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      »Das Gleiche wie alle anderen – zu Mittag essen«, antwortete Bill kurz angebunden.

      »Ist hier noch frei?«, fragte Randy, als er auf den vierten, nicht besetzten Stuhl am Tisch zeigte.

      Tim bestätigte dies mit einer Handbewegung in der Luft über dem Stuhl. »Jepp, da sitzt keiner.«

      Ich musste unweigerlich schmunzeln. Bill hingegen lachte laut.

      »Eigentlich erwarten wir jemanden«, log ich.

      »Ist nicht schlimm«, entgegnete Randy mit seiner weinerlichen und nasalen Stimme. Er ging zum nächsten Tisch und plapperte dort weiter. Einer der Sitzenden schwenkte daraufhin ebenfalls eine Hand über einem freien Platz, woraufhin seine Nachbarn lachten. Randy zog den Stuhl zu unserem Tisch, wobei die Beine unangenehm auf dem Fußboden quietschten.

      Nachdem er sich bequem niedergelassen und uns umso mehr Unbehagen bereitet hatte, hob er an: »Ganz schön schlimm, diese Krankheit, die gerade umgeht, was?«

      »Sieht ganz so aus«, erwiderte ich. Mir fiel auf, dass Tim und Bill schneller aßen.

      Weil seine Ehefrau Joyce die Sekretärin des Colonels war, wurde Randy automatisch ein gewisser Respekt zuteil, den er eigentlich gar nicht verdiente. Das war der einzige Grund, der seine Mitmenschen generell davon abhielt, ihm zu sagen, wie sie wirklich über ihn dachten. Trotzdem war es relativ einfach, ihn zum Gespött zu machen, weil er nur sehr selten kapierte, was gerade gespielt wurde.

      »Wie dem auch sei, ich bin fein raus, denn ich hab 'ne Menge Antibiotika«, fuhr er fort.

      Das wunderte Bill dann doch. »Wie denn das?«

      »Weil ich immer den Rest aufbewahre, wenn ich welche auf Rezept bekomme. Das sind mittlerweile schon mehrere Flaschen.«

      »Dann bist du ja mit Schuld daran, dass es so weit gekommen ist«, meinte Tim, bevor er sich eine volle Gabel in den Mund steckte. »Man muss immer alle Tabletten nehmen, die man verschrieben bekommt.«

      »Aber wenn’s mir doch besser geht, warum sollte ich dann noch mehr davon schlucken?«

      Tim verdrehte seine Augen und schüttelte entgeistert den Kopf.

      »Außerdem handelt es sich bei dem Erreger um einen Virus«, warf ich ein. »Antibiotika helfen nur bei bakteriellen Infektionen.«

      »Sei’s drum«, sagte Randy. Dann fuhr er sich über seine unnatürlich dunklen Haare – eindeutig Implantate – und kratzte sich an seinen genauso künstlichen, weißen, überkronten Zähnen. Er besaß wirklich eine beispiellose Eitelkeit.

      Schließlich wandte er sich wieder an Bill. »Übrigens, was gibt’s Neues aus dem Bullenalltag?«

      Bill nahm schnell den Rest Essen von seinem Teller, ließ Gabel und Serviette darauf fallen und antwortete mit vollem Mund: »Gar nichts. Ich muss jetzt leider los.«

      Tim und ich taten es ihm gleich und standen hastig auf.

      »Hey, ich dachte, ihr würdet noch auf jemanden warten.«

      »Er kommt offenbar nicht mehr, so wie’s aussieht«, behauptete ich.

      Randy zuckte mit den Schultern, erhob sich und schleifte den Stuhl dann wieder lautstark zu dem Tisch, von dem er ihn genommen hatte. Als er sich hinsetzte, fing die Gruppe dort ebenfalls sofort an, schneller zu essen.

      Wir gingen aus der Kantine hinaus in die stickige Hitze. Bill nahm einen Zahnstocher aus seiner Tasche und streifte die Verpackung ab, dann schob er ihn zwischen seine Lippen und ließ ihn in einen Mundwinkel wandern. Anschließend schnaufte er zufrieden.

      Während wir vor dem Gebäude standen, suchte ich händeringend nach einer geeigneten Vorgehensweise, um die Sheriffs zu trennen, ohne sie dabei noch misstrauischer zu machen als ohnehin schon. Bevor ich mich endgültig blamierte, sprach Bill zum Glück Tim an: »Gehst du jetzt mal bitte dieses Schloss überprüfen? Wir sehen uns dann später im Amt.«

      Der Jüngere willigte ein und wandte sich dann ab, um zum Polizeibüro zurückzugehen. Er lief los, weil er offenbar jemanden einholen wollte, der auch in diese Richtung unterwegs war.

      »Na, sagst du mir jetzt, was es mit deiner plötzlichen Geselligkeit heute Mittag auf sich hat?«, fragte Bill grinsend, wobei der Zahnstocher in seinem Mund langsam auf und nieder ging wie ein Dirigentenstab.

      Damit erwischte er mich kalt.

      Nun äffte er mich nach: »Jetzt sofort wäre super. Wir dürfen diese Tür nicht offenlassen.« Ein Kichern folgte. »Das war doch wohl ganz offensichtlich nicht dein Ernst.«

      »Du kennst mich viel zu gut.«

      Bill baute sich vor mir auf, leicht breitbeinig mit der linken Hand am Gürtel und der rechten auf seiner Pistole – eine reine Gewohnheit, aber nichtsdestotrotz einschüchternd. Dann bedachte er mich mit seinem berühmten stechenden Blick. In diesem Moment sah ich ein, dass ich bei einem richtigen Verhör mit ihm niemals hätte dichthalten können.

      »Darum zu bitten, sich vertraulich mit jemandem unterhalten zu dürfen, ist kein Verbrechen«, sagte er. »Also, worum geht es?«

      Gleichermaßen zur Beruhigung meiner Nerven und um sicherzugehen, dass uns niemand zuhörte, bat ich ihn, mit mir über die Sportplätze in Richtung Flughafen zu gehen.

      »Versprichst du mir, für dich zu behalten, was ich dir gleich erzähle?«, fragte ich als Erstes, als wir einen stillen Platz im Schatten erreichten und stehen blieben.

      »Nein«, antwortete er zu meiner Überraschung.

      »Was soll das heißen, nein?«

      »Na, ich bin weder dein Anwalt noch dein Arzt und unterliege deshalb keiner Schweigepflicht. Solltest du mir eine Straftat gestehen, kann und werde ich das nicht für mich behalten.«

      »Es ist nichts dergleichen.«

      »Und hoffentlich auch nichts in der Art falls möglich.«

      Ich begann deshalb mit dem Teil, an dem er, hoffte ich zumindest, am wenigsten Anstoß nehmen würde.

      »Ich werde die Insel verlassen.«

      Bill zuckte mit keiner Wimper, sondern starrte mich nur ausdruckslos an.

      »Kann mich der Colonel wirklich daran hindern?«, fragte ich ihn.

      »Du bist Zivilist, also theoretisch nicht.«

      Er wies mich allerdings trotzdem darauf hin, dass der Stützpunkt im Grunde geschlossen war und der Kommandant jeglichen Verkehr zur Insel und hinaus auf das Meer verboten hatte.

      »Zumindest den, der unter seine Befehlsgewalt fällt«, korrigierte ich Bill, als wir unseren Spaziergang fortsetzten.

      Bill dachte einen Augenblick lang darüber nach, und gerade als ich erkannte, dass er unser Vorhaben allmählich durchschaute, führte ich weiter aus: »Besitzer von Privatschiffen dürfen doch weiterhin ein- und auslaufen. Wenn wir also theoretisch nur vergessen würden, einen Fahrantrag auszufüllen, und einfach aufbrechen würden?«

      »Dann würden wir uns über kurz oder lang auf die Suche nach euch machen müssen, sobald auffällt, dass ihr nicht mehr da seid. Wir sind schließlich zur S&R verpflichtet – das bedeutete Such- und Rettungsdienst – und müssten dementsprechend nach euch fahnden, bis wir wüssten, dass es euch gut geht oder …« Er machte eine kurze Pause. »… wir wissen würden, wo ihr genau seid.« Damit meinte er unsere Leichen.

      »Wenn ihr uns also nicht finden würdet, dann würden wir für tot erklärt werden? Das ist aber ganz schön krass.«

      »Ich schätze mal, damit könntet ihr durchkommen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ihr hier später dann noch erwünscht wärt.«

      »Ach was, das ist mir mittlerweile ehrlich gesagt scheißegal.«

      Bill gab mir in diesem Punkt recht, indem er stumm nickte.

      Als wir uns dem Flughafengebäude näherten,

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