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der von fremder Hand erschlagen wurde. „Wir Menschen in NaÏn sind nicht wohlhabend, so wie die Menschen in Zippori oder die im neu erbauten Tiberias. Doch es fehlt uns an nichts,“ sagte er mit etwas Stolz.

      „Danke für Deine Worte, Tobias. Und wie ist es möglich, dass in einem Dorf, das so ist, wie Du es beschrieben hast, ein Mann, zumal ein Schriftgelehrter, ohne Zeugen erschlagen werden kann?“ Fragte Jeschua ihn. Und Tobias sagte: „Am Abend an dem Simon tot aufgefunden wurde, fand im Dorf ein großes Fest zur Feier des Geburtstages unseres Dorfältesten statt. Es wurde fröhlich und lange gefeiert, so, wie es Tradition ist. Simon und seine Frau verabschiedeten sich jedoch früher als seine Weingärtner und die Mägde, weil Simon früh am nächsten Morgen zu seinen Kunden reisen wollte. Als schließlich auch die Mägde in Begleitung der Weingärtner auf das Weingut zurückkamen, fanden sie eine große Unordnung vor und weder Simon noch seine Frau waren im Haus und es herrschte großes Entsetzen unter ihnen.“ Jeschua bemerkte, wie Tobias Stimme anfing zu beben, daher unterließ er weitere Fragen zu den Umständen von Simons Tod. Stattdessen fragte er: „Und was bist Du von Beruf?“ „Mein Vater ist Kaufmann, und wie es die Sitte will, bin auch ich Kaufmann geworden.“ „Hast Du Geschwister?“ „Ja, Schriftgelehrter, einen Bruder und eine Schwester.“ Und Tobias stellte dem Schriftgelehrten auch eine Frage: „Womit verdienst Du Deinen Lebensunterhalt?“

      „Nun, Tobias, ich arbeite bei meinem Patenonkel, der Bauhandwerker ist.“ Tobias nickte wohlgefällig. „Wir wollen weitergehen,“ sagte Tobias, „es ist ja noch ein gutes Stück Weg.“ Nach einer weiteren Rast zur Mittagsstunde sahen sie am Nachmittag das Dorf NaÏn vor ihnen liegen. Es sah so aus, wie Tobias es gesagt hatte. Jeschua sah auch die Felder und die Weinberge, die Tobias beschrieben hatte. Das Dorf hatte kein festes Stadttor, so wie Nazaret. Die Häuser und Zäune waren zu einer Art Stadtmauer angeordnet. Ein steinerner Rundbogen über dem Hauptweg, an dem zwei Wachmänner standen, deutete jedoch unmissverständlich an, dass hier das Dorf NaÏn begann und jeder Fremde, der in das Dorf wollte, musste sich den Wachmännern erklären. Tobias blieb kurz stehen, und so blieben auch die anderen stehen, und seine Hand deutete auf ein Haus in den Weinbergen östlich der Stadtbegrenzung und ihre Blicke folgten ihm. „Dies ist das Haus von Simon.“ Und sie nickten und sie sagten leise, dass er in Frieden ruhen möge. Die Wachmänner ließen Tobias und die Fremden passieren, als ihnen der Grund für das Erscheinen erklärt war. „Und wo sind die Kinder von Simon?“ Fragte Jeschua. „Nun, Schriftgelehrter. Simon und seine Frau waren kinderlos, was ein großes Unglück für sie war.“

      „Wo sind die Mägde und die Weingärtner des Simon jetzt?“ „Die Mägde sind bei meiner Mutter, denn sie wollten aus Angst nicht wieder zurück in das Haus des Simon gehen. Die Weingärtner sind jetzt bei ihren Familien und warten auf Anweisungen.“ Jeschua, Johannes und Kenan nickten. Und Jeschua fragte sich, war es möglich, dass Simon von seiner eigenen Frau erschlagen wurde? Tobias bat sie in das Haus seines Vaters und dort wurden sie von Elias und der Familie begrüßt. „Friede sei mit Euch. Bitte, legt Euch nieder, Ihr müsst erschöpft sein. Mein Haus soll Euer Haus sein. Trinkt, denn mein Getränk soll auch Euer Getränk sein. Doch verzeiht mir. Jetzt möchte ich kurz mit meinem Sohn sprechen und hören, was er zu berichten hat. Wir sind in Kürze wieder bei Euch.“

      Und die Dienerinnen des Ortsvorstehers brachten ihnen Brot und Salz und frisches Wasser und etwas Obst. Und dann betraten Elias und Tobias wieder den Raum und sie legten sich nieder. „Wohlan, Schriftgelehrter Jeschua, Danke, dass Ihr Nazarener,“ er sah Johannes und Kenan an „und Du, dass Ihr uns in diesen dunklen Stunden zur Seite steht.“ Und Jeschua sagte: „Es war der Wille der Gottheit, denn es steht geschrieben, dass sich Menschen in der Not gegenseitig helfen.“ Die Männer und Frauen im Raum nickten. Und Jeschua fragte: „Wie können wir Euch helfen? Welches Vorgehen bestimmst Du?“ Elias sagte, dass er in dem Durcheinander der vergangenen Tage noch nicht viel Zeit hatte darüber nachzudenken. Die Gemeinde zu beruhigen und die Untersuchungen zu Simons Tod hatten ihn sehr beansprucht und da waren ja auch noch seine Geschäfte, die nicht ruhen konnten.

      „Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass Du mir hierbei zur Seite stehen könntest. Was würdest Du tun, wenn Du in meinen Schuhen stehen würdest?“ Und Jeschua dachte kurz nach, indem er sich seinerseits in die Schuhe der Weisen begab und sich fragte, was sie tun würden. Doch er hatte von den Worten des Weisen gelernt und so bat er um ein kurzes Gespräch mit Johannes und Kenan unter ihren sechs Augen. Es wurde ihm gewährt. Dann sagte er: „Nun, Elias, Ortsvorsteher von NaÏn, nach Deinen Erklärungen erscheint es uns, dass die Gemeinde recht beunruhigt ist und dass sie wieder Ruhe finden muss, soweit es jetzt möglich ist.“ Und Elias nickte.

      „Was sagst Du dazu eine Dorfversammlung einzuberufen, damit die Menschen erfahren, weshalb Fremde unter ihnen sind. Und Du ihnen über den Stand Deiner Untersuchungen berichtest, damit sie sich nicht weiter fürchten?“ „Ehrlich gesagt, wissen wir heute nicht mehr, als wir vor zwei Tagen wussten: Simon wurde erschlagen und seine Frau ist verschwunden. Das wissen die Menschen bereits. Sie erwarten viel von ihrem Ortsvorsteher.“ Jeschua sah, dass Elias auch um sein Ansehen fürchtete und er konnte ihn verstehen. „Steht nicht geschrieben, dass der Vater den Kindern die Wahrheit sagt und Du die Wahrheit nicht verkaufen sollst?“ Und Elias verstand, was der Schriftgelehrte ihm damit sagte. „Gut hast Du gesprochen. Ich habe noch ein Problem. Was sage ich den Menschen über die Nachfolge des Simon?“

      Und Jeschua sagte: „Kein Mann und keine Frau werden in dieser Situation erwarten, dass jetzt ein Schriftgelehrter und ein Winzer vom Himmel fallen, die dauerhaft unter Euch sein werden. Meine Anwesenheit mögen sie als Zeichen dafür nehmen, dass Du Dich der Nachfolgefrage bereits angenommen hast und dass die Nazarener und Ihr aus NaÏn gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Denn auch das ist die Wahrheit.“ „So soll es geschehen!“ Sprach Elias. Und sein Sohn Tobias ging zu den Häusern und kündigte die morgige Dorfversammlung an. Jeder erwachsene Mann und jede erwachsene Frau war dazu eingeladen. Die Frau des Elias reichte ihnen das Abendessen und sie durften in den Gästezimmern schlafen.

      Kapitel 3

      Am nächsten Morgen gingen die Menschen zum Dorfplatz und Elias sprach die Wahrheit zu ihnen, so, wie sie es am Tag zuvor besprochen hatten. Und die Menschen hörten, was er sagte und ihre Herzen beruhigten sich. Und ein Mann fragte: „Elias, unser Dorfvorsteher. Was wird mit den Weinbergen des Simon geschehen?“ Elias, der seine Mitbürger gut kannte, hatte diese Frage erwartet. „Wie Du weißt, hatten wir in der Geschichte unseres Dorfes noch keinen vergleichbaren Vorfall, an dem wir uns orientieren könnten. Also werde ich morgen nach Tiberias gehen und die Rechtsgelehrten befragen. Sie werden einen gerechten Rat wissen. Und bis dahin wäre es gut, wenn Ihr wie gewohnt an Eure Arbeit geht. Simon hätte das gewollt.“

      Und da der Ortsvorsteher bestimmte, dass der Schriftgelehrte und seine aufrechten Begleiter bis zur Nachfolge des Simon in dessen Haus wohnen sollten, fürchteten sie sich nicht mehr so sehr und sie gingen wieder an ihre Arbeit. Und Elias Augen leuchteten über seine Mitbürger und er sagte zu Jeschua: „Dein Beispiel soll mir ein Beispiel sein. Ich werde es mir mein Leben lang bewahren.“ „Danke nicht mir, Elias. Danke der Wahrheit. Sie ist es, die Dich geleitet hat und leiten wird, wenn Du es willst.“ Und so wie der Weise es ihn gelehrt hatte, nahm Jeschua Elias zur Seite und er fragte: „Wäre es nicht schön gewesen, wir hätten Deinen Entschluss, dass Johannes, Kenan und ich das Haus des Simon bis zur Nachfolge gemeinsam bewohnen sollen, vorab besprochen?“ Und Elias fragte: „Hätte das etwas geändert?“

      „Nein, Elias. Aber wäre es nicht schöner gewesen, wenn der Entschluss gemeinsam geboren worden wäre?“ Und Elias sagte: „Du bist wahrlich ein Schriftgelehrter und es soll mir eine Lehre sein.“ Wenig später kamen Johannes und Kenan zu Jeschua und sie sprachen: „Schriftgelehrter! Heute haben wir mit unseren eigenen Augen gesehen und mit unseren eigenen Ohren gehört, wie mächtig das Wort ist, aus den Mündern der Gerechten.“ Doch Jeschua sagte: „Ich freue mich sehr über Euch. Und ist es nicht auch so, dass Worte, die von Schwertern begleitet werden, nur halb so mächtig sind?“ Und er sah die Waffen an ihren Gürteln und sie sagten: „Ja, Schriftgelehrter. Aber heute sind sie nicht schädlich.“ Und Jeschua nickte nachdenklich.

      Als sie vor

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