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und die fremden Schriftzeichen von der gleichen Hand geschrieben waren. Einige Schriftrollen waren fremdartig versiegelt. Er vermutete, dass er deren Inhalt nicht verstehen würde. Daher beließ er die Siegel ungeöffnet. Bei nächster Gelegenheit würde er seinen Fund mit Elias besprechen. Der Gebetsraum war nicht so groß, wie der in Nazaret, aber Jeschua war sich sicher, dass er den Anforderungen der Gemeinde in NaÏn genügte. Im Anschluss erkundete er das Dorf.

      Auch jetzt grüßten ihn die Menschen und er grüßte sie. Denen, die ihn am Tag vorher nicht auf der Dorfversammlung gesehen hatten, stellte er sich vor. Und schon bald kamen die Menschen zu ihm, so wie er es aus Nazaret gewohnt war. Er gab Ratschläge und eine Geburtsfeier musste vorbereitet werden. Für den bevorstehenden Sabbat mussten Anordnungen getroffen werden. Doch er vermisste auch die Bautätigkeit und so erkundigte er sich nach möglicher Arbeit, zunächst ohne Erfolg. Als sich die Sonne auf ihrer Bahn den Hausdächern im Westen näherte, ging Jeschua zu Tobias, und berichtete ihm von seinen Eindrücken des Tages, und Tobias freute sich darüber. Anschließend ging er zurück zum Anwesen des Simon. Dort angekommen erkundigte er sich bei Johannes und Kenan über ihren Tagesablauf, gleiches bei den Mägden und später bei den von den Weinbergen zurückkommenden Weingärtnern.

      Als sie sich gründlich gewaschen und zum Abendessen versammelt hatten, erzählte Jeschua ihnen von seinen ersten Eindrücken, so wie er sie wahrgenommen hatte. Als die Öllampen brannten, besahen sie die Buchhaltungsschriften des Simon, so, wie Jeschua es gesagt hatte. „Ich habe sie unter den Schriftrollen im Schreibraum des Gebetshauses gefunden,“ begann Jeschua. „Soweit ich es sagen kann, war Simon ein guter Buchhalter.“ Die Schriften bestätigten, dass die Weingärtner und die Mägde für ihre Arbeiten in der vorausgegangenen Woche noch entlohnt werden mussten, denn an der vorbereiteten Stelle fehlte der Eintrag für die Auszahlung. „Wenn es für Euch akzeptabel ist, werden wir dies morgen, nach dem Frühstück nachholen,“ sagte Jeschua und die anderen nickten. Er berichtete ihnen, dass Simon ein nach seinen Maßstäben durchaus wohlhabender Mann gewesen war, denn die Einnahmen und Gewinne überstiegen deutlich das, was Jeschuas Patenonkel verbuchte. Die Schriftrollen zeigten auch, dass von einigen, namentlich genannten Käufern, noch offene Zahlungen in nicht unerheblicher Höhe ausstanden. Gründe hierfür waren nicht dargelegt.

      „Es wird nicht einfach sein das Geld von den Schuldnern einzutreiben,“ sagte Kenan. „Sie werden vorgeben, sie hätten das Geld bezahlt und Simon hätte versäumt, es in die Bücher zu schreiben. Konntest Du Quittungen sehen?“ Jeschua schüttelte den Kopf und er sagte: „Es scheint mir, dass Du Dich mit diesen Dingen auskennst.“

      „Ich war nicht zu allen Zeiten Soldat. Mein Vater ist Kaufmann und ich gehe ihm bei der Buchhaltung zur Hand.“ „Was schlägst Du vor?“ „Bei meinem Vater ist es üblich, dass der zahlende Kunde eine Zweitschrift der Quittung erhält. Wir werden die Schuldner nach ihren Zweitschriften befragen. Können sie sie vorlegen, werden wir schweigen. Können sie es nicht, dann nicht.“ „Keine Gewalt, Kenan!“ Ermahnte Jeschua. „Ja, Schriftgelehrter.“ Sagte Kenan.

      Sie stellten aber auch fest, dass Simon noch einigen Kunden Wein liefern musste. Da der gelagerte Wein bis auf wenige Amphoren ungenießbar war, musste auch dieses Problem bewältigt werden. „Fürs Erste können wir die Auftraggeber befriedigen,“ sagte Aaron und sie sahen ihn an. „Doch schon bald werden sie von unserem Unglück erfahren und sie werden sich andere Lieferanten suchen.“ „Was schlägst Du vor?“ Fragten sie ihn. „Ich muss darüber nachdenken, Schriftgelehrter.“ Und sie stimmten ihm zu. Mit jedem weiteren Tag beruhigte sich ihr Leben weiter. Die Weingärtner und die Mägde erhielten ihren Lohn. Die Weinberge wurden bestellt und sie belieferten auch Kunden des Simon mit den übrig gebliebenen Vorräten. Eine Lösung für die bevorstehenden Lieferprobleme hatten sie noch nicht gefunden. Die Mägde hielten das Anwesen reinlich und sie kümmerten sich auch um den kleinen Kräutergarten. Die Weingärtner, Kenan und Johannes, und wenn es Jeschuas Zeit erlaubte auch er selbst, bereiteten die neuen Fässer für die Weinlese in diesem Jahr vor. Zuerst musste der vergiftete Wein außerhalb des Anwesens entsorgt werden. Die alten Weinfässer verbrannten sie. Danach mussten die neuen Fässer mit einer Mischung aus Pech und Harz versiegelt werden.

      Kapitel 4

      Neun Tage nach seiner Abreise kam Elias schließlich nach NaÏn zurück und er berief sogleich den Dorfrat ein. „

      Nun, Elias, unser Dorfvorsteher,“ begann der Dorfälteste. „Wie war Deine Reise und welche Nachrichten bringst Du uns aus Tiberias?“ Und Elias berichtete von seinen Eindrücken. „Die Reise war beschwerlich und ein Mann braucht viel Geduld in Tiberias.“ Er sah Jeschua an, der ihm vor der Abreise von den Erfahrungen der Weisen aus Nazaret über Termine bei Gelehrten in Tiberias berichtet hatte. „Ich wartete einen Tag auf die Konsultation, dann konnte ich mit den Rechtsgelehrten über die Vorkommnisse bei uns sprechen. Und nachdem sie mir zugehört hatten, baten sie um einen weiteren Tag für ihre Antworten, denn auch sie hatten keinen vergleichbaren Fall zum Vergleich.“

      Und von dem folgenden Zusammentreffen berichtete Elias, dass die Rechtsgelehrten das Verhalten der Bewohner von NaÏn sehr gelobt hätten. Und die anwesenden Männer sahen sich erfreut an. „Und was ist die schlechte Nachricht?“ Wollte der Dorfälteste wissen. „Nun, Aviel, die Gelehrten in Tiberias werden eine Untersuchungskommission zu uns senden.“ Ein leises Raunen der Männer erhob sich. „Wir haben nichts zu verbergen!“ Rief einer. „Das mag wohl sein,“ sagte Elias. „Doch damit nicht genug. Dieser Kommission werden auch Römer angehören.“

      Es entstand einer dieser Momente, in denen bei manchen Menschen urplötzlich ein schlechtes Gewissen aufkommt, ohne dass dazu ein konkreter Anlass vorliegen muss. „Aus welchem Grund sollten sich ausgerechnet die Römer um ein unbedeutendes Dorf in Galiläa scheren?“ Wollte Aviel von Elias wissen. „Die Rechtsgelehrten machten daraus ein Geheimnis, kein weiteres Wort kam über ihre Lippen.“

      Jeschua dachte an die Schriftrollen mit den fremdartigen Siegeln und die Schrift, die er nicht lesen konnte. „Die Kommission ist vermutlich schon auf dem Weg zu uns,“ fügte Elias noch hinzu. „Wir werden unsere Leute informieren,“ wollte Aviel anordnen, doch Jeschua unterbrach hin. „Verzeih mir, Aviel, ältester von NaÏn.“ Und Aviel sah Jeschua an. „Schon gut, was willst Du uns sagen?“ „Dies wird neue Unruhe in die Menschen bringen, da sie doch gerade wieder ein wenig zur Ruhe zurückgekehrt sind.“

      „Wenn wir die Nachricht bis zur Ankunft der Kommission vor ihnen geheim halten, wird die Unruhe noch größer sein.“ „Verzeiht mir erneut, Aviel, ich hätte es als Frage formulieren sollen. Wie und mit welchen Auskünften wirst Du die Leute informieren?“

      „Wir werden von Tür zu Tür gehen, so viele sind es ja nicht, und ihnen einfach die Wahrheit sagen und dass sie sich nicht sorgen sollen, denn die Kommission wird sich ja nur des Falles des armen Simon und seiner Frau annehmen und nicht ihnen.“

      Der Dorfälteste hatte, ob Jeschuas Beitrag, seinen ursprünglichen Plan kurzfristig abgeändert. Sein spontaner Einfall war es gewesen eine Versammlung einzuberufen. Doch während einer Versammlung konnte nicht alles vorhergesehen werden. In Einzelgesprächen hatten sie die Möglichkeit, direkt auf Sorgen und Ängste der Einzelnen einzugehen. Unruhe würde es in jedem Fall geben, doch die persönliche Anwesenheit des Dorfrates vor jeder Haustür würde ihre Wirkung nicht verfehlen. Und sie brachen unmittelbar auf, die Bewohner von NaÏn über die bevorstehenden Ereignisse zu benachrichtigen.

      Elias wollte gerade sein Haus wieder betreten, als Jeschua ihn ansprach. „Elias, hast Du einen Moment Zeit für mich? Ich möchte Dir etwas zeigen.“ Und sie gingen in den Schreibraum im Gebetshaus und Jeschua gab Elias die Schriftrollen, die ihm aufgefallen waren. „So viele Jahre lebten Simon und Sigalit unter uns und man möchte meinen, dass wenn man gemeinsam den Sabbat gefeiert hat, Brot und Salz und Wein geteilt hat.“

      „Sigalit? Das ist ihr Name? Du hast ihren Namen für mich das erste Mal ausgesprochen.“ „Habe ich das? Verzeih, Du hattest nicht danach gefragt.“ „Doch ich wollte Dich nicht unterbrechen, Elias, fahre fort.“

      „Was sagte ich? Ach ja, so viele Jahre kennt man sich und dann stellt man auf einmal

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