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uns nicht noch mehr Zeit zum Vorbereiten bleibt?«, bohrte er nach. »Das wäre nämlich hilfreich.«

      »Mehr Zeit wäre eigentlich eher schlecht, Sir.«

      Daraufhin schaute er mich verwundert an.

      »Je länger der Sturm braucht, um hierherzuziehen, desto stärker wird er. Wir können nichts unternehmen, um seine Entwicklung zu verhindern. Je früher er uns erreicht, desto besser also.

      »Worauf müssen wir uns einstellen?«

      Nun da ich erst einmal in Schwung geraten war, schilderte ich die Einzelheiten. »Das sind wohlgemerkt alles nur Schätzungen: Winde von siebzig bis fünfundachtzig Knoten bei Böen, zwanzig bis dreißig Fuß hohe Wellen; Anschwemmungen und schwere Überflutungen nördlich der Sturmbahn sind ebenfalls wahrscheinlich. Dauert es länger, wird es noch schlimmer.«

      Ich hörte einige der Anwesenden leise fluchen.

      »Wie hoch wird die Sturmflut nördlich der Bahn ungefähr sein? Ich habe gehört, zehn bis fünfzehn Fuß wären möglich.«

      »Davon werden wir hier nichts dergleichen sehen. Denn die topografische Beschaffenheit des Atolls und seiner Umgebung verhindert hohe Sturmfluten. Die dem Ozean zugewandten Ufer fallen praktisch senkrecht in die Tiefe ab. Der Boden fällt unter Wasser allerdings nicht schräg ab, weshalb sich auch keine Wellen aufbauen können. Im Wesentlichen ist das auch der Grund dafür, dass wir uns hier kaum Sorgen um Tsunamis machen müssen. Falls es überhaupt eine Flut geben sollte, dann wird sie allein vom Wind verursacht.«

      »Und wie hoch wäre diese?«

      »Ich denke, einige der größeren Wellen werden wohl auf die Insel schwappen – höchstens einen Fuß, und das wäre dann nördlich der Bahn. Nicht einmal Wake wurde besonders stark überflutet, als Ioke darauf traf. Dennoch genügen solche Wassermassen natürlich auch schon, um beträchtliche Schäden anzurichten.«

      »Können Sie denn ungefähr sagen, über welche Teile des Atolls der Sturm ziehen wird? Sie wissen schon, was ich meine: Welche unserer Posten sind am stärksten gefährdet?«

      »Sir, wie ich …«

      »Vergessen Sie’s, ich kann es mir schon denken.« Er winkte ab.

      Eine Zeit lang starrte der Kommandant auf seine Hände. Die linke zitterte jetzt merklich immer stärker.

      »Wie dem auch sei, dieser Stützpunkt befindet sich jetzt offiziell in Alarmbereitschaft«, sagte er schließlich.

      Im Zusammenhang mit einem Taifun war dies das militärische Äquivalent zu TCCOR 2 und versetzte natürlich das gesamte Personal in Wallung, da jetzt Vorkehrungen gegen den Beginn des zerstörerischen Windes getroffen wurden, der innerhalb von vierundzwanzig Stunden auftreten sollte. Nur wenige Minuten nach der Besprechung würde das beschauliche Wochenende von Hunderten Menschen ein jähes Ende finden.

      Kommandant Blaine suchte nun LTC Polians Blick.

      Sichern Sie unsere Posten schnellstmöglich und beginnen Sie dann sofort mit dem Abzug des Personals. Ach ja, und informieren Sie außerdem das SMDC.«

      Dieses Kürzel stand für Space and Missile Defense Command, eine für Weltraummissionen und die Raketenabwehr zuständige Organisationseinheit der Armee und außerdem die nächste Instanz innerhalb der Befehlskette. Sie unterstand dem Department of the Army, einer Art Heeresamt, das sich direkt mit dem Präsidenten kurzschloss. Sie alle wurden sofort fahrig, wenn einer ihrer »Posten« auf dem Spiel stand.

      Colonel Blaine wandte sich jetzt dem Offizier für öffentliche Angelegenheiten zu.

      Setzen Sie bitte eine Erklärung für den Roller auf und betonen Sie dabei die Notwendigkeit, umgehend persönliche Vorbeugemaßnahmen zu ergreifen. Mir ist natürlich bewusst, dass sich Nachrichten auf diesem Landstrich wie ein Lauffeuer verbreiten, doch lassen Sie es uns dennoch an die große Glocke hängen, um die Menschen von den Stränden zu vertreiben und sie wissen zu lassen, dass Gefahr im Verzug ist. Um Mitternacht treffen wir uns wieder hier, und dann verlange ich aus allen Einsatzbereichen Berichte über den Fortschritt der Vorbereitungen. Machen wir uns an die Arbeit!«

      Danach fingen die Versammelten im Raum sofort an, wild durcheinanderzureden. Als ich aufstand und das Zimmer verlassen wollte, hielt Blaine mich an einer Schulter fest.

      »Sie haben ja meine Direktwahlnummer. Rufen Sie mich an, falls sich irgendetwas verändert. Das Ganze bereitet mir wirklich Sorgen. Ich werde den Gedanken an Wake einfach nicht los. Wir liegen hier nämlich auch nicht höher über dem Meeresspiegel.«

      »Ich werde zusehen, dass ich Ihnen unverzüglich Bescheid gebe, sobald sich etwas Neues ergibt, Sir.«

      »Sie konnten damit einfach nicht bis Juli warten, wenn ich das Kommando hier abgegeben hätte, oder?«, fragte er lächelnd. »Dann werde ich nämlich in Missouri jagen und angeln gehen.«

       19:15 Uhr – Wohnsiedlung des Stützpunktes, Kwajalein

      Ich beschloss, kurz in mein Quartier zurückzukehren, bevor ich mich wieder in der Wetterstation einfinden würde, um mir aller Voraussicht nach die Nacht um die Ohren zu schlagen. Die Sonne war längst untergegangen, Schauer und Gewitter hatten sich verzogen, doch gerade als ich um die Ecke in die Straße einbog, die zu meiner Wohnung führte, erklang schneidend wie ein Messer die Sirene – dreimal kurz, gefolgt von einem langgezogenen Ton. Meistens wurde sie zum Feierabend mit einem langen Heulen betätigt, jeden Tag außer sonntags um achtzehn Uhr. Abgesehen von diesen Anlässen war die Sirene während unseres gesamten Aufenthaltes auf dem Atoll still geblieben. Angesichts des außergewöhnlichen Signals kramten jetzt bestimmt Hunderte Bewohner fieberhaft nach ihren Informationsblättern, auf denen stand, was dieses Signal bedeutete.

      Bei dieser Vorstellung kam mir plötzlich auch Kate in den Sinn. Sie hatte ein fotografisches Gedächtnis und hätte sich bestimmt sofort daran erinnert, was es mit dem Alarm auf sich hatte, ohne extra nachschlagen zu müssen. Für die meisten Menschen war ihre Gabe nur ein unterhaltsames Kuriosum – sie löcherten Kate gern mit belanglosen Fragen – doch es machte auch einen großen Teil ihres Erfolges als Anwältin aus. Denn meine Frau konnte jeden Fall wiedergeben, den sie jemals nachgelesen hatte, und jeden rechtlichen Fachausdruck dazu abrufen. Sie vergaß weder Namen noch Gesichter oder Bemerkungen, die irgendjemand fallengelassen hatte. Hinzu kam noch, dass sie hervorragend diskutieren konnte – eine nahezu unschlagbare Kombination für die Arbeit in Gerichtssälen. Etwas gut zu können, bedeutet allerdings nicht, dass man es auch gerne tat.

      Ich lernte Kate zwei Wochen vor meinem College-Abschluss im Rahmen einer Wette in einer Kneipe kennen. Meine Freunde wussten genau, dass diese Frau für mich unerreichbar war, und hatten deshalb behauptet, ich könne sie nicht dazu bringen, mir ihre Telefonnummer zu geben. Ziemlich abgebrannt, ohne Job oder irgendwelche Zukunftsaussichten, stapfte ich zu ihrem Tisch hinüber, um es hinter mich zu bringen, damit wir uns danach weiter betrinken und herzlich darüber lachen konnten, wie armselig ich doch war. Um die Wette zu gewinnen, hatte ich mir allerdings einen ganz einfachen Plan zurechtgelegt: Ich würde ihr einfach davon erzählen. Sie erwiderte daraufhin, dass es Ehrlichkeit war, worauf sie besonders großen Wert lege, und dass sie deshalb mitspielen und mir ihre Nummer geben würde, falls ich ihr versprechen würde, auch tatsächlich anzurufen. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich gerade eine wirklich großartige Masche zum Anmachen entdeckt hatte, doch gebraucht habe ich sie danach nie wieder. Denn ich hielt mein Versprechen, mit Kate zu telefonieren, und kurz darauf wurden wir zu dem Paar, das wir bis heute sind. Ach, und die Wette gewann ich natürlich auch.

      Während der ersten zwei Jahre unserer Beziehung arbeitete ich an den Wochenenden als Meteorologe für einen kleinen Sender des Lokalfernsehens. Danach bewarb ich mich spontan für eine Stelle auf dem Raketentestgelände und bekam sie überraschenderweise tatsächlich. Dort verdiente ich das Doppelte meines Gehalts beim TV und erhielt noch dazu die Chance, im Paradies zu leben. Auf die gleiche Weise aus dem Bauch heraus machte ich Kate daraufhin einen Antrag und bat sie, mit auf das Atoll zu ziehen. Hätte sie auch nur eines davon abgelehnt, wäre ich nicht zu dem Job angetreten. Denn ich wusste schon damals ganz genau, was ich an ihr hatte.

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