden in den Provinzen. Zunächst wollen wir Simons Anwesen in Augenschein nehmen und seine Buchhaltung und Bezalel das Gebetshaus. Wir haben von Elias vernommen, dass Du, Jeschua aus Nazaret, das Amt des Simon vorübergehend übernommen hast und auf Simons Anwesen wohnst. Somit sollst Du unser erster Ansprechpartner sein. Wir werden mit den Menschen aus dem Dorf sprechen und mit denen, die mit Simon Handel betrieben. Darüber hinaus wollen wir Euch und Euren Leuten so wenig Unruhe bereiten, wie möglich. Geht Eurem Tagwerk, wie gewohnt nach. Alle Mehrausgaben, die Ihr wegen unserer Anwesenheit haben werdet, sollen erstattet werden. Wir werden das essen, was Ihr esst und trinken, was Ihr trinkt. Können wir auf Simons Anwesen Quartier beziehen, Jeschua?“ „Ja, Claudius, es ist alles Nötige dafür vorbereitet.“

      „Habt Ihr ein Zeichen von Simons Frau gesehen?“ Sie schüttelten die Köpfe. „Nun gut, lasst uns an die Arbeit gehen,“ beendete der Römer die Zusammenkunft und sie erhoben sich. Und sie waren sehr erstaunt über die Kultiviertheit und die angenehme Gestalt des Claudius und Jeschua dachte sich, einen solchen Glauben habe ich in Galiläa noch bei Niemandem gefunden.

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