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zugange, bei dem Metall auf Metall traf. Von der Drahtbürste, die er eingesetzt hatte, flog Feinstaub in den Wind. Splitter steckten in seinen Haaren und blieben an seinen schmierigen Klamotten hängen, Funken sprühten in der Dunkelheit und verglommen. Als ich von meinem Rad stieg, trat er zurück und klappte seine Schutzmaske hoch, um zu sehen, was er bis jetzt geleistet hatte. Die eine Hälfte des kleinen Propellers funkelte, als sei sie brandneu. Er hielt einen Zeigefinger an das geschliffene Metall, zog die Hand aber hastig wieder zurück und steckte ihn zum Kühlen in seinen Mund. Dann bemerkte er wohl eine Bewegung am Rande seines Gesichtskreises, drehte sich um und schaute in meine Richtung.

      Da ich wusste, dass er mich nicht sehen konnte, kündigte ich mich an.

      »Konntest du auch nicht pennen?«, fragte er.

      »Nein. Was treibst du denn da?«

      Jeff blickte über die vielen Teile auf der Werkbank, sah mich an und wandte sich dann wieder ab.

      »Ach, nichts. Ich lasse nur ein bisschen Dampf ab … räume meine Kiste mit Einzelteilen auf.« Zögerlich fügte er hinzu: »Und was ist mit dir?«

      Mir fiel so schnell nicht ein, was ich darauf antworten sollte. Ich hatte geglaubt, dies sei alles kein Problem. Ich war automatisch davon ausgegangen, dass Jeff das Gleiche denken würde wie ich, hatte es aber überhaupt nicht richtig durchdacht.

      »Ich, äh … wollte dich nur etwas fragen.«

      »Worum geht’s denn?«

      Auf einmal kam es mir bescheuert vor, ihn mit dem zu belasten, was ich wissen wollte. Er hatte ebenfalls Angehörige auf dem Festland und saß deshalb im gleichen Boot wie ich. Letzten Endes hielt ich es für das Beste, einfach mit der Sprache herauszurücken: »Ich muss hier weg … nein, wir müssen hier weg … wir müssen die Insel verlassen.«

      Jeff drehte sich zu mir um und schaute mir tief in die Augen. Sein Gesichtsausdruck – eine Mischung aus Besorgnis, Skepsis und womöglich auch ein wenig Erleichterung – sprach Bände. Dann erschlafften seine Züge, und er seufzte, bevor er sich wieder seinen Bauteilen widmete.

      »Ich weiß«, murmelte er leise.

      Ich hielt inne, damit er verinnerlichen konnte, was ich nicht ausdrücklich gesagt hatte, und trat dann näher.

      »Jeff, wir müssen zurück in die Staaten fahren. Dein Segelboot ist dabei unsere einzige Möglichkeit, das zu tun.«

      Er blinzelte und wischte dann eine Träne weg, die schon halb an einer seiner Wangen hinuntergelaufen war. Ich war nach wie vor so sehr aufgewühlt, dass ich selbst die Fassung zu verlieren drohte, als ich diese Träne sah. Ich hoffte inständig, dass Jeff sich beherrschen würde, weil ich genau wusste, wenn er zusammenbrach, würde ich es auch tun. Er fuhr sich nun mit einem schmutzigen Ärmel über die Augen, sodass ein grauer Streifen in seinem Gesicht zurückblieb. Anschließend räusperte er sich, als habe er gerade einen inneren Schalter umgelegt, schluckte angestrengt und sprach dann ohne einen Hauch von Kummer in seiner Stimme: »Ich weiß, du hast recht.«

      »Gut, und wie gehen wir jetzt genau vor?«, fragte ich.

      »Ich überlege selbst schon die ganze Nacht«, gab er zu. »Eigentlich wollte ich es mir nicht eingestehen, dass es so ernst ist, aber etwas anderes bleibt uns wohl nicht übrig.«

      »Ich kann einfach nicht hierblieben, während da draußen Gott weiß was mit Kate und den Kids passiert«, bekräftigte ich mit dem Gefühl, ihn endgültig überreden zu können. »Das macht mich komplett wahnsinnig.«

      »Leicht wird es aber nicht.« Jeffs Stimme zitterte nun wieder. »Vielleicht gehen wir dabei sogar drauf. Selbst unter Idealbedingungen mit der richtigen Ausrüstung ist eine Bootsfahrt über den Pazifik extrem hart. Wer eine antritt, verbringt normalerweise Monate mit den Vorbereitungen und Fitnesstraining.«

      »Das ist mir egal«, erwiderte ich. »Ich würde es auch mit einem Ruderboot versuchen, wenn es sein muss.«

      »Ich auch«, stimmte Jeff mir heiser zu.

      Wir mussten allerdings damit rechnen, dass sich die Lage auch spontan beruhigen könnte, kaum dass wir aufgebrochen waren. Falls dies geschehen sollte, standen wir natürlich ganz schön dumm da. Allerdings erkannten wir beide instinktiv die Schwere der Situation und ahnten, dass noch mehr dahintersteckte, als wir momentan wussten. Natürlich war die Pest schlimm, doch überhaupt keinen Kontakt zur Außenwelt zu haben und nur die Informationsschnipsel zu bekommen, zu denen Jeffs Freunde aus dem Kommunikationswesen gekommen waren und dazu noch das Ausbleiben der Helfer vom Kontinent … das alles trug zu einem intensiven Angstgefühl bei. Wir hielten weiterhin an der Hoffnung fest, einfach in einen Flieger steigen oder zumindest unsere Familien anrufen zu können, sobald wir den nächsten halbwegs zivilisierten Ort erreichten.

      In der folgenden Stunde tüftelten Jeff und ich einen Plan zur Überquerung des Ozeans mit seinem Segelboot aus. Wir sprachen über Treibstoff, Ausrüstungsgegenstände, Lebensmittel und das Wetter. Was würde aus uns werden, falls man uns schnappte? Wir legten eine Route fest und nahmen uns vor, niemanden einzuweihen, außer es war wirklich zwingend notwendig. Da wir jedoch irgendwann einsahen, dass das Ganze zu zweit einfach nicht zu bewerkstelligen war, kamen wir überein, Sonny zu bitten, uns zu begleiten. Denn sonst vertrauten wir niemandem auf dieser Insel.

      Jeff hatte allerdings noch ein letztes Anliegen: »Du kennst Bill doch ziemlich gut, oder?«

      Ich nahm die rhetorische Frage nickend zur Kenntnis.

      »Ist Verlass auf ihn?«

      Ich nickte erneut.

      »Er ist der Einzige, der uns eine Waffe besorgen kann, und wir brauchen unbedingt eine«, fuhr Jeff fort. »Natürlich könnte es auch sein, dass wir keine Menschenseele treffen, bis wir zum Festland kommen, aber besser, wir lassen es nicht darauf ankommen und sind auf alles vorbereitet. Bestimmt treiben sich mittlerweile Piraten auf dem Meer herum. Wann immer etwas aus den Fugen gerät, tauchen automatisch solche Nutznießer auf. Und wir können ja überhaupt nicht absehen, was uns da draußen erwartet.«

      Ich pflichtete ihm zwar bei, doch Bill zu bitten, mir eine Kanone zu besorgen, war trotzdem ein erhebliches Wagnis.

      »Mal schauen, was ich tun kann«, sagte ich deshalb unverbindlich.

      »Also noch mal: Kein Wort zu irgendjemandem«, betonte Jeff. »Dieses Gespräch hat niemals stattgefunden, okay?«

      Ich nickte.

      »Gut. Oh, und es ist zwar Sommer, aber ich brauche dich ja bestimmt nicht darauf hinzuweisen, dass die Temperaturen auf dem Nordpazifik dennoch ziemlich niedrig sind. Du hast doch bestimmt einen Regenmantel, oder? Angemessene Klamotten für so ein Wetter?«

      »Einen Regenmantel? Ich habe kein…« Ich biss mir auf die Zunge.

      Jetzt kam ich mir plötzlich wie ein Trottel vor, denn den Einwänden meinerseits zum Trotz hatte Kate auch Winterkleidung mitgenommen, als wir auf die Insel gezogen waren, und dabei gesagt: »Man weiß nie, wozu die mal gut sein könnten.«

      »Doch, ich habe einen Mantel«, berichtigte ich mich deshalb.

      »Prima, ich auch. Das waren mal wieder unsere besseren Hälften, nicht wahr?«, fragte er mit einem Lächeln.

      Während Jeff noch einige Dinge aufzählte, die wir noch erledigen mussten, fertigte ich eine Liste an, wobei ich die jeweiligen Aufgaben zwischen ihm, Sonny und mir verteilte.

      Zufrieden mit diesem scheinbar umsetzbaren Plan widmete sich Jeff sich nun erneut seiner Werkbank.

      Wir würden voraussichtlich bis heute Abend brauchen, um alles zusammenzutragen, und bereit zum Aufbruch zu sein. Ich würde gleich nachher mit Sonny reden. »Lass uns die Flucht mitten in der Nacht ansetzen, denn wenn wir uns im Dunkeln davonstehlen, sieht uns niemand.«

       Mittwoch, 30. Mai, 10:00 Uhr – Kwajalein

      Ich wollte nur auf einen Sprung in mein Quartier und dann gleich weiter zu Bill, wachte aber erst nach zwei Stunden auf der Couch wieder auf. So gut hatte ich

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