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spricht K6AB9. Wir senden aus Phoenix, Arizona, auf 10,150 Megahertz. Wir haben die Stadt geräumt und werden bald von unserem Unterschlupf aus funken … vermutlich um einen Elektromagnetpuls. Starke statische Entladungen am 28. Mai um 1409 Zulu auf allen Kanälen festgestellt. Hier spricht K6AB9 …«

      »Um Himmels willen«, rief Jeff. »Ist das tatsächlich wahr?«

      »Das wissen wir nicht«, entgegnete dieses Mal Ned. »Passiert ist auf jeden Fall etwas, deshalb kriechen jetzt alle Verrückten aus ihren Löchern. Schwer zu sagen, was davon wahr ist und was nur Geschwätz.«

      »Dies hört sich aber sehr vernünftig an. Wer könnte so etwas denn in Erfahrung bringen?«, fragte nun Jeff.

      »Was genau meinst du?«, hakte ich nach. »Hätten unsere Radargeräte so etwas nicht auch entdeckt?«

      Die drei drehten sich alle gleichzeitig zu mir um und schauten mich abfällig an, als wollten sie anfechten, dass ich überhaupt auf dem Testgelände arbeitete.

      Jeff schien aber schließlich einzufallen, dass ich nun einmal nicht zu jenen neunzig Prozent des Personals gehörte, die eine ingenieurwissenschaftliche Ausbildung genossen hatten, und antwortete deshalb: »Nein, das hätten sie nicht. Unser Radar kann nur elektromagnetische Signale per Sichtverbindung empfangen, berechnet mit dem äquivalenten Erdradius von vier Dritteln seiner eigentlichen Länge.«

      Ich hatte keinen blassen Schimmer, was der letzte Teil dieses Satzes bedeuten sollte, verstand aber, was er mit der Sichtverbindung meinte. Wetterradargeräte konnten zum Beispiel nicht über den Horizont »sehen«, außer der Strahl wurde durch Temperaturinversion in der Atmosphäre gekrümmt.

      »Und außer richtigen Fachleuten wüsste kaum jemand, dass man elektrostatische Entladungen in den niederen Frequenzbereichen hören kann.« Jeff wandte sich jetzt Ned zu. »Habt ihr eigentlich richtig mit irgendwem sprechen können?«

      »Antworten auf unsere Funksprüche sind bisher leider nicht reingekommen«, erzählte der dünne Mann. »Das Einzige, was wir zu hören bekommen, sind entweder aufgezeichnete Nachrichten, Gelaber von irgendwelchen religiösen Fanatikern oder Fremdsprachen.«

      »Wie sieht’s denn mit den Stützpunkten aus, die nicht auf dem US-amerikanischen Kontinent liegen?«

      »Ebenfalls Fehlanzeige bis jetzt. Aus einigen Nachrichten geht allerdings hervor, dass es möglicherweise mehrere Pulse gab, vielleicht an vielen Orten auf der ganzen Welt. Wir wissen es einfach nicht. Im Moment hören wir alles ab, um mehr in Erfahrung zu bringen.«

      Sal stellte nun einen anderen Kanal ein, um uns beispielhaft einen der Fanatiker zu präsentieren. Dieser Typ las die ganze Zeit langsam und gleichmäßig aus der Bibel vor. Als wir bei seiner Frequenz landeten, schien er gerade mitten im Buch Hesekiel zu sein.

      Ich war vollkommen entgeistert und mir wurde plötzlich schwindlig.

      »Hey«, meinte Sal. »Wenigstens ist da nicht die Rede von Atombomben.«

      »Atombomben?«, wiederholte ich fassungslos, ohne mich konkret an jemanden zu wenden. Schließlich setzte ich mich auf einen der freien Stühle.

      »Komm, wir gehen wieder«, sagte Jeff und drehte sich zu den beiden anderen um. »Macht ihr zwei hier weiter?«

      Sal bejahte mit verwundertem Blick. »Was sollen wir denn schließlich sonst machen?«

      Jeff und ich fuhren schweigend zur Wohnsiedlung. Für ihn war es zwar ein kurzer Umweg, aber er begleitete mich zu meinem Quartier. Während wir uns näherten, hatte ich auf einmal das Gefühl, mich von ihm verabschieden zu müssen, doch gerade als ich dazu anhob, kam er mir zuvor und verschwand dann ganz schnell.

      Kapitel 5

       Dienstag, 29. Mai, 10:30 Uhr – Wohnsiedlung des Stützpunktes, Kwajalein

      Nach nur wenigen Stunden unruhigen und deshalb nicht erholsamen Schlafs, wachte ich genauso angespannt und nervös auf, wie ich beim Zubettgehen gewesen war. Ich griff sofort zum Telefon und wählte die neunundneunzig in der Hoffnung, mit dem Festland verbunden zu werden, aber nichts tat sich. Nachdem ich den Fernseher eingeschaltet hatte, lief nur der Roller, den man aber anscheinend auch nicht mehr aktualisiert hatte.

      Schließlich hob ich ein schmutziges Shirt vom Boden auf und zog es zusammen mit einer kurzen Hose an, die nicht dazu passte. Auf dem Weg zur Tür fuhr ich mir hastig durch die Haare und wackelte mit den Zehen, um tiefer in meine Badelatschen schlüpfen zu können.

      Es war erst halb elf, aber schon drückend heiß in der tropischen Sonne. In diesen Breitengraden blieben Tag und Nacht das ganze Jahr über jeweils nahezu gleich lang, und weil die Sonne ihren Höchststand mittags erreichte, herrschten vom späten Morgen bis zum frühen Nachmittag stets die heißesten Temperaturen. Während dieser Stunden saßen die Einheimischen die Hitze für gewöhnlich im Schatten von Palmen aus. Wir Amerikaner mit unseren klimatisierten Arbeitsplätzen und wichtigen Aufgaben hatten im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung allerdings nie gelernt, eine Siesta gutzuheißen.

      Ich schwitzte jetzt schon stark – oder schmorte vor mich hin – so nannte ich es –, als ich mit kräftigem Tritt in die Pedale an Jeffs Wohnung vorbeifuhr. Da sein Rad nicht im Ständer fehlte, bremste ich gar nicht erst. Auch das EOC ließ ich schnell hinter mir und machte mich direkt auf den Weg zur Wetterstation. Zu dem Zeitpunkt, als ich dort ankam, war mein Shirt bereits klatschnass.

      Beim Eintreten stieß ich auf ein paar Kollegen und einen Elektrotechniker, die im Arbeitszimmer saßen und sich angeregt miteinander unterhielten. Sie teilten mir mit, dass alle Geräte einwandfrei liefen und wir regelmäßig neue Bilder aus dem All bekämen – also funktionierten die Satelliten wie üblich –, das Radar machte ebenfalls keine Probleme, und auch unser gesamtes Messequipment ließ sich ganz normal bedienen. Allerdings hatten wir von den nationalen Meteorologie-Zentren überhaupt keine Daten für Vorhersagemodelle erhalten, und beim Prüfen der Leitungen war den Technikern aufgefallen, dass wir auch nichts empfangen konnten, obwohl sie augenscheinlich in Ordnung waren. Wir sendeten zwar – wohin, das wussten wir nicht – doch zurück kam überhaupt nichts.

      Ich begnügte mich damit, dass nichts beschädigt war, und fuhr direkt weiter zum EOC. Auf dem Rückweg radelte ich gegen den kräftigen Passatwind an. Am Äquator weht der Wind aus Hochdruckzonen über mittlere Breiten in Tiefdruckgebiete und dreht auf der Nordhalbkugel der Erdrotation wegen nach rechts. So entsteht ein nahezu konstanter Gürtel aus östlichen Passatwinden, deren Name im romanischen Sprachraum geprägt wurde, denn Handelsschiffer in früherer Zeit versuchten immer, die günstige Strömung zu nutzen, um ferne Länder besegeln zu können. Obwohl mich der Zug angenehm erfrischte, relativierte der erhöhte Windwiderstand das Ganze wieder.

      Ich quälte mich langsam an zwei Frauen vorbei, die am Straßenrand stehen geblieben waren und hinaus auf das Meer schauten. Eine erkannte ich als die Frau des Inselseelsorgers wieder, die andere war mir nicht geläufig. Ich hörte, wie die des Geistlichen sagte, dass man in Zeiten wie diesen beten müsse, damit die Pest verschwinde und uns und Nahestehende verschone, aber auch für diejenigen, die schon gestorben waren.

      Ich stellte mir eine kurze Diskussion mit ihr vor, wobei ich sie fragen würde, welcher Gott, der doch schon wissen würde, dass mir die Sicherheit meiner Angehörigen am Herzen liege, unserer Gebete würdig sei und warum wir angesichts all dessen, was schon geschehen war, nicht vielmehr überglücklich sein sollten, denn es entspreche doch schließlich Gottes Plan und müsse demnach über jeglichen Zweifel erhaben sein. Uns armen Sündern stehe es doch gar nicht zu, Kritik an der Vorsehung des Herrn zu üben, oder? Wenngleich mich dieses imaginäre Streitgespräch noch mehr aufregte, ging ich natürlich als Sieger daraus hervor, wie immer.

      Ich traf im selben Moment am EOC ein wie Sanitätsoffizier Dr. Pepperdine oder auch kurz Pepper genannt. Er war auch mein Hausarzt, und obwohl wir regelmäßig gemeinsam Basketball spielten, pflegten wir eine eher nüchterne Bekanntschaft, anstatt dicke Freunde zu sein.

      Mir kam es nämlich irgendwie unangemessen vor, eng mit dem eigenen Arzt befreundet zu sein.

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