Скачать книгу

und die Geister vor Gott stehen: nichts ist natürlicher, als wenn aus seinem Wesen ein Licht aufsteigt, das ebenso fruchtbar ist an neuen Gefühlen, wie es das Licht Deiner Augen ist, Deiner hohen Stirn, Deines schönen Antlitzes, das das himmlische Abbild Deiner Seele ist. Die Seele, dieses andere Ich, gibt die reine Form, denn sie vergeht nie und macht unsere Liebe unsterblich. Ich wünschte, es gäbe eine andere Sprache als die, deren ich mich bediene, um Dir die wieder auflebende Wonne meiner Liebe auszudrücken. Aber wenn es eine solche gibt, die wir selbst geschaffen haben, wenn unsere Blicke lebendige Worte sind, müssen wir uns da nicht sehen, um durch die Augen das Fragen und Antworten des Herzens zu vernehmen, das so stark und so durchdringend ist, daß Du mir eines Abends, als ich garnicht sprach, sagtest: »Schweig!« Weißt Du das noch, geliebtes Leben? Wenn ich fern von Dir bin, wenn ich in dem Dunkel der Trennung lebe, muß ich dann nicht menschliche Worte gebrauchen, die zu schwach sind, um göttliche Gefühle wiederzugeben? Die Worte deuten wenigstens die Furchen an, die diese Gefühle in meine Seele graben, wie das Wort »Gott« unvollkommen die Idee zusammenfaßt, die wir von diesem geheimnisvollen Urquell aller Dinge haben. Trotz der Gelehrsamkeit and Unendlichkeit der Sprache habe ich nie in ihren Ausdrücken etwas gefunden, was Dir die süße Umschlingung schildern könnte, durch die ich mich mit Dir verbunden fühle, wenn ich an Dich denke. Und mit welchem Wort sollte ich schließen, wenn ich aufhöre Dir zu schreiben, ohne Dich doch zu verlassen? Was bedeutet »Lebewohl«, wenn nicht sterben? Aber ist der Tod denn ein Lebewohl? Verbindet sich meine Seele nicht noch enger mit der Deinen? O, Du mein ewiger Gedanke! Sonst bot ich Dir auf den Knien mein Herz und mein Leben an; was für eine neue Blüte des Gefühls werde ich jetzt in meiner Seele finden, um sie Dir zu geben? Hieße das nicht, Dir einen Teil von dem geben, was Du schon ganz besitzest? Bist Du nicht meine Zukunft? Wie ist mirs um die Vergangenheit leid! Diese Jahre, die nicht mehr uns gehören, möchte ich Dir alle geben, damit Du in ihnen herrschest, wie Du über mein jetziges Leben herrschst. Aber was war mein Leben zu der Zeit, da ich Dich nicht kannte? Ein Nichts, wäre ich nicht so unglücklich gewesen.

Fragment

      Geliebter Engel, welch ein schöner Abend war der gestrige! Wieviel Schätze besitzt Dein teures Herz! Deine Liebe ist wohl unerschöpflich wie die meine? Jedes Wort brachte mir neue Freuden, und jeder Blick macht sie nur noch tiefer. Der ruhige Ausdruck Deines Antlitzes gibt unsern Gedanken einen unbegrenzten Horizont. Ja, alles war unendlich wie der Himmel und lieblich wie seine azurne Bläue. Die Zartheit Deiner angebeteten Züge strahlte durch ein unerklärliches Wunder in Deinen anmutigen Bewegungen, Deinen ruhigen Gesten wider. Ich wußte wohl, daß Du ganz Anmut und ganz Liebe warst, aber ich ahnte nicht, wie verschiedenartig Deine Anmut sein konnte. Alles vereinigte sich, um eine süße Wollust in mir zu erwecken, um Dich inständig um die erste Gunst zu bitten, die eine Frau immer verweigert, gewiß, um sie sich rauben zu lassen. Aber nein, Du, Seele meines Lebens, Du weißt wohl nie im voraus, was Du meiner Liebe gewahren kannst, und Du wirst Dich hingehen, ohne daß Du es vielleicht willst. Du bist wahr und gehorchst nur Deinem Herzen. Wie der holde Ton Deiner Stimme sich mit den zarten Harmonien der reinen Luft und des stillen Himmels verbindet! Nicht ein Vogelschrei, nicht ein Lusthauch. Die Einsamkeit und wir! Das unbewegliche Laub zitterte nicht einmal in diesen wunderbaren Farben des Sonnenunterganges, die Licht und Schatten zugleich sind. Du hast diese himmlische Poesie gespürt, Du, die so viel verschiedene Gefühle verbindet und die Augen so oft zum Himmel emporhob, nur, um mir nicht zu antworten! Du, die so stolz und so heiter ist, so demütig und so gebieterisch, Du gibst Dich ganz mit der Seele, mit dem Gedanken hin und entziehst Dich den zaghaftesten Liebkosungen? Geliebte Koketterie des Herzens! Sie klingen noch immer in meinem Ohr, die süßen Worte, die halb gestammelt waren wie Kinderworte, und die weder ein Versprechen waren noch ein Geständnis, die aber der Liebe ihre schönen Hoffnungen ließen ohne Furcht und ohne Qual! Welch eine keusche Erinnerung für immer! Wie erschlossen sich alle Blumen, die im Grunde der Seele aussprießen und die ein Nichts vernichten kann, die gestern aber sich belebten und befruchteten. So wird es immer sein, nicht wahr, Geliebte? Während ich mich des Morgens all der frischen, lebendigen Wonne erinnere, die in jenem Augenblick aufquoll, empfinde ich ein Glück in der Seele, das mich die wahre Liebe wie einen Ozean von ewigen und immer neuen Freuden spüren läßt, in den man sich mit wachsender Seligkeit stürzt. Jeder Tag, jedes Wort, jede Liebkosung, jeder Blick muß den Tribut seiner vergangenen Freuden noch hinzufügen. Ja, die Herzen, die groß genug sind, um nichts zu vergessen, müssen bei jedem Herzschlag von ihren vergangenen Glückseligkeiten leben wie von all denen, die die Zukunft verheißt. Das träumte ich früher, und heute ist es kein Traum mehr. Bin ich nicht auf dieser Erde einem Engel begegnet, der mich alle Freuden kosten läßt, vielleicht, um mich dafür zu entschädigen, daß ich alle Schmerzen ertragen habe? Engel des Himmels, ich grüße dich mit einem Kuß.

      Ich schicke Dir diese Hymne, die meinem Herzen entströmt, denn Dir verdanke ich sie. Aber sie wird Dir nur schwer eine Vorstellung von meiner Dankbarkeit geben können und von den Morgengebeten, die mein Herz täglich der Frau schickt, die mir das ganze Evangelium des Herzens in dem einen göttlichen Wort gesagt hat: »Glaube!«

      V

      Wie, geliebtes Herz, kein Hindernis mehr? Wir werden einander angehören dürfen, jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick, immer! Wir werden alle Tage unseres Lebens glücklich sein können, wie wir es nur flüchtig in seltenen Augenblicken waren! Wie, unsere reinen, tiefen Gefühle werden sich in tausend holde Zärtlichkeiten kleiden, wie ich sie erträumt habe! Dein kleiner Fuß wird sich für mich entblößen; Du wirst ganz mein sein! Dieses Glück tötet mich, erdrückt mich. Mein Kopf ist zu schwach, er zerspringt bei der Heftigkeit meiner Gedanken. Ich weine und lache, ich fasele! Jede Freude ist wie ein glühender Pfeil, der mich durchsticht und versengt. In meiner Phantasie sehe ich Dich vor meinen entzückten, geblendeten Augen in den unzähligen und mutwilligen Formen, in die die Wollust sich kleidet. Unser ganzes Leben liegt vor mir, mit all seinen Wirbeln, seiner Ruhe, seinen Freuden. Es wallt auf, breitet sich aus, schläft ein, und erwacht dann wieder jung und frisch. Ich sehe uns beide vereint, wie wir in gleichem Schritt gehen, von dem gleichen Gedanken leben, immer einer im Herzen des anderen, einander verstehend, einander hörend, wie das Echo, das die Töne über den Raum hinweg empfängt und zurückgibt; kann man lange leben, wenn man auf diese Weise sein Leben stündlich aufzehrt? werden wir nicht in der ersten Umarmung sterben? Und was wird erst geschehen, wenn schon der süße Kuß an jenem Abend, da sich unsere Seelen verbanden, uns unsere Kräfte raubte? dieser Kuß ohne Dauer, Auflösung aller meiner Wünsche, ohnmächtiger Dolmetsch all der Gebete, die meiner Seele in den Stunden, da wir getrennt waren, entströmten und die wie Gewissensbisse auf dem Grunde meines Herzens verborgen waren? Ich, der ich mich wieder in die Hecke lagern mußte, um das Geräusch Deiner Schritte zu hören, wenn Du ins Schloß gingest, ich werde Dich also bewundern dürfen, so lange ich will, werde sehen, wie Du Dich bewegst, wie Du lachst, spielst, sprichst, gehst! Freuden ohne Ende! Du weißt nicht, was ich für Glückseligkeiten empfinde, wenn ich Dich kommen und gehen sehe: man muß ein Mann sein, um diese tiefen Erregungen fühlen zu können. Jede Deiner Bewegungen verursacht mir mehr Glückseligkeit als einer Mutter der Anblick ihres spielenden oder schlafenden Kindes. Ich liebe Dich mit allen Arten der Liebe. Der Zauber der geringsten Deiner Bewegungen ist immer wieder neu für mich. Ich glaube, ich werde die Nächte damit zubringen, Deinen Atem einzuatmen, ich möchte in allen Deinen Lebensäußerungen sein, möchte die Substanz Deines Gedankens, möchte Du selbst sein. Mit einem Wort: ich verlasse Dich nie mehr! Kein menschliches Gefühl wird mehr unsere Liebe stören, die unendlich ist in ihren Wandlungen und rein wie alles, was eines ist; unsere Liebe ist weit wie das Meer, weit wie der Himmel. Du bist mein, ganz mein! Ich darf also tief in Deine Augen blicken, um dort Deine geliebte Seele zu ahnen, die sich abwechselnd verbirgt und enthüllt, und um Deine Wünsche zu erspähen. Geliebte, höre an, was ich Dir noch nicht zu sagen wagte, was ich Dir aber heute gestehen kann. Ich empfand eine Scheu in meiner Seele, die sich dagegen sträubte, meine Gefühle ganz auszudrücken, und ich versuchte, sie in die Form der Gedanken einzukleiden. Jetzt aber möchte ich mein Herz ganz nackt hinstellen, möchte Dir die ganze Glut meiner Träume sagen, Dir das heiße Begehren meiner Sinne enthüllen, die durch die Einsamkeit, in der ich lebte, aufgespeichert waren und aufgeweckt wurden durch Dich! Durch Dich, die Du so lieblich in der Erscheinung und so anziehend im Wesen bist. Aber kann ich Dir zum Ausdruck bringen, wie ich durch diese ungekannte Glückseligkeit, ein geliebtes Weib zu besitzen, aufgewühlt hin, durch diese Glückseligkeit welcher zwei durch die Liebe eng verbundene

Скачать книгу