Скачать книгу

      Der dickliche Mann namens Sal war schon über sechzig und hatte schütter werdendes Haar. »Sir, wenn Sie bitte entschuldigen würden«, sagte er und verließ den Raum hastig hinter Ned.

      Der Kommandant wirkte immer noch ein wenig verärgert, während er weitersprach: »An meinem Beschluss gibt es nichts zu rütteln! Wenn die Hilfskräfte hier eintreffen, werden wir Aufschluss darüber erhalten, was in Gottes Namen los ist.«

      Eine Frau, die ihm gegenübersaß, war die einzige Person, die den Mut aufbrachte, die Stille im Anschluss an seine Ausführungen zu durchbrechen.

      »Falls das mit den dreißig Tagen stimmt, könnte allerdings schon längst jemand von hier infiziert sein.«

      »Das ist mir schon klar«, erwiderte Blaine, sichtlich erfreut darüber, dass man sich jetzt wieder den relevanten Fragen widmete. »Wir müssen aber darauf hoffen, dass dies nicht passiert ist, beziehungsweise wir damit fertig werden können, falls doch. Ich habe dem leitenden Sanitätsoffizier bereits aufgetragen, jegliches Personal zu untersuchen, das die Insel in den letzten vierzehn Tagen verlassen hat, und diese im Bedarfsfall ebenfalls unter Quarantäne zu stellen.« Der Kommandant schaute jetzt den Arzt an, während er sprach – Dr. Frank Pepperdine – und dieser bestätigte das Gesagte mit einem Nicken.

      »Außerdem habe ich alle gemeinschaftlichen Veranstaltungen abgesagt, eine weitere Vorsichtsmaßnahme, und habe unserer Belegschaft nahegelegt, in ihren Quartieren zu bleiben, und sich von den anderen fernzuhalten, bis wir herausgefunden haben, ob das Virus auch hier in die Basis eindringen konnte.«

      Wir sahen alle ein, dass er recht hatte. In Situationen wie dieser lastete die gesamte Verantwortung auf seinen Schultern, das Personal und die Einrichtung des Stützpunktes vor Eindringlingen jedweder Herkunft zu schützen, wozu er ihn eben auch vollständig nach außen hin abschotten musste, falls es keine andere Möglichkeit gab, uns vor der Bedrohung zu beschützen.

      »Waren das jetzt alle Fragen?«, fuhr er fort.

      Niemand meldete sich daraufhin.

      »Gut. Wir werden uns ab sofort jeden Morgen um null-achtzehnhundert zum Lagebericht hier treffen. Die jeweiligen Bereichsleiter erstatten mir dann Rückmeldung. Hiermit entlasse ich Sie.«

      Jetzt konnte ich mich plötzlich voll und ganz in Kate hineinversetzen, denn ich machte mir immer größere Sorgen. Denn in gleicher Weise, wie ich die Insel nun unmöglich verlassen konnte, waren sie und die Kinder nicht mehr imstande, hierher zurückzukehren. Und wegen der ausgefallenen Funkverbindung konnte ich jetzt noch nicht einmal mehr mit ihr sprechen. Des Weiteren könnte das Virus in Hinblick auf die Reaktion des Kommandanten tatsächlich gefährlicher sein, als es die Medien bisher dargestellt hatten.

      Nachdem ich hinaus und halb über den Flur gegangen war, stellte ich mich in eine Mauernische, um auf Jeff zu warten. Für einen Vertragsarbeiter wie mich beschränkten sich die herausgegebenen Informationen immer auf »das zu wissen Notwendige«, wohingegen er als Regierungsangestellter, der zu den wesentlichen Führungskräften hier auf dem Stützpunkt gehörte, alles erfuhr.

      Ich lehnte meinen Kopf gegen die Wand und atmete mehrmals tief durch, um der Panik Herr zu werden, die momentan immer mehr in mir aufstieg.

      Als Jeff vorbeieilte, streckte ich eine Hand aus und hielt ihn fest. Das erschreckte ihn zwar, doch er nahm die Antworten auf die Fragen sofort vorweg, die mir auf den Lippen brannten.

      »Es ist viel schlimmer, als du glaubst«, flüsterte er. »Mit diesen drei Monaten hat er den Zeitrahmen sehr großzügig angelegt, denn der Führungsstab ging eigentlich eher von einem halben Jahr aus. Blaine hat gesagt, sie würden jetzt schon seit einer Woche beobachten, wie es hier unterschwellig brodelt, und sich darum bemühen, die Lage zu entspannen, bevor diese eskaliert. Aus diesem Grund haben sie auch so schnell Nägel mit Köpfen und alle Schotten dichtgemacht. Sie haben bereits weltweit Daten erhoben und sich eine Strategie ausgedacht. Ich denke, dass es momentan auf jeder unserer Basen so läuft. In Übersee ist es sogar noch viel ernster, denn dort sitzt man unter Millionen von potenziellen Krankheitsträgern. Weißt du, wann zuletzt Verteidigungsbereitschaftsstufe Drei verhängt wurde?«

      Ich zog die Schultern hoch.

      »Nach 9/11. Das ist also eine wirklich brandheiße Sache.«

      »Warum hast du mir denn nicht schon vergangene Woche von diesem Scheiß erzählt? Wir hätten uns dann in einen Flieger setzen und abhauen können.« Meine Antwort fiel unwesentlich lauter als ein Wispern aus, weshalb ich ungehaltener wirkte, als ich es beabsichtigt hatte. »Oder ich hätte meine Frau und meine Kinder gar nicht erst aufbrechen lassen.«

      »Ich konnte doch nicht absehen, dass es so schnell gehen würde. Bezweifelst du etwa, dass ich dich eingeweiht hätte, wenn mir das alles bewusst gewesen wäre?«

      Mit schlechtem Gewissen ruderte ich zurück: »Nein, ich schätze mal, das hättest du bestimmt.« Immerhin hatte auch Jeffs Familie die Insel verlassen. »Tut mir leid, ich werde nur langsam immer fahriger, das ist alles.«

      »Das kann ich verstehen, echt.«

      Jeff schaute kurz auf dem Flur hin und her, wo wir standen, bevor er flüsterte: »Komm mit, im Funkraum tut sich gerade was.«

      ***

      Wir gingen jetzt durch das Treppenhaus hinunter und dann durch ein regelrechtes Labyrinth aus teils in Serpentinen verlaufenden Korridoren. Endlich kamen wir zu einer Panzertür. Eine ganze Reihe von Hinweistafeln verbaten Unbefugten, sich Zugang zu verschaffen. Auf einem Schild direkt an der Tür stand »Gefahr durch nicht ionisierende Strahlung«. Das dazugehörige Symbol ähnelte jenem für eine verfügbare Drahtlos-Internetverbindung.

      Jeff langte nach unten zu einem Ziffernschloss, um einen Code einzutippen, hielt dann aber kurz inne und sah mich an. »Dreh dich um«, verlangte er.

      »Mensch!«, regte ich mich auf, kam seiner Bitte aber dennoch nach.

      Nachdem es acht-, vielleicht auch zehn Mal geklickt hatte, ging die Tür auf, und kühle Luft strömte heraus. Jeff hielt mir einen hochgestreckten Zeigefinger entgegen, ehe er über die Schwelle trat und die Tür hinter sich schloss, ohne sie aber wieder zu verriegeln. Ich hörte gedämpft, wie er sich mit jemandem unterhielt, dann öffnete sich die Tür wieder ein Spalt.

      »Also keine Verschlusssache«, sagte er, während er die Tür ganz öffnete, und mich hinein winkte.

      »Ich bin sowieso bevollmächtigt, streng geheime Informationen einzusehen, womöglich sogar mit weniger Einschränkungen als du«, meckerte ich beim Betreten des düsteren Raumes.

      »Aber nicht in diesem Bereich«, hielt Jeff dagegen. »Er fällt nämlich unter SCI.« Dies stand für Sensitive Compartmented Information, sensibles und geheimdienstliches Material und lag damit tatsächlich außerhalb meiner Befugnis.

      Ned und Sal saßen mit großen Kopfhörern an Computerkonsolen, die praktisch die einzigen Lichtquellen im Raum waren, und konzentrierten sich gebannt auf irgendetwas.

      Jeff tippte Sal auf eine Schulter und sagte: »Lass es über Lautsprecher laufen.«

      Die beiden arbeiteten in sehr ähnlichen Feldern, und ich wusste, dass sie sich gut kannten. Sal war meines Erachtens nach allerdings nicht ganz dicht, weshalb ich mich noch nie wirklich mit ihm unterhalten hatte.

      Er zog den Kopfhörer daraufhin von seinen Ohren, wobei ihm der Bügel ins Genick rutschte. Als er den Anschluss aus der Buchse zog, piepte der Lautsprecher. Ich erkannte sofort, dass es sich um einen Morsecode handelte, doch mir war vollkommen schleierhaft, was dieser besagen sollte. Erst jetzt fiel mir auf, dass Ned die ganze Zeit hastig auf einem Block mitschrieb.

      »Was bedeutet diese Nachricht?«, fragte Jeff.

      »Das wissen wir nicht, denn es ist kein Englisch«, antwortete Sal.

      Ned legte nun den Stift hin und hängte sich den Kopfhörer ebenfalls um den Hals. »Das war alles, jetzt wiederholt es sich nur noch.«

      Sal streckte sich nach dem Bedienfeld aus und wechselte jetzt die

Скачать книгу