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hastig schloss. Als ich mich hinsetzte, fiel er auf mich.

      »Mensch!«, fuhr ich ihn an.

      Er lachte nur.

      »Wie lange wird das ungefähr dauern, was meinst du?«, fragte er beunruhigt, während er sich nur mit Mühe von meinem Schoß aufraffen konnte.

      Das konnte ich ihm leider auch nicht beantworten.

      Während sich das Boot jetzt langsam vorwärtsbewegte, spürten wir wohl alle, dass sich der Kanal näherte, denn der Wellengang wurde nun immer stärker. Der Moment, in dem wir den Schutz der Insel hinter uns ließen, war einschneidend: Im Wind neigte sich das Boot ruckartig nach Steuerbord, weshalb wir befürchten mussten, dass wir kentern würden. Gemeinsam lehnten wir uns in die Gegenrichtung. Der Stoff des Bimini-Verdecks flatterte in den Böen, die Jeff die Baseballmütze vom Kopf rissen und fortwehten.

      Er schlug das Steuerrad hart nach Backbord ein, um den Bug in den Wind zu richten, und gab dann dem Motor Zunder. Anschließend entstand die größte Welle, die wir jemals im Leben gesehen hatten, und rollte genau auf uns zu. Von Tal bis Kamm war sie mindestens zehn Fuß hoch. Unser Bug schoss in die Höhe, und gleich darauf das gesamte Boot. Wir sausten über die Welle, wobei eine Menge Wasser über das Deck strömte. Da das Boot dank seiner Konstruktion auch für Fahrten bei ungünstiger Witterung taugte, flossen die Massen zwar einigermaßen ab, doch die gewaltige Menge an Regen und Meerwasser in seinem Kielraum machten es natürlich deutlich langsamer.

      Jeff, dem die heikle Situation und die Gewichtsverlagerung nicht entgangen waren, nutzte eine kurze Flaute inmitten der Wellen und gab erneut Gas. Daraufhin ging es mühsam voran, ehe wir wieder Fahrt aufnahmen, als wir immer mehr Wasser durch die Abläufe am Achterdeck loswurden. Bill stand jetzt neben Jeff und verlor die Balance, als das Boot einen unerwarteten Satz nach vorne machte. Er schien sich zuerst wieder zu fangen, rutschte dann aber von dem glitschigen Handlauf ab, wo er sich festhielt, und fiel schreiend über Bord in die schäumende See des Kanals. Dabei schlug sein Kopf mit einem dumpfen Knall gegen die Seitenwand.

      Bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, was wir jetzt tun sollten, huschte etwas Oranges an mir vorbei. Sonny hatte sich einen Rettungsring geschnappt und war auch schon ins Wasser gesprungen. Während er zu Bill schwamm, stellte ich mir vor, dass ein Großteil der Gesellschaft bestimmt einen Actionhelden in ihm sehen würde.

      Ebenfalls ohne zu zögern, drehte Jeff unser Heck von den beiden über Bord gegangenen Männern ab, damit sie nicht in den Propeller gerieten. Kurz stand das Boot quer zur Wind- und Meeresströmung, sodass es sich erneut mit einem Ruck nach Steuerbord neigte. Wir alle machten uns innerlich schon auf das Kentern gefasst, doch dazu sollte es zum Glück nicht kommen. Stattdessen vollzog Jeff eine ganze Drehung und brachte das Boot in einem Zug auf Kurs mit dem Wind, gleich hinter Billy und Sonny. Die zwei gingen mittlerweile wie Korken im Wasser auf und nieder, während sie sich gegenseitig umklammerten und an dem Ring festhielten. Bill hatte sein Bewusstsein also nicht verloren, war aber benommen, und Sonny grinste optimistisch wie immer.

      Ohne Bill loszulassen, legte er die letzten paar Fuß bis zum Boot zurück. Dann ergriff ich Bills Arm und wollte ihn gerade hochziehen, doch sein wuchtiger Leib bewegte sich kaum. Ed packte daraufhin mit an, während sich Jeff als Gegengewicht auf die andere Seite stellte. So zerrten wir mit aller Gewalt, und Sonny drückte gleichzeitig von unten. Als wir Bills Oberkörper endlich über die Bordwand gezogen hatten, rutschten die Beine langsam hinterher, und er plumpste auf den Boden wie ein nasses Segel.

      Er starrte nur entsetzt in den Himmel. Ein Tropfen Blut trat aus einer leichten Schnittwunde an seiner Stirn und vermischte sich mit dem Wasser, das an seinem Kopf hinunterlief.

      »Hab doch noch einen gefunden«, rief Ed und steckte Bill einen Zahnstocher in den Mund. Der Liegende schloss die Augen und atmete erleichtert auf.

      Der Sturm hatte jetzt ein wenig nachgelassen, sodass wir den Rest der Fahrt durch den Kanal ohne allzu große Anstrengungen zurücklegen konnten. Sobald wir den Inseln auf der anderen Seite näher kamen, brausten wir in ihrem Schutz über die aufgewühlte See in Richtung Heimat. Die bedrohliche Wolkenbank blieb uns dabei die ganze Zeit dicht auf den Fersen.

      Kapitel 3

       17:30 Uhr – Kwajalein

      Als wir im Hafenbecken einfuhren, schien es Bill wieder gut zu gehen. Ich überließ es Sonny, Jeff und Ed, ihn ins Krankenhaus zu bringen und ihn dort untersuchen zu lassen – auch falls sie ihn dazu zwingen mussten –, und radelte durch den heftigen Regen zur Wetterstation.

      Auf Kwaj war es stets warm, also störte mich das Verbot von Kraftfahrzeugen auf der Insel normalerweise nicht. Bei solchem Wetter wie gerade ärgerte man sich allerdings über diese Verordnung. Die Telefonleitungen am Hafen waren alle tot – was wahrscheinlich der salzigen Luft geschuldet war, wie so vieles hier – doch ich rechnete fest damit, heute eine Nachtschicht wegen eines ausgefallenen Mitarbeiters schieben zu müssen. Wozu sie mich an einem Sonntag sonst brauchen könnten, konnte ich mir nicht vorstellen.

      Ich platzte durch die Eingangstür hinein und blieb kurz stehen, um etwas von dem Regenwasser von meinen Kleidern zu streichen. Dabei hörte ich schon Chris, einen anderen Meteorologen, aufgeregt am Telefon und wusste sofort, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.

      »Das lässt sich momentan nur schwer abschätzen, Sir.«

      Er streckte seinen Kopf durch die Tür des Büros, in dem die Vorhersagen getroffen wurden. So, als wolle er um Hilfe rufen, neigte er ihn zur Seite und machte dabei große Augen.

      »Er ist gerade erst reingekommen. Ich bringe ihn zuerst einmal auf den neuesten Stand und sage ihm dann, dass er Sie zurückrufen soll.« Die Klingel in dem alten Scheibentelefon dröhnte, als Chris den Hörer auf die Gabel knallte.

      »Was ist los?«, fragte ich verwirrt.

      »T.D. null eins.«

      »Eine tropische Depression?«, erwiderte ich fassungslos. »Du machst Witze.«

      »Keineswegs, schau her.«

      Er übertrug das Bild seines PC-Monitors nun per Tastendruck auf den Wandbildschirm. Es war eine vergrößerte Satellitenaufnahme der Sturmfront.

      »Beeindruckend, diese Zirkulation«, sagte ich und trat näher. Jetzt erkannte ich auch endlich, was ich da vor mir hatte. »Wie lang ist dieser Zeitraffer?«

      »Vier Stunden.«

      »Scheiße. Die hat sich aber schnell entwickelt. Wo ist das denn?« Ich ging davon aus, dass sich das Ganze wie üblich westlich von uns oder südlich von Hawaii zusammenbraute.

      »Acht, eins-siebzig-zwei.«

      »Hundertsiebzig … östlicher Breite?, hakte ich entsetzt nach.

      »Genau.«

      Indem er am Rad der Maus drehte, verkleinerte er das Bild um eine Stufe. Nun erschienen die Umrisse von Kwajalein unmittelbar westlich der Wirbel. Mir blieb kurz das Herz stehen. Die Suppe stand ungefähr dreihundert Meilen südöstlich von uns und bewegte sich kaum.

      »Was hält das JTWC davon?«, fragte ich. Die Abkürzung stand für Joint Typhoon Warning Center, das Zentrum der US Navy für tropische Wirbelstürme in Pearl Harbor, Hawaii.

      »Mit jemandem von dort habe ich vor einer Viertelstunde telefoniert. Sehr warmes Wasser, schwacher Scherwind, rapider Auftrieb. Den Hochrechnungen zufolge wird er innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden die Stärke eines Taifuns erreichen. Vor ein paar Stunden gab noch niemand etwas auf diese Prognose, ich selber auch nicht. Aber jetzt hat plötzlich keiner mehr einen Grund dafür, sie anzufechten.«

      »Was genau hältst du davon, Chris?«

      Dies war nicht sein erster Tropensturm. Er arbeitete schon seit mehr als zehn Jahren als Spezialist für diese Klimazone und war Meteorologe bei der Navy gewesen, weshalb er so einiges an schlechtem Wetter erlebt hatte. Ich gab aus diesem Grund viel auf seine Meinung.

      Chris schob seine

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