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seine Frau ist verschwunden. Ihr könnt nicht sagen aus welchen Gründen. In den Büchern habt Ihr noch offene Zahlungen gefunden und heute wollt Ihr Euch danach erkundigen. Seid höflich, aber nicht zu demütig. Hört ihren Worten zu. Wir besprechen unsere Eindrücke beim Abendessen.“

      „Herr! Werden die Pferde nicht auffallen? Das Landvolk besitzt keine solchen Pferde,“ sagte Petronius. „Das stimmt, Petronius. Doch wir sind eine Gemeinschaft von Menschen aus NaÏn und Tiberias, die sich angesichts der besonderen Umstände zusammengefunden hat und das Weingut bewirtschaftet, denn der Wein ist sehr schmackhaft und begehrt.“ Es war durchaus üblich, dass Römer und Aramäer gemeinsam Geschäfte betrieben, wenn beide Seiten davon profitieren konnten. Einige Römer besserten so auch ihren Sold auf. Und Petronius dachte kurz über Claudius Worte nach, doch er konnte darin keine Unglaubwürdigkeit finden und er nickte Claudius zu. „Lasst uns an die Arbeit gehen!“ Sagte Claudius.

      Wenig später gingen Jeschua und Claudius zu den Männern aus NaÏn. Bezalel und Johannes ritten an ihnen vorbei, die anderen taten, was sie besprochen hatten.

      Viele der Männer des Dorfes waren Landwirte, die um die frühe Stunde bereits auf den Feldern beschäftigt waren. Allen Männern stellte Claudius zu Beginn des Gespräches, nachdem er sich für die Störung entschuldigt hatte, die gleiche Frage: „Ist Euch am Tag des Todes von Simon, oder davor irgendetwas Besonderes aufgefallen. Etwas, das nicht so war, wie es hätte sein sollen?“ Und alle, die sie ansprachen, schüttelten ihre Köpfe. Und nach einer Weile sagte Jeschua: „Claudius, das war bisher nicht sehr ergiebig.“ „Ja und nein, Jeschua,“ sagte Claudius. „Die Männer fürchten sich noch immer, und sie sind sehr beschäftigt mit ihren Arbeiten. Vielleicht haben sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Simon und seine Frau nicht überredet haben, länger auf dem Fest zu bleiben. Lass uns zu dem Weinberg gehen, wo Simon aufgefunden wurde.“

      „Welchen Beruf hast Du erlernt, Claudius?“ Fragte Jeschua auf dem Weg zum Weinberg. „Ich studierte römisches Recht und Philosophie, Jeschua. In Rom, gemeinsam mit Bezalel. Wir beide,“ Claudius sah Jeschua an, „besuchten im Grunde die gleiche Schule, wenn auch an anderen Orten. Allein, ich habe keine Gotteslehre, wie Du und Dein Volk. Und wie meine Philosophielehrer bin auch ich skeptisch über die Existenz der Götter. Einer hat mal geschrieben: Sollten die Götter doch existieren, wäre es gut, ihnen geopfert zu haben.“ (Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) Römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph.)

      Jeschua erschrak. „Und dennoch darfst Du ein so hohes Amt ausüben?“

      „Nun, Jeschua, in unserer Gesellschaft gibt es viel Toleranz gegenüber Andersdenkende, solange sie sich an unsere Gesetze halten und sie ihre Steuern zahlen.“ Das erstaunte Jeschua. „Dann trat ich auf Wunsch meines Vaters in die römische Armee ein. Ich diente bei der vierten Legion in Hispanien und, wie Johannes und Kenan, bei der Zwölften in Syria, bis ich nach Jerusalem und schließlich nach Tiberias kam.“ Claudius bemerkte, dass Jeschua ihm hier nicht folgen konnte. „Wenn wir etwas Zeit finden sollten, erkläre ich Dir gerne, was das bedeutet, Jeschua. Jetzt bekleide ich den Rang eines Legaten, mit dem Auftrag, die Dinge zu untersuchen, von denen Dir Bezalel gestern berichtete.“

      Jeschua dankte ihm. Und so kamen sie an den Ort an, an dem Simon leblos aufgefunden wurde. „Wer hat ihn gefunden?“ Jeschua konnte sich nicht daran erinnern, dies von irgendeinem der Männer aus NaÏn gehört hatte. Deshalb sagte er: „Lass uns Daniel, Aaron oder Nataneel fragen, sie sollten es wissen.“ „Warte noch,“ sagte Claudius. „Wir wollen uns noch etwas umsehen. Auch nach vielen Tagen hinterlassen Taten noch Spuren.“ Und Jeschua folgte den Augen des Claudius. Hier ein paar unnatürlich geknickte Grashalme, dort einige kleine, dunkle Flecken. Schleifspuren im Boden, die verwischt worden waren. „Ist es üblich, dass Orte, an denen Tote gefunden werden, wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden?“ Jeschua wusste keine Antwort darauf.

      Als Ersten der Weingärtner sahen sie Daniel. Er besah gerade die Trauben des neuen Jahrgangs. Claudius und Jeschua grüßten Daniel, dann fragte Claudius: „Nun, Daniel, wie entwickeln sich die Trauben?“

      „Sehr gut, Herr,“ freute sich Daniel „es wird ein guter Jahrgang.“ „Das sind gute Nachrichten. Doch nun haben wir eine traurige Frage an Dich: Wer fand Simon zuerst, dort drüben?“ Claudius deutete mit einer Hand in Richtung des Fundortes der Leiche. „Ich, Herr,“ sagte Daniel. „Ist Dir an Simons Leiche etwas aufgefallen, das nicht so war, wie es hätte sein sollen?“ Fragte Claudius. Doch Daniel berichtete von den Ereignissen am Abend, als Aviels Geburtstag gefeiert wurde. Sie kamen zirka eine Stunde, nachdem Simon und seine Frau das Fest verlassen hatten, zurück auf das Weingut. Simon hatte ihnen gestattet, noch zu feiern, er selbst wollte früh am nächsten Tag zu seinen Kunden reisen. Vor dem Haus lagen die Hunde an ihren Ketten und sie winselten schrecklich. Als sie vor dem Haupthaus standen, sahen sie im Küchenbereich noch Licht von brennenden Öllampen, das furchtbare Schatten an die Wände zeichnete und sie konnten die Unordnung auf dem Boden sehen. Sie riefen nach Simon und seiner Frau, doch sie antworteten ihnen nicht. „Wir alle hatten große Angst und wir sind ins Dorf zurückgeeilt. Der Dorfrat beschloss, dass Posten an den Dorfeingängen die Nacht über Wache halten sollten und dass alle Männer des Dorfes ab Sonnenaufgang gemeinsam nach Simon und seiner Frau suchen sollten.“

      „Ich verstehe,“ sagte Claudius. Diesmal stellte Claudius die Eingangsfrage nach Simon anders. „Was war anders an Simons Leiche, als das, was Du schon an anderen Leichen gesehen hast, Daniel?“ Und Daniel brach in Tränen aus. „Sein Kopf war völlig zertrümmert!“ Rief er. „Ich konnte sein Gesicht kaum erkennen!“

      „Und Du bist sicher, dass es Simon war, der vor Dir lag?“ Wollte Claudius wissen. „Ja, Herr!“ Rief Daniel. „Er trug schließlich seine eigenen Kleider!“

      „Das war sicher ein grausamer Anblick für Dich, Daniel. Es tut mir leid, dass wir diese schrecklichen Erinnerungen in Dir wachgerufen haben,“ beruhigte Claudius ihn. „Geh zu den Mägden und erhole Dich bei einem Becher frischem Wasser, Daniel.“ „Ja, Herr. Danke, Herr,“ sagte Daniel. Und Claudius fragte Jeschua: „Wo ist Simon begraben?“ „Auf dem Gräberfeld, Claudius.“

      „Nun gut, Jeschua. Das soll es für heute gewesen sein. Wir fahren morgen mit unseren Untersuchungen fort.“ Claudius und Jeschua gingen zum Anwesen zurück.

      Wenig später kehrten auch Bezalel und Johannes von Simons Kunden zurück. Obwohl die Pferde höchste Kraft und Ausdauerleistung erbringen konnten, sah Claudius ihnen die Anstrengungen eines langen Tagesrittes an. Nachdem sie sich gegrüßt hatten, sagte Claudius daher: „Die Tiere werden Erholung brauchen.“

      „Ja, die Insekten in dieser Gegend waren eine echte Plage für sie,“ sagte Bezalel. Er machte eine kurze Pause, um ihnen seine Unterarme zu zeigen. „Und für uns auch.“ Die Haut war mit Insektenstichen übersäht. Johannes war es auch nicht anders ergangen. Zudem bei Johannes einige Zeit vergangen war, als er zum letzten Mal ein Pferd geritten hatte. „Alle meine Muskeln und Knochen schmerzen, ich werde heute Nacht wie ein Stein schlafen,“ sagte er. Kenan kam hinzu und er half ihnen bei der Versorgung der Pferde.

      Später, beim Abendessen, berichteten alle über ihre Eindrücke des Tages. Rebecca und Esther hatten für ein besonders reichhaltiges Essen gesorgt und Esther sagte: „Morgen ist Wochenmarkt in NaÏn. Eine gute Gelegenheit, unsere Vorräte aufzustocken. Habt Ihr besondere Wünsche?“ Und Claudius sagte: „Nein, wir sind Eure Gäste und wir sind nicht anspruchsvoll.“ Und er sah die Männer an, die ihm zustimmten. Und Esther nickte, dass sie verstanden hatte.

      Claudius und Jeschua berichteten über ihre Gespräche mit den Dorfbewohnern, die keine besonderen Erkenntnisse zutage gebracht hatten. Johannes und Bezalel waren zuerst östlich bis kurz vor das Jordantal geritten. Sie dachten, sie könnten drei oder vier Kunden von Simon sprechen. Bei den ersten beiden Zielen, deren Namen Bezalel kaum aussprechen konnte, trafen sie niemanden an. Die Anwesen waren verlassen worden. Den dritten Zielort konnten sie nicht finden. Auf dem Rückweg, am frühen Nachmittag, ein paar Meilen südwestlich von NaÏn, waren sie zuletzt auf den Kaufmann Jeshod getroffen, der sie inständig angefleht hatte, ihm zu glauben, dass er seine Schulden bei Simon bei nächster Gelegenheit begleichen wollte. Auf Johannes Frage,

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